16.08.2010

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 21. April 2010 – XII ZR 134/08 – die Voraussetzungen des Betreuungsunterhalts nach neuem Recht zusammengefasst und konkretisiert.

Die Parteien des Rechtsstreits sind beide Ärzte. Sie schlossen die Ehe im Jahre 1990; die rechtskräftige Scheidung erfolgte im Februar 2008. Aus der Ehe der Parteien sind drei Söhne hervorgegangen, geboren im Februar 1992, im Dezember 1993 und im August 1997. Die Antragstellerin hat bis auf kurze Pausen nach der Geburt der Kinder in Teilzeit in unterschiedlichem Umfang gearbeitet. Der Antragsgegner ist leitender Arzt.

Das Familiengericht hat den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin ab Rechtskraft der Scheidung Nachscheidungsunterhalt zu zahlen. Das Berufungsgericht hat den Nachscheidungsunterhalt erheblich reduziert. Beide Parteien legten Revision beim BGH ein.

Der BGH hob die Entscheidung auf. Er nahm dies zum Anlass, seine Rechtsprechung zum Betreuungsunterhalt nach der Unterhaltsrechtreform zum 1. Januar 2008 zusammenzufassen und zu konkretisieren.

Betreuungsunterhalt wird geschuldet, wenn ein Ehegatte ein Kind oder mehrere Kinder betreut und dadurch an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Durch die Unterhaltsrechtsreform ist der Betreuungsunterhalt dreigeteilt:

  • In den ersten drei Jahren ist der betreuende Elternteil zu keiner Erwerbstätigkeit verpflichtet. Der andere Ehegatte muss den Bedarf des betreuenden Elternteils vollständig sicherstellen.
  • Im Anschluss kann sich dieser Betreuungsunterhalt zunächst aus kindbezogenen Gründen verlängern. Kindbezogene Gründe liegen allgemein dann vor, wenn eine Betreuung des Kindes im Interesse des Kindes notwendig ist.
  • Eine weitere Verlängerung über den Unterhaltsanspruch aus kindbezogenen Gründen hinaus ist möglich, wenn elternbezogene Gründe dies gebieten. Elternbezogene Gründe können sich aus der Dauer der Ehe, der Haushaltsführung sowie anderer Umstände ergeben.

Der BGH hat in dieser Entscheidung die Voraussetzungen der kindbezogenen sowie der elternbezogenen Gründe im Einzelnen herausgearbeitet. Er hat sich hierbei auf seine seit Januar 2008 ergangenen Entscheidungen bezogen und diese zusammengefasst.

Der Unterhaltsanspruch in den ersten drei Jahren eines Kindes gilt absolut. Der betreuende Elternteil kann wählen, ob er einer Erwerbstätigkeit nachgeht, eine Erwerbstätigkeit aufgibt oder sich von vornherein ausschließlich der Kindererziehung widmet. Der andere Elternteil kann hierauf keinen Einfluss nehmen.

Eine Verlängerung dieses dreijährigen Unterhaltanspruchs aus kindbezogenen Gründen prüft der BGH anhand von drei Schritten:

  • Zunächst muss geprüft werden, ob überhaupt noch eine Betreuung von Kindern notwendig ist. Ergibt sich hierbei schon, dass eine Betreuung der Kinder – auch bei mehreren Kindern – nicht notwendig ist, entfällt ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Dies kann auch denkbar sein, wenn das Kind oder die Kinder reif genug ist bzw. sind, den Zeitraum zwischen der Beendigung einer „staatlichen Betreuung“ sowie der Rückkehr des erwerbstätigen Ehegatten alleine zu überbrücken. Konkrete Zeit- oder Altersvorgaben macht der BGH hat. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an.
  • Wenn ein Betreuungsbedarf festgestellt wird, muss der Umfang des Betreuungsbedarfs im Einzelfall geklärt werden. Es muss geprüft werden, ob der Betreuungsbedarf aus persönlichen Gründen des Kindes notwendig ist (z.B. bei einer Erkrankung des Kindes oder erkennbaren schulischen Schwächen des Kindes) oder aus sachlichen Gründen (z.B. wegen notwendiger Hausaufgabenbetreuung, Nachmittagsbetreuung oder ggf. eines umfangreichen Nachmittagsprogramms mit sportlichen Aktivitäten der Kinder).
  • In einem letzten Schritt ist zu prüfen, ob der konkrete Betreuungsbedarf im Einzelfall durch staatliche Einrichtungen aufgefangen werden kann. Sollte der tatsächliche Betreuungsbedarf in der Hausaufgabenbetreuung sowie in der Nachmittagsbetreuung liegen, muss ermittelt werden, ob die Kinder eine offene Ganztagsschule oder einen Hort besuchen können. Wenn dies der Fall ist, kann der konkrete Betreuungsbedarf durch staatliche Stellen sichergestellt werden. Es gibt – dies hat der BGH in einer Anzahl von Entscheidungen festgestellt – keinen Vorrang der persönlichen Betreuung durch einen Elternteil gegenüber der Betreuung durch staatliche Institutionen mehr. Es gibt daher auch kein Wahlrecht des betreuenden Ehegatten mehr, anstelle von vorhandenen staatlichen Institutionen die Kinder persönlich zu betreuen.

Kommt ein Betreuungsunterhaltsanspruch aus kindbezogenen Gründen nicht in Betracht, kann ein Betreuungsunterhalt aus elternbezogenen Gründen in Betracht kommen. Der BGH erkennt gegenwärtig zwei Fallgruppen an, in denen ein Betreuungsunterhalt aus elternbezogenen Gründen in Betracht kommt.

  • Selbst wenn die Kinder nicht persönlich betreut werden müssen, kann sich der betreuende Elternteil auf die Betreuung der Kinder berufen, wenn er sich aufgrund der vereinbarten und in der Ehe praktizierten Rollenverteilung auf die Betreuung der Kinder eingerichtet hat. Dieser Vertrauensschutz gilt allerdings nur, wenn der betreuende Elternteil im Hinblick auf diese Rollenverteilung eine Berufstätigkeit aufgegeben oder zurückgestellt hat. Der BGH schränkt diese Fallgruppe allerdings sogleich wieder ein. Der betreuende Elternteil kann sich nur dann auf diesen Vertrauensschutz berufen, wenn er die Kinder tatsächlich noch betreut. Ist eine Betreuung der Kinder tatsächlich nicht notwendig und wird sie auch tatsächlich nicht geleistet, kann sich der betreuende Elternteil nicht auf eine früher möglicherweise Jahre oder Jahrzehnte lang geübte Rollenverteilung in der Ehe berufen.
  • Die zweite Fallgruppe elternbezogener Gründe ist die „überobligationsmäßige Belastung“ des betreuenden Elternteils mit Kindesbetreuung, Haushaltsführung sowie voller Erwerbstätigkeit. Diese Fallgruppe „überobligationsmäßige Belastung“ kann nur im Einzelfall geprüft werden.Einen neuen Gesichtspunkt bringt die Entscheidung insoweit, als der BGH einem häufig angeführten Argument einer überobligationsmäßigen Belastung des betreuenden Elternteils eine Absage erteilt hat. Es wurde häufig vor den Instanzberichten damit argumentiert, dass eine überobligationsmäßige Belastung schon dann vorliegt, wenn die Kindesbetreuung und die (Teil)- Erwerbstätigkeit über einen 8-Stundentag hinausgehen.Diesem Argument hat der BGH die Grundlage entzogen. Es müsse zwischen der Erwerbsobliegenheit sowie dem vom betreuenden Elternteil geschuldeten Naturalunterhalt gegenüber dem Kind oder den Kindern unterschieden werden. Der betreuende Eltern ist dem Kind oder den Kindern gegenüber zum „Naturalunterhalt“ – durch Betreuung, Gewährung von Kost und Logis, Kleidung usw. – verpflichtet. Der andere Elternteil erfüllt seine Verpflichtungen dem Kind gegenüber durch Barunterhalt. Dieser Naturalunterhalt ist von der Obliegenheit des betreuenden Elternteils gegenüber dem andere Ehegatten zu unterscheiden, für den Zeitraum nach der Scheidung für den eigenen Unterhalt zu sorgen.

Fazit: Die Entscheidung fasst den gegenwärtigen Rechtszustand zum Betreuungsunterhalt zusammen. Die Früchte für den Betreuungsunterhalt sowohl aus kindbezogenen und elternbezogenen Gründen hängen inzwischen hoch. Der betreuende Elternteil muss die Betreuungsbedürftigkeit, den konkreten Betreuungsbedarf sowie die fehlenden staatlichen Betreuungsmöglichkeiten im Einzelnen darlegen und ggf. beweisen. Eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus elternbezogenen Gründen wird nach dieser Entscheidung selbst bei einer jahrzehntelangen Rollenverteilung in der Ehe nur noch schwer darzulegen sein, wenn eine tatsächliche Betreuung der Kinder aufgrund von deren Alter nicht mehr notwendig ist. Der Hinweis auf die fehlende Tragfähigkeit des „8-Stundentags-Arguments“ bedeutet, dass eine überobligationsmäßige Belastung nur noch in Betracht kommt, wenn Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit deutlich über den 8-Stundenrahmen hinaus gehen.

Die Einzelheiten bleiben sind auch hier noch offen. Zu dem Zeitpunkt der Entscheidung des BGH waren die drei Kinder 13, 17 bzw. 18 Jahre alt. Es bleibt abzuwarten wie der BGH bei deutlich jüngeren Kindern entscheidet, die noch alle betreuungsbedürftig sein.

Autor

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