03.10.2012 -

Ansprüche auf variable Vergütung sind vielfach mit zahlreichen Rechtsproblemen behaftet. Viele Arbeitsverträge sind unvollständig gefasst und auch die Zielvereinbarungen werden nicht immer konkret und rechtsverbindlich abgeschlossen. Zum Streit kommt es vor allem dann, wenn der Bonus nicht in der erwarteten Höhe ausgezahlt wird. Mit einem solchen Fall hatte sich nun das Bundesarbeitsgericht zu befassen. Der Arbeitgeber hatte im laufenden Geschäftsjahr ein bestimmtes Bonusvolumen (Bonuspool) zugunsten der Arbeitnehmer festgelegt. Zum Zeitpunkt der Auszahlung wich der Arbeitgeber aber von diesem Volumen ab und zahlte lediglich 10 % des ursprünglichen Betrages aus. Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat diese Kürzungsentscheidung für wirksam erachtet (BAG, Urteil v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10).

Der Fall:

Die Parteien streiten über eine Bonuszahlung für das Jahr 2008.

Der Kläger war seit Mai 2005, zuletzt als „Leiter Aktien Sales-Trading“ in der Investmentsparte einer Bank beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Klägers mit dem 31. Dezember 2009.

Der Arbeitsvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:

2. Bezüge

Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge, durch die zugleich Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung abgegolten sind:

a) Gehalt

Ein Bruttomonatsgehalt von € 15.000,00

b) Variable Vergütung

Eine zusätzliche Vergütung, die unter Berücksichtigung der Ertragslage des D Geschäftes der Bank individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgelegt wird. Die Auszahlung erfolgt im Frühjahr des folgenden Geschäftsjahres, sofern der Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht.

In den Jahren 2005 bis 2007 erhielt der Kläger Boni zwischen 161.700,00 € und 325.000,00 €.

Am 12. August 2008 wurde auf einer Vorstandssitzung der Bank die Notwendigkeit der Festlegung eines Minimum-Bonuspools in Höhe von 400 Mio. Euro für das Geschäftsjahr 2008 für den Bereich des Klägers erörtert, um die Mitarbeiterstabilität aufrechtzuerhalten. Es wurde ein entsprechender Vorstandsbeschluss gefasst. Der Vorstandsbeschluss wurde den Mitarbeitern schriftlich mitgeteilt. Die Bildung des Bonuspools über 400 Mio. Euro ist in der Folgezeit wiederholt verlautbart worden.

Im Oktober 2008 veröffentlichte die Bank im Intranet eine Mitteilung an die Mitarbeiter. Dort wurde darauf hingewiesen, dass die Festsetzung der individuellen Bonusbeträge leistungsabhängig erfolgen wird, wie auch in den vergangenen Jahren.

Am 19. Dezember 2008 erhielt der Kläger einen Bonusbrief. In diesem Brief wurde ihm die Auszahlung eines Bonus über 140.000,00 € brutto angekündigt. Der Brief war allerdings mit einem Vorbehalt versehen, insbesondere für den Fall weiterer wesentlicher negativer Abweichungen in Ertrag und Ergebnis. Die Bank behielt sich insbesondere das Recht vor, die vorläufige Bonusfestsetzung zu überprüfen und, falls erforderlich, den Betrag der vorläufigen Bonusfestsetzung zu reduzieren.

Im Februar 2009 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass sein vorgesehener Bonus über 140.000,00 € um 90 % gekürzt werde und er nunmehr einen Betrag in Höhe von 16.836,00 € brutto erhalte.

Hintergrund war das negative operative Ergebnis der Bank im Geschäftsjahr 2008 in Höhe von mehreren Mrd. Euro.

Der Kläger hat den Differenzbetrag in Höhe von 123.164,00 € mit seiner Zahlungsklage vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Ein weiterer Bonusanspruch für das Jahr 2008 wurde abgelehnt.

I. Billiges Ermessen

Nach den vertraglichen Regelungen der Parteien ist die zusätzliche variable Vergütung unter Berücksichtigung der Ertragslage des Investmentgeschäfts individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festzulegen. Die vertragliche Regelung überlässt damit dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB. Die Leistungsbestimmung hat nach der gesetzlichen Regelung mangels abweichender Anhaltspunkte nach billigem Ermessen zu erfolgen.

Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen.

II. Berücksichtigung des zugesagten Bonuspools?

Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass durch die Zusage eines garantierten Bonuspools in Höhe von 400 Mio. Euro weder eine verbindliche Leistungsbestimmung des individuellen Bonus für das Jahr 2008 im Sinne von § 315 BGB vorgenommen noch dem Arbeitnehmer ein Angebot auf Zahlung eines bestimmten individuellen Bonus unterbreitet worden ist. Die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB konkretisiert den Leistungsinhalt, der vorher aufgrund des einer Partei zustehenden Bestimmungsrechts noch offen ist. Erforderlich für die Annahme einer Leistungsbestimmung ist daher, dass die Bestimmung konkret die dem Vertragspartner zustehende Leistung festlegt.

Danach ist die Festlegung des allgemeinen Bonuspools noch keine individuelle Leistungsbestimmung. Aus der Höhe des Pools lässt sich für den Kläger die Höhe seines individuellen Bonus weder ganz noch teilweise bestimmen. Vielmehr handelt es sich bei der Festlegung des Pools lediglich um einen – nach den vertraglichen Regelungen nicht notwendigen – Faktor, der in die spätere Leistungsbestimmung einzubeziehen ist.

Mit anderen Worten: Der Bonuspool begründete noch keinen Anspruch auf einen bestimmten variablen Vergütungsanspruch!

Fazit:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist plausibel dargelegt und hergeleitet. Allerdings macht sie auch deutlich, dass im Bereich der Bonusrechtsprechung vieles noch nicht geklärt ist. Der Praxis kann nur angeraten werden, Bonusvereinbarungen und Ansprüche auf variable Vergütung klar und eindeutig zu regeln, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die Entwicklung der Rechtsprechung ist dabei genau zu beobachten.

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

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