23.02.2014 -

Fehler im Wahlausschreiben anlässlich einer Betriebsratswahl können zur Anfechtung der Wahl nach § 19 BetrVG führen. Voraussetzung ist aber stets, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis auch geändert oder beeinflusst werden konnte. Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass eine unzutreffende Angabe im Wahlausschreiben hinsichtlich der auf das Geschlecht in der Minderheit entfallenden Mindestsitze im Betriebsrat eine solche Anfechtung rechtfertigen kann (BAG, Beschluss v. 13.03.2013 – 7 ABR 67/11).

Der Fall:

Die Beteiligten des Rechtsstreits streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Antragstellerin ist eine im Betrieb des Arbeitgebers vertretene Gewerkschaft.

Der Arbeitgeber beschäftigt 643 Arbeitnehmer. Ohne die leitenden Angestellten handelt es sich dabei um 515 Frauen und 124 Männer.

Der Wahlvorstand hat mit Wahlausschreiben vom 24. März 2010 das Verfahren zur Wahl des Betriebsrats eingeleitet. In dem Wahlausschreiben heißt es unter anderem:

„Der Wahlvorstand hat beschlossen, dass die Betriebsratswahl stattfindet am: 17.05.2010 in der Zeit von 7.00 Uhr bis 12.00 Uhr im Wahllokal O.

Der künftige Betriebsrat besteht aus 11 Mitgliedern.

Im Betrieb sind 515 Frauen und 124 Männer als Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Leitende Mitarbeiter wurden nicht berücksichtigt. Gemäß § 15 Abs. 2 BetrVG muss das Geschlecht, das im Betrieb in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis in der Belegschaft vertreten sein. In der Minderheit sind Frauen  Männer (nicht Zutreffendes streichen). Danach müssen mindestens 9 Frauen / 2 Männer (nicht Zutreffendes streichen) dem Betriebsrat angehören.

…“

Das Wahlergebnis wurde am 17. Mai 2010 bekannt gemacht. Aus der Wahl ging der elfköpfige Betriebsrat hervor.

Mit der am 31. Mai 2010 bei Gericht eingegangenen Antragschrift hat die Gewerkschaft die Wahl aus mehreren Gründen angefochten. Sie hat unter anderem die Auffassung vertreten, das Wahlausschreiben sei fehlerhaft, weil die Anzahl der auf das Geschlecht der Minderheit entfallenden Mindestsitze im Betriebsrat fehlerhaft angegeben worden sei. Es seien nicht mindestens neun Frauen, sondern mindestens zwei Männer zu wählen gewesen. Das fehlerhaft angegebene Mindestquorum von neun Fragen habe möglicherweise dazu geführt, dass weitere geeignete Wahlvorschläge nicht eingebracht worden seien.

Der Arbeitgeber ist der Ansicht, dass die behaupteten Verstöße jedenfalls nicht geeignet sind, das Wahlergebnis zu beeinflussen.

Das Arbeitsgericht hat der Wahlanfechtung stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hingegen hat den Antrag auf Wahlanfechtung abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren beim Bundesarbeitsgericht ist die Wahl, wie in der ersten Instanz, für unwirksam erklärt worden.

I. Anfechtung einer Betriebsratswahl

Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

Damit müssen nicht nur Wahlverstöße vorliegen. Dies allein reicht für eine wirksame und erfolgreiche Anfechtung noch nicht aus. Vielmehr muss eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebniserzielt worden wäre. Kann diese Feststellung hingegen nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl. Die Anfechtung ist also immer dann ausgeschlossen, wenn der Verfahrensfehler das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte.

Hinweis für die Praxis:

Die Wahlanfechtung muss innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgen. Dabei muss der Wahlanfechtungsantrag innerhalb dieser zwei Wochen beim zuständigen Arbeitsgericht eingehen. Wird diese kurze Frist versäumt, scheidet die Anfechtung der Wahl bereits aus formellen Gründen aus.

II. Verstöße gegen die Geschlechterquote

Nach § 15 Abs. 2 BetrVG muss das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein, wenn dieser aus mindestens drei Mitgliedern besteht. Die Vorschrift wird ergänzt durch § 3 Abs. 2 Nr. 5 Wahlordnung zum BetrVG. Dort ist geregelt, dass das Wahlausschreiben entsprechende Angaben zum Minderheitengeschlecht enthalten muss.

Das BAG hat zunächst klargestellt, dass es sich bei diesen Vorgaben aus der Wahlordnung und dem BetrVG um wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren handelt. Wird gegen diese Vorschriften verstoßen, handelt es sich also um einen Verfahrensverstoß, der grundsätzlich die Anfechtung rechtfertigen kann.

In dem Wahlausschreiben wurden die Angaben zum Minderheitengeschlecht widersprüchlich angegeben. In der Minderheit waren im Betrieb des Arbeitgebers die Männer, die nur mit 124 Personen vertreten waren. Nach § 15 Abs. 2 BetrVG, § 5 Wahlordnung hätte das Wahlausschreiben also darauf verweisen müssen, dass die Männer mit mindestens zwei Sitzen im Betriebsrat vertreten sein müssen. Nur diese Angabe war erforderlich. In dem hier streitigen Wahlausschreiben heißt es dagegen, „danach müssen mindesten 9 Frauen / 2 Männer (nicht Zutreffendes streichen) dem Betriebsrat angehören“. Zu wählen waren aber nicht „mindestens 9 Frauen“. Richtigerweise hätte der Wahlvorstand in dem formularmäßigen Wahlausschreiben bei Frauen, die im zahlenmäßigen Verhältnis in der Belegschaft stärker vertreten sind, nicht die Zahl neun einfügen dürfen, sondern stattdessen den Passus „mindestens … Frauen“ vollständig streichen müssen.

Der Hinweis, es müssten „mindestens 9 Frauen / 2 Männer“ dem Betriebsrat angehören, konnte aus Sicht der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebes nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit verstanden werden. Es war nicht klar, worauf sich der Minderheitenschutz nun beziehen sollte.

Der Verstoß war auch geeignet, das Wahlverhalten der Arbeitnehmer und damit das Ergebnis der Betriebsratswahl zu beeinflussen. Es kann hier nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Vorschlagslisten eingebracht worden wären, wenn das Wahlausschreiben nicht den fehlerhaften Hinweis enthalten hätte, dass mindestens neun Frauen in den Betriebsrat zu wählen sind. Es ist insbesondere nach Auffassung des BAG keineswegs fernliegend, dass durch den unzutreffenden Hinweis männliche Bewerber von einer – als wenig aussichtsreich erscheinenden – Kandidatur abgehalten wurden.

Fazit:

Auf den Inhalt des Wahlausschreibens ist besonders zu achten. Inhaltliche Fehler können zur Anfechtbarkeit der Wahl führen. Wird die Wahl dann erfolgreich angefochten, muss sie insgesamt neu durchgeführt werden. Diese Unsicherheiten sollte man von vornherein ausschließen.

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