I. Grundsatz
Das Gesetz sieht in § 1601 BGB vor, dass Verwandte einander Unterhalt zu leisten haben. Bei Bedürftigkeit besteht daher auch ein Anspruch der Eltern gegen ihre volljährigen Kinder auf Leistung von Unterhalt. Bedürftigkeit ist anzunehmen, wenn der Elternteil seinen Unterhaltsbedarf nicht mit eigenen Mitteln aus Vermögen und Einkünften decken kann.
Allerdings wird diese Unterhaltspflicht begrenzt durch den Grundsatz, dass nur derjenige Unterhalt zu leisten hat, der auch leistungsfähig ist (§ 1603 BGB). Dabei ist auch zu beachten, ob vorrangige Unterhaltspflichten gegenüber den eigenen Kindern (Kindesunterhalt) oder gegenüber dem Ehegatten (Ehegattenunterhalt) des Unterhaltspflichtigen bestehen; diese verringern die finanzielle Leistungsfähigkeit und werden deshalb vorab vom Einkommen abgezogen. Zudem ist immer sicherzustellen, dass dem Unterhaltspflichtigen ein angemessener Selbstbehalt bleibt ebenso wie ein gewisses Altersvorsorge-Schonvermögen. Demgemäß hat der BGH auch im Sommer letzten Jahres entschieden, dass der Wert einer selbst bewohnten Immobilie bei der Berechnung der Vermögensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Kindes außer Betracht zu bleiben hat (BGH Beschluss vom 7. August 2013 – XII ZB 269/12).
Der Anspruch auf Elternunterhalt kann verwirkt werden, insbesondere dann, wenn sich der Unterhaltsberechtigte vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat.
Wie sich aus dem jüngsten Beschluss des BGH ergibt, ist ein solcher Wegfall der Verpflichtung aber nur unter engen Voraussetzungen anzunehmen.
II. BGH Beschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 607/12
Der Fall
Die Eltern des nunmehr auf Unterhalt in Anspruch genommenen Sohnes trennten sich im Jahre 1971 und ließen sich im gleichen Jahr scheiden. Fortan lebte der Sohn bei seiner Mutter. Nach dem Abitur des Sohnes im Jahr 1972 brach der zuvor noch lose bestehende Kontakt zu dem Vater vollständig ab. 1998 errichtete der Vater ein Testament, in dem er seine Bekannte zur Erbin einsetzte und zudem bestimmte, dass sein Sohn nur den „strengsten Pflichtteil“ erhalten solle. Ergänzend führte er dazu aus, dass seit 27 Jahren kein Kontakt mehr zu seinem Sohn bestehe.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH hat entschieden, dass eine Pflicht der Kinder, im Falle der Bedürftigkeit der Eltern Unterhalt an diese zu leisten, auch dann noch besteht, wenn die Kinder seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zu diesen haben. Im vorliegenden Fall wurde der Sohn von der Stadt Bremen auf Übernahme der Kosten für die Unterbringung und Pflege des Vaters in einem Heim in Anspruch genommen.
Eltern und Kinder sind einander zu Beistand und Rücksichtnahme verpflichtet (§ 1618a BGB). Zwar besteht gem. § 1611 BGB die Möglichkeit, den Unterhaltsanspruch zu verwirken. Jedoch muss dafür eine schwere Verfehlung des unterhaltsberechtigten Elternteils gegenüber seinem unterhaltspflichtigen Kind vorliegen.
Wie der BGH nun ausführt, genügt die einseitige Aufkündigung des Kontakts durch den unterhaltsberechtigten Vater sowie die Tatsache, dass er seinem Sohn nur den „strengsten Pflichtteil“ zukommen ließ, nicht für die Annahme einer solch schweren Verfehlung. Denn entscheidend sei, dass der Vater seinen Sohn zumindest in den ersten 18 Lebensjahren betreut und daher seinen Elternpflichten in dieser für die Entwicklung so wichtigen Lebensphase im Wesentlichen genügt habe.
III. Fazit
Der Beschluss des BGH zeigt, dass von dem Grundsatz der Unterhaltspflicht gegenüber Verwandten nur in eng begrenzten Fällen eine Ausnahme gemacht wird. Eine über Jahrzehnte währende einseitige Aufkündigung des Kontakts durch den Unterhaltsberechtigten genügt für die Annahme einer solchen Ausnahme in der Regel nicht.
Referendarin Miriam Hachenberg
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