19.10.2014 -

Können schwangere Arbeitnehmerinnen wegen ihres Geschlechts bei Ausspruch einer Kündigung diskriminiert werden? Diese Frage hatte nun das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil zu entscheiden (BAG, Urteil v. 17.10.2013 – 8 AZR 742/12). Die Problematik ist äußerst praxisrelevant und taucht immer wieder auf. Vielfach werden Arbeitnehmerinnen gekündigt ohne dass der Arbeitgeber bislang Kenntnis von der bereits bestehenden Schwangerschaft hatte. Ist dann schon die Kündigung an sich eine Diskriminierung oder erst das Festhalten an der Kündigung? Den hierzu entwickelten Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts, die wir nachfolgend vorstellen, ist zuzustimmen.

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin ist bei dem beklagten Arbeitgeber als Personalsachbearbeiterin befristet für zwei Jahre eingestellt worden. Sie wurde bereits in der sechsmonatigen Probezeit arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber zahlte nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit das Entgelt fort. Im Anschluss erhielt die Arbeitnehmerin Krankengeld. Noch in der Probezeit wurde das Arbeitsverhältnis fristgerecht gekündigt.

Mit Rechtsanwaltsschreiben ließ die Klägerin dem Arbeitgeber mitteilen, dass sie schwanger sei. Die Anwälte baten den Arbeitgeber zur Vermeidung einer Klage unter Fristsetzung kurzfristig mitzuteilen, dass er an der Kündigung „nicht festhalte“. Mit weiterem Schreiben übersandten sie ein ärztliches Schwangerschaftsattest und teilten mit, dass ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG ausgesprochen worden sei. Der Arbeitgeber forderte daraufhin die Klägerin auf, sich betriebsärztlich untersuchen zu lassen. Der Betriebsarzt bestätigt sowohl die bestehende Schwangerschaft als auch das Beschäftigungsverbot.

Die Arbeitnehmerin erhob fristgerecht Kündigungsschutzklage. Mit Klageerweiterung wurden weiter Gehaltszahlungsansprüche wegen des Beschäftigungsverbotes und auch ein Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung geltend gemacht.

Im Kammertermin gab der Arbeitgeber ein Anerkenntnis hinsichtlich des Kündigungsschutzantrages ab.

Ihren Antrag auf Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hat die Klägerin damit begründet, dass die Beklagte das Beschäftigungsverhältnis gekündigt und daran auch festgehalten habe, als sie positive Kenntnis von der Schwangerschaft erlangt habe. Auch das ärztliche Schwangerschaftsattest habe nichts bewirkt. Obschon der Betriebsarzt das Beschäftigungsverbot bestätigt habe, habe die Beklagte Lohnzahlungen oder Ersatzleistungen nicht erbracht.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen voll bestätigt. Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts bzw. wegen der Schwangerschaft liege nicht vor.

I. Diskriminierungsmerkmal allein nicht ausreichend

Zunächst hat das Bundesarbeitsgericht zutreffend klargestellt, dass aus der Tatsache, dass der Klägerin als Frau eine Kündigung ausgesprochen wurde, für sich genommen noch keine Diskriminierung abgeleitet werden könne. Ein in der Person des Anspruchsstellers erfülltes Diskriminierungsmerkmal führt nicht zu Entschädigungsansprüchen und einer Diskriminierung. Einer während der Probezeit erklärten Kündigung sind keine Hinweise für eine Anknüpfung an ein Diskriminierungsmerkmal zu entnehmen. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber die Kündigung sogar erst dann ausgesprochen, nachdem der sechswöchige Zeitraum für die Entgeltfortzahlung abgelaufen war.

Hinweis für die Praxis:

Die Zugehörigkeit zu einer diskriminierungsfähigen Gruppe reicht damit für eine Diskriminierung niemals aus. Es müssen immer Indizien für eine solche Diskriminierung hinzukommen, bspw. eine fehlerhafte Stellenausschreibung o.ä. Ohne solche Indizien kann keine Diskriminierung vorliegen.

II. Festhalten an der Kündigung als Diskriminierung?

Das „Festhalten“ an einer möglicherweise unzulässigen Kündigung kann als Indiz für eine Diskriminierung nach § 22 AGG anzusehen sein. Das Bundesarbeitsgericht hat aber klargestellt, dass dies hier nicht der Fall war, sondern sich im Gegenteil dieses „Festhalten“ sogar rechtswahrend für die Arbeitnehmerin ausgewirkt hat.

Die von der Arbeitnehmerin an den Arbeitgeber gerichtete und verlangte Mitteilung, dass dieser an der Kündigung nicht mehr weiter festhalte, hätte eine Klageerhebung nämlich nicht überflüssig gemacht. Auch die schwangere Arbeitnehmerin ist gehalten, den gesetzlichen Unwirksamkeitsgrund des § 9 Abs. 1 MuSchG innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. Auch Unwirksamkeits- und sogar Nichtigkeitsgründe müssen innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist geltend gemacht werden. Damit hätte die von der Klägerin verlangte Mitteilung, „an der Kündigung nicht festzuhalten“, eine Klageerhebung wegen dieser dreiwöchigen Frist nicht überflüssig gemacht.

Hinweis für die Praxis:

Die Wirkungen einer Kündigung können nur durch eine Vereinbarung beseitigt werden, durch die der gekündigte Arbeitnehmer ein Fortsetzungsangebot des Arbeitgebers annimmt. Steht nicht endgültig fest, ob der Arbeitnehmer das Angebot des Arbeitgebers auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses annehmen will, muss er vorsorglich Kündigungsschutzklage erheben, um die Wirkung des § 7 KSchG zu vermeiden. Sogar bei einer offensichtlich rechtsunwirksamen Kündigung gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam, wenn der betroffene Arbeitnehmer sich nicht rechtzeitig mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung wendet und ihre Rechtsunwirksamkeit nicht rechtzeitig geltend macht. Damit konnte die Arbeitnehmerin dem beklagten Arbeitgeber aber keine Benachteiligung vorhalten. Eine Indizwirkung kommt dem Verhalten des Arbeitgebers nicht zu.

Fazit:

Die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin in Unkenntnis der Schwangerschaft kann keine Diskriminierung sein. Entschädigungsansprüche werden dadurch nicht ausgelöst. Dies kann allerdings bei einem „Festhalten“ an der Kündigung anders sein. Sobald deshalb klar geworden ist, dass eine Kündigung offensichtlich in bestehender Schwangerschaft nach § 9 MuSchG unwirksam ist, sollte der Arbeitnehmerin eine Vereinbarung auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen angeboten werden, um hier jeglichen Angriffspunkten für eine etwaige Diskriminierung die Grundlage zu entziehen.

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