Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung mit der Frage befassen müssen, ob ein Adoptivkind beim Tod seiner leiblichen Verwandten auch dann Pflichtteilsansprüche geltend machen kann, wenn es erst als Volljähriger vom (neuen) Ehepartner eines leiblichen Elternteils adoptiert wurde und im Zeitpunkt des Erbfalls der andere leibliche Elternteil bereits verstorben ist.
Zum Hintergrund:
Bei der Adoption eines Minderjährigen erlöschen grundsätzlich die Verwandtschaftsverhältnisse des angenommenen Kindes zu seinen leiblichen Verwandten (§ 1755 BGB). Damit verliert es auch seine Pflichtteilsansprüche.
Bei der Adoption eines Volljährigen bleiben dagegen grundsätzlich die Verwandtschaftsverhältnisse zu den leiblichen Angehörigen bestehen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Volljährigenadoption die Wirkungen einer Minderjährigenadoption haben, z.B. dann, wenn der Annehmende das Kind seines Ehegatten adoptiert (§ 1772 Abs. 1 c) BGB).
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall handelte es sich unstreitig um einen solchen Fall. Folglich hätten die Verwandtschaftsverhältnisse zu den leiblichen Verwandten erlöschen müssen. Allerdings bleiben die Verwandtschaftsverhältisse zu den leiblichen Verwandten ausnahmsweise bestehen, wenn wenn ein Elternteil , der die elterliche Sorge hatte, verstorben ist und der neue Ehegatte des überlebenden Elternteils das Kind annimmt (§ 1756 Abs. 2 BGB).
Zu entscheiden war, ob dies auch dann gilt, wenn der verstorbene Ehegatte die elterliche Sorge zum Todeszeitpunkt aufgrund der Volljährigkeit des Kindes nicht (mehr) hatte.
Der Fall:
Die 1980 geborene Beklagte war die (leibliche) Nichte der Kläger. Die Schwester der Kläger und Mutter der Beklagten verstarb im Jahr 2000; sie war für die Beklagte bis zu deren Volljährigkeit sorgeberechtigt. 2005 wurde die Beklagte von der zweiten Ehefrau ihres Vaters adoptiert; In dem Beschluss des Familiengerichts ist bestimmt, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten.
2006 verstarb die leibliche Großmutter der Beklagten mütterlicherseits. Sie wurde von den Klägern – ihren Kindern – beerbt. Zur Erfüllung eines von der Beklagten geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs zahlten die Kläger an die Beklagte 2.003,77 €, deren Rückzahlung sie nunmehr mit ihrer Klage begehrten mit der Begründung, der Beklagten habe kein Pflichtteilsanspruch nach ihrer leiblichen Großmutter zugestanden, da das Verwandtschaftsverhältnis aufgrund der Adoption erloschen sei. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung dieses Betrags nebst Zinsen verurteilt. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.
Die Entscheidung des BGH:
Der BGH hob die Entscheidung des Landesgerichtes auf und wies die Klage ab.
Es könne in Fällen, in denen die elterliche Sorge – wie hier – durch Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, nicht darauf ankommen, ob sie zum Todeszeitpunkt noch bestand. Der Sinn und Zweck des § 1756 Abs. 2 BGB bestehe darin, zu verhindern, dass mit der wünschenswerten rechtlichen Einbindung des Kindes in die neue Familie des überlebenden Elternteils das rechtliche Band zur Familie des verstorbenen Elternteils zerschnitten und dadurch auch eine intakte soziale Bindung des Kindes zu dieser Familie, insbesondere also auch zu den Eltern des verstorbenen Elternteils (den Großeltern des Kindes), zerstört oder doch beeinträchtigt wird. Der Fortbestand dieser Bindung sei aber vollständig unabhängig von der Frage, ob der Elternteil vor oder nach Eintritt der Volljährigkeit verstorben sei.
Damit blieb das Verwandtschaftsverhältnis der Beklagten zu ihren leiblichen Verwandten und damit auch ihrer Großmutter bestehen. Ihr stand folglich auch der Pflichtteil zu.
Hinweis für die Praxis:
Der BGH hat mit dieser Entscheidung eine Unsicherheit im Adoptionsrecht beseitigt und damit auch für das Erb- und Pflichtteilsrecht Klarheit geschaffen. Die Entscheidung ist im Interesse der Eingliederung des „Kindes“ in die neue Familienkonstellation zu begrüßen.
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