Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hat sich in mehreren Eilbeschlüssen vom 08.07.2011 (Aktenzeichen: 13 ME 94/11, 13 ME 95/11 und 13 ME 111/11) mit der Frage befasst, ob und inwieweit die Apothekerkammer in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde die Gewährung von Einkaufsgutscheinen und sonstigen Werbegaben („Apotheken-Taler“, „Bonus-Taler“) durch Apotheken bei der Abgabe verschreibungspflichtiger und damit preisgebundener Arzneimittel untersagen darf. Nach den Entscheidungen ist die Eingriffsschwelle zur Untersagung von Boni für Rezepte aufgrund arzneimittelrechtlicher Preisbildungsvorschriften noch deutlich niedriger als die „Spürbarkeitsgrenze“ unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten, die der Bundesgerichtshof (BGH) im September 2010 festgelegt hatte (vgl. unseren Beitrag „Euro ja- Taler nein“ vom 21.09.2010). Nach Ansicht des OVG sind derartige Bonusmodelle nur in noch engeren Grenzen möglich.
Die Antragsteller praktizierten unterschiedliche Bonusmodelle: Während zwei Versandapotheken Gutscheine über 1,50 € pro Arzneimittel bzw. 3,00 € pro Rezept für die nächste Bestellung aus dem nicht preisgebundenen Sortiment anboten, gab eine Präsenzapotheke „Taler“ ohne einen aufgedruckten Wert aus, die insbesondere für spätere Prämien angesammelt werden konnten. Die Apothekerkammer untersagte diese Bonusmodelle wegen eines damit einhergehenden Verstoßes gegen die Arzneimittelpreisbindung. Einen solchen Verstoß hat auch das OVG bejaht. Allerdings stellen die Beschlüsse in Anknüpfung an die BGH-Entscheidungen vom 09.09.2010, die auf entsprechende Unterlassungsklagen von Konkurrenten und der Wettbewerbszentrale ergingen, in Rechnung, dass nach dem Heilmittelwerberecht zwar einerseits Barrabatte bei preisgebundenen Arzneimitteln ausnahmslos untersagt sind, die Gewährung von „geringwertigen Kleinigkeiten“ aber zulässig ist. Dies habe die Apothekerkammer bei der von ihr gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen gehabt. Die Gutscheine über 1,50 € bzw. 3,00 € stellten zwar keine (von vornherein unzulässigen) Barrabatte dar, sie kämen aber solchen sehr nahe und dürften deshalb und aufgrund ihres verhältnismäßig hohen Wertes untersagt werden. Bei den „Talern“ ohne aufgedruckten Euro-Betrag, deren Wert bei etwa 50 Cent liegt, vertritt das OVG dagegen die Auffassung, dass die Eingriffsschwelle für die Aufsichtsbehörde noch nicht überschritten sei, weil es sich um eine nach den Wertungen des Heilmittelwerberechts zulässige Gewährung von „geringwertigen Kleinigkeiten“ handele.
Die Beschlüsse, die unanfechtbar sind, werden nicht ohne Auswirkung auf die berufsrechtliche Beurteilung von Bonussystemen durch die Apothekerkammern bleiben. Kaum ein Jahr nach der neuen BGH-Rechtsprechung ist Apotheken, die solche Boni oder Rabatte einsetzen, zu empfehlen, ihre Kundenbindungsverfahren erneut einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Vor allem Arzneimittelversender werden die Neubestimmung der „Eingriffsschwelle“ als problematisch empfinden.
Autor
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.