Die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte kann der abgemahnte Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht einklagen. Wie verhält es sich aber, wenn ein Betriebsratsmitglied abgemahnt wird? Hat dann auch der Betriebsrat einen Entfernungsanspruch oder nur das betroffene Betriebsratsmitglied? Welche Verfahrensart muss hier gewählt werden? Mit diesen interessanten und praxisrelevanten Fragestellungen hatte sich nun das Bundesarbeitsgericht im Einzelnen zu befassen (BAG, Beschl. v. 04.12.2013 – 7 ABR 7/12).
Der Fall (verkürzt):
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung einer dem Betriebsratsvorsitzenden erteilten Abmahnung sowie ergänzend über Feststellungs- und Unterlassungsansprüche in diesem Zusammenhang.
Die beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein psychiatrisches und psychosomatisches Fachkrankenhaus. Es besteht ein 15-köpfiger Betriebsrat.
Eine bei der Arbeitgeberin beschäftigte Arbeitnehmerin informierte die Geschäftsführung über ein „besonderes Vorkommnis“. Sie habe gesehen, wie der Hausmeister der Einrichtung einen Heimbewohner beschimpft und sogar versucht habe, den Bewohner zu schlagen. Wegen dieser Meldung wandte sich der Hausmeister an den Betriebsrat. Im Anschluss führte der Betriebsratsvorsitzende mit einem weiteren Betriebsratsmitglied ein Gespräch mit der Arbeitnehmerin, die den Vorfall gemeldet hat. Der Inhalt des Gesprächs ist streitig. Die Arbeitnehmerin beschwerte sich jedenfalls bei der Geschäftsführung über das Verhalten der beiden Betriebsratsmitglieder. Sie hätten versucht, Druck auf sie auszuüben, um ihre Wahrnehmungen anders darzustellen, nämlich für den Hausmeister günstiger.
Die Arbeitgeberin erteilte daraufhin dem Betriebsratsvorsitzenden eine Abmahnung unter dem 13. Januar 2010.
Der Betriebsrat hat daraufhin bei dem Arbeitsgericht im Wege des Beschlussverfahrens die Feststellung begehrt, dass die Abmahnung vom 13. Januar 2010 unwirksam sei und eine Behinderung und Störung der Arbeit des Betriebsrats sowie des Betriebsratsvorsitzenden darstelle. Erst in der 2. Instanz bei dem Landesarbeitsgericht wurde auch der Betriebsratsvorsitzende am Verfahren beteiligt. Dieser hat dann im Beschwerdeverfahren zweitinstanzlich gleichlautende Feststellungen begehrt und darüber hinaus hilfsweise von der Arbeitgeberin die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.
Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende haben dabei die Auffassung vertreten, ihre Ansprüche seien im Beschlussverfahren zu verfolgen. Die Abmahnung vom 13. Januar 2010 sei betriebsverfassungswidrig. Sie ziele auf eine Störung und Behinderung der Arbeit des Betriebsrats und des Betriebsratsvorsitzenden.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Im zweitinstanzlichen Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls die Anträge des Betriebsrats und auch des Betriebsratsvorsitzenden zurückgewiesen.
Die Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht hat im Rechtsbeschwerdeverfahren die Anträge des Betriebsrats ebenfalls zurückgewiesen, den Entfernungsanspruch des Betriebsratsvorsitzenden hingegen bejaht.
I. Antragsbefugnis auch des Betriebsrats
Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter antragsbefugt, wenn er eigene Rechte geltend macht (vgl. § 81 Abs. 1 ArbGG). Das ist regelmäßig der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Der Betriebsrat hat hier eine (behauptete) Störung und Behinderung seiner Arbeit geltend gemacht. Damit macht er ein eigenes Recht geltend. Er hat sich dabei auf § 78 BetrVG gestützt, was jedenfalls nicht von vornherein als aussichtslos erscheint.
Hinweis für die Praxis:
Die Arbeitsgerichte legen die Antragsbefugnis grundsätzlich sehr weit aus. Es muss nur als möglich erscheinen, dass eigene Rechte geltend gemacht werden und der Betriebsrat in seiner kollektivrechtlichen Stellung betroffen sein könnte.
II. Aber: Kein Anspruch des Betriebsrats!
Das Bundesarbeitsgericht hat aber klargestellt, dass der Betriebsrat als Gremium keinen Anspruch darauf hat, eine Entfernung einer Abmahnung eines einzelnen Betriebsratsmitglieds für dieses Mitglied zu verlangen. Zwar verbietet § 78 S. 1 BetrVG jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Behinderung der Betriebsratsarbeit. In solchen Fällen steht dem Betriebsrat auch ein Unterlassungsanspruch zu, um die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern. Der Betriebsrat hat jedoch keinen aus § 78 S. 1 BetrVG folgenden Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines Betriebsratsmitglieds. Hierbei handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht des betroffenen Betriebsratsmitglieds. Würde man dem Betriebsrat ein eigenes Recht auf „Bereinigung“ der Personalakte zuerkennen, würde dies das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Betriebsratsmitglieds wesentlich berühren. Dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht dient aber in erster Linie dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit. Insoweit stehen nur dem Träger des Persönlichkeitsrechts Ansprüche zu, nicht aber einem dritten Gremium.
III. Entfernungsanspruch des betroffenen Betriebsratsmitglieds
In Konsequenz aus dem fehlenden Anspruch des Betriebsratsgremiums hat das Bundesarbeitsgericht aber den Entfernungsanspruch des einzelnen Betriebsratsmitglieds, hier des Betriebsratsvorsitzenden, bejaht. Der Vorsitzende hatte sich ebenfalls bei seinem Entfernungsanspruch auf § 78 S. 1 und S. 2 BetrVG gestützt. Das Bundesarbeitsgericht hat offen gelassen, ob das einzelne Betriebsratsmitglied hierauf einen Anspruch stützen kann. Jedenfalls kann sich das Betriebsratsmitglied auf den allgemeinen Entfernungsanspruch aus den §§ 242, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB berufen. Es kommt dabei nicht darauf an, dass im Verfahren diese Vorschriften geltend gemacht worden sind, was hier nicht der Fall war. Die Arbeitsgerichte müssen einen Entfernungsanspruch unter allen in Frage kommenden rechtlichen Gesichtspunkten prüfen.
Hierauf gestützt hat das Bundesarbeitsgericht dem Entfernungsanspruch dann auch inhaltlich stattgegeben. Die Abmahnung war pauschal und inhaltlich unbestimmt. Dem abgemahnten Betriebsratsmitglied war es nicht möglich, aus der Abmahnung abzulesen, bei welchen Handlungen er im Wiederholungsfall mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss.
Hinweis für die Praxis:
Die Besonderheit lag hier vor allem darin, dass dem Entfernungsanspruch stattgegeben wurde, obwohl der Anspruch im Wege eines Beschlussverfahrens geltend gemacht wurde. Individualrechtliche Ansprüche, zu denen auch Entfernungsansprüche einer erteilten Abmahnung gehören, müssen grundsätzlich im Urteilsverfahren geltend gemacht werden. Das Bundesarbeitsgericht hat aber klargestellt, dass den Gerichten für Arbeitssachen eine verfahrensüberschreitende Sachentscheidungskompetenz zusteht.
Fazit:
Die Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds kann auch nur von dem konkret betroffenen Betriebsratsmitglied angegriffen und in Frage gestellt werden. Dem Betriebsrat als Gremium steht diese Kompetenz nicht zu. Der Anspruch besteht immer dann, wenn die Abmahnung inhaltlich unzutreffend ist oder aber so pauschal gehalten wurde, dass der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, bei welchen Handlungen er im Wiederholungsfall mit der Kündigung rechnen muss. Auch Betriebsräte können dabei wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten abgemahnt werden. In besonderen Konstellationen kann dieser Anspruch auch im Beschlussverfahren durchgesetzt werden. Im Grundsatz bleibt aber das Urteilsverfahren die zuständige Verfahrensart.
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