Zahnärzte unterliegen dem zahnärztlichen Berufsrecht. Dieses beinhaltet unter anderem Kollegialitätspflichten und das Verbot berufswidriger Werbung.
Der Fall
In dem Fall, über welchen der BGH mit seinem Urteil vom 1. Dezember 2010 zu entscheiden hatte, klagten zwei Zahnärzte aus Bayern gegen die Betreiberin der Internetplattform „2te-zahnarztmeinung.de“. Diese Internetplattform ermöglicht es Patienten, die von ihrem Zahnarzt einen Heil- und Kostenplan oder einen Kostenvorschlag erhalten haben, diesen ohne Nennung des Zahnarztes gegen ein geringes Entgelt online zu stellen. Innerhalb einer bestimmten Frist haben andere Zahnärzte dann die Möglichkeit, eine Bewertung vorzunehmen und eine eigene Kostenschätzung abzugeben. Dem Patienten werden die fünf preisgünstigsten Kostenschätzungen ohne Nennung der Namen der Zahnärzte mitgeteilt. Erst nach einer Entscheidung des Patienten für ein konkretes Angebot werden die gegenseitigen Kontaktdaten übermittelt. Das weitere Vorgehen bleibt dann dem Patienten überlassen. In etwa einem Drittel der Fälle kommt es zu einem Vertragsschluss zwischen dem Patienten und dem Zahnarzt, der sein Angebot über die Internetplattform abgegeben hat. Die Betreiberin der Plattform erhält in diesen Fällen 20 % des ärztlichen Honorars. Nach der Behandlung ist auf der Internetplattform eine Rückmeldung der Patienten zu der Behandlung und der Einhaltung des vorher durch den Zahnarzt angegebenen Kostenrahmens vorgesehen. Die Kläger bewerten das Verhalten der Betreiberin der Internetplattform als Anstiftung der Zahnärzte zu einem Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften und haben eine Unterlassungsklage erhoben. In den beiden ersten Instanzen wurde die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Die Entscheidung
Nach der Zulassung der Revision hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und folgenden Leitsatz aufgestellt:
– Amtlicher Leitsatz
Ein Zahnarzt, der auf einer Internetplattform ein Gegenangebot zu dem Heil- und Kostenplan oder Kostenvoranschlag eines Kollegen abgibt, das der Patient dort eingestellt hat, verstößt weder gegen das berufsrechtliche Kollegialitätsprinzip noch gegen das Verbot berufswidriger Werbung. Verpflichtet er sich, dem Betreiber der Internetplattform im Falle des Zustandekommens eines Behandlungsvertrages mit dem Patienten einen Teil seines Honorars als Entgelt für die Nutzung des virtuellen Marktplatzes abzugeben, liegt darin auch kein unzulässiges Versprechen eines Entgelts für die Zuweisung von Patienten. Dementsprechend handelt auch der Betreiber der Internetplattform nicht wettbewerbswidrig.
– Begründung der Entscheidung
Der BGH begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
Nach § 8 Abs. 2 der Berufsordnung der bayerischen Zahnärzte sei es berufswidrig, einen Zahnarztkollegen aus seiner Behandlungstätigkeit oder als Mitbewerber um eine berufliche Tätigkeit durch unlautere Handlungen zu verdrängen. Dies sei eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Kollegialitätspflichten der Zahnärzte. Grundsätzlich sei ein Wettbewerb jedoch erwünscht, solange er nicht als unlauter zu bewerten sei. Für die Annahme einer Unlauterkeit müsse der konkrete Einzelfall geprüft werden. Von besonderer Bedeutung sei hier die Einbeziehung der sonstigen Bestimmungen der Berufsordnung in die Einzelfallprüfung. Insbesondere sei im vorliegenden Fall auf die allgemeinen Berufspflichten des § 2 zu verweisen. Der Zahnarzt sei danach zum „Dienst an der Gesundheit der einzelnen Menschen und der Allgemeinheit“ berufen. Weiterhin habe der Zahnarzt die Verpflichtung, das Recht des Patienten auf freie Arztwahl zu achten (§ 2 Abs. 3). Überdies sei eine sachliche Information über die Berufstätigkeit gestattet und nur eine wettbewerbswidrige Werbung untersagt (§ 21 Berufsordnung). Die vorliegende Erstellung eines Gegenangebotes sei als sachliche Information der Zahnärzte über die eigenen Leistungen anzusehen und nicht anders zu beurteilen, als wenn ein Patient mit dem Angebot eines ersten Zahnarztes einen zweiten Zahnarzt aufsuche, um das Angebot prüfen zu lassen. Somit entspreche das gesamte Geschäftsmodell den Gesundheitsinteressen der Patienten und der Allgemeinheit und könne daher schon nicht als dem Grundsatz der Kollegialität widersprechendes Verhalten bewertet werden. Das Modell sei auch nicht deshalb unlauter, weil sich einzelne Zahnärzte möglicherweise unlauter verhalten würden. Durch die auf der Internetplattform gewünschte Rückmeldung der Patienten über die erfolgte Behandlung und insbesondere zur Einhaltung der vorab geschätzten Kosten reduziere sich auch das Risiko einer Übervorteilung der Patienten, die in diesen Fällen ohnehin preisbewusst seien. Die Bedenken der Kläger, dass in der Folge dieses Geschäftsmodells Dumpingpreise und eine fehlende Sorgfalt bei der Ausführung der Leistungen und dadurch längerfristig steigende Gesundheitskosten zu erwarten seien, wies der BGH als „spekulativ“ zurück; den Hinweis der Kläger auf ein vorzugswürdiges Angebot der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern als „vergeblich“ und nicht vergleichbar. Abschließend stellte der BGH fest, dass die Betreiberin der Internetplattform von den Zahnärzten auch kein Entgelt für eine Vermittlung, sondern für die Ermöglichung der „Nutzung des virtuellen Marktplatzes“ erhalte. Ein Verstoß gegen das Verbot des Versprechens eines Entgelts für die Zuweisung von Patienten liege daher nicht vor.
Fazit
In seiner Entscheidung stellt der BGH klar, dass ein Wettbewerb zwischen den Zahnärzten bis zur Grenze der Unlauterkeit dem Interesse der Patienten und der Allgemeinheit entspricht. Für den konkreten Fall der Internetplattform hat er in dem Spannungsfeld zwischen zahnärztlichem Berufsrecht mit dem Prinzip der Kollegialität und dem Verbot berufswidriger Werbung und dem gewünschten Wettbewerb der Zahnärzte zugunsten der Patienten und der Allgemeinheit eine Entscheidung für die „2te Zahnarztmeinung“ getroffen.
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