Sozialplanabfindungen berechnen sich regelmäßig unter anderem nach dem zuletzt bezogenen Bruttomonatsgehalt. Mitarbeiter, die viele Jahre in Vollzeit beschäftigt waren und kurz vor Abschluss des Sozialplans ihre Arbeitzeit reduzieren, erhalten dann eine geringe Abfindung. Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass die Betriebspartner für die Berücksichtigung früherer höherer Arbeitszeiten Stichtagsregelungen festlegen können (BAG, Urt. v. 22.9.2009 – 1 AZR 316/08). Welche Grundsätze gelten, stellen wir nachfolgend vor.
Der Fall (verkürzt):
Die bei dem beklagten Arbeitgeber als Sachbearbeiterin in der Schadensabteilung beschäftigte Klägerin erhielt aufgrund eines Sozialplans eine Abfindung über 20.058,49 €. Nach dem einschlägigen Sozialplan berechnete sich die Abfindung wie folgt:
„Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsverdienst : 40“
Die Definition des Bruttomonatsverdienstes wurde wie folgt festgelegt:
„Bei Arbeitnehmern, deren regelmäßige Wochenarbeitszeit sich seit dem 31. Dezember 2003 um mehr als 25 % verringert oder erhöht hat, ist für die Berechnung des Bruttomonatsverdienstes der durchschnittliche Beschäftigungsgrad während ihrer gesamten Betriebszugehörigkeit maßgeblich. Die Höhe des Bruttomonatsverdienstes berechnet sich in diesen Fällen wie folgt:
„Bruttomonatsverdienst bei Vollzeitbeschäftigung x durchschnittlicher Beschäftigungsgrad“.
Die Klägerin war zunächst in Vollzeit tätig. Während ihrer Elternzeit ab dem Jahr 2002 reduzierte sie ihre Arbeitszeit auf eine Teilzeittätigkeit. Ihre monatliche Bruttovergütung belief sich zuletzt auf 676,45 €.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2006 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum 30. September 2006 und zahlte die Gesamtabfindung in Höhe von 20.058,49 €. Der Berechnung legte der Arbeitgeber das von der Klägerin zuletzt erzielte Bruttomonatsgehalt von 676,45 € zugrunde und nicht den durchschnittlichen Beschäftigungsgrad.
Mit der Klage hat die Klägerin weitere 46.970,01 € brutto verlangt. Sie hat u.a. die Ansicht vertreten, es sei nicht das zuletzt für ihre Teilzeitbeschäftigung bezahlte Entgelt von 676,45 € zugrunde zu legen, sondern das Bruttomonatsgehalt für eine Vollzeitbeschäftigung multipliziert mit einem Beschäftigungsgrad von 0,83 maßgebend. Die Stichtagsregelung im Sozialplan führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und sei unwirksam.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Zahlungsklage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen im Revisionsverfahren bestätig.
I. Kontrolle von Sozialplänen durch die Gerichte
Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, allein der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Dabei ist es nicht Aufgabe der Gerichte, bessere Lösungen als die Betriebsparteien zu finden, sondern lediglich rechtswidrige Sozialplangestaltungen zu verhindern.
Im vorliegenden Fall kam ein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen das Verbot aus § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zu diskriminieren sowie eine Verletzung des durch Art. 6 GG gewährleisteten Schutzes von Ehe und Familie in Betracht. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch die Vereinbarkeit des Sozialplans mit diesen Rechtsgrundsätzen bejaht.
1. Betriebsverfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Das Anknüpften an die zuletzt bezogene Vergütung ist nach dem Zweck eines Sozialplans sachlich gerechtfertigt. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zu unterschiedlichen Abfindungsleistungen führenden Unterschiede bei der zuletzt bezogenen Vergütung ihre Ursache in unterschiedlichen Tätigkeiten, Vergütungsvereinbarungen, Arbeitszeiten oder einer Kombination dieser Faktoren haben. Auch der Gesetzgeber stellt z.B. in § 10 Abs. 3 KSchG für Abfindungen sowie in § 113 Abs. 1 Halbs. 2 BetrVG beim Nachteilsausgleich nicht auf absolute Beträge, sondern auf den letzten Monatsverdienst des einzelnen Arbeitnehmers ab.
2. Keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten
Auch wenn der sich auf die Abfindungshöhe auswirkende geringere Bruttomonatsverdienst auf einer Teilzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers beruht, führt das Anknüpften an diesen Verdienst nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Vielmehr steht es mit § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG in Einklang, wenn ein Arbeitnehmer eine Abfindung in dem Umfang erhält, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
3. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetzt
Die Betriebspartner dürfen keine Regelungen treffen, die geeignet sind, Ehe und Familie zu diskriminieren und Arbeitnehmer wegen ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft oder der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten gegenüber Kindern zu benachteiligen. Insbesondere würde es gegen die Wertungen des Grundgesetzes (Art. 6) verstoßen, wenn Arbeitnehmer bei ihrer Entscheidung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, damit rechnen müssen, dass diese Zeiten bei der Bemessung von Sozialplanansprüchen nicht als Beschäftigungszeit mitzählen.
Andererseits ergibt sich aber aus Art. 6 GG für die Betriebsparteien nicht die Pflicht, verheiratete Arbeitnehmer oder solche, die mit ihren Kindern in häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber unverheirateten, kinderlosen Arbeitnehmern zu bevorzugen.
Die vorliegende Regelung führt nicht etwa dazu, dass Erziehungszeiten bei der Berechnung der Sozialplanabfindung unberücksichtigt blieben. Sie hat lediglich zur Folge, dass sich die Höhe der Abfindung auch bei teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern nach deren zuletzt erzieltem Arbeitsentgelt richtet. Grund und Anlass der Teilzeitbeschäftigung sind dabei nicht von Bedeutung. Ein Verstoß gegen Art. 6 Grundgesetz liegt daher nicht vor.
II. Stichtagsregelungen zulässig!
Die Betriebspartner hatten in dem Sozialplan festgelegt, dass diejenigen Arbeitnehmer besonders behandelt werden, bei denen sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit seit dem 31. Dezember 2003 um mehr als 25 % verringert oder erhöht hat. Alle Änderungen aus früheren Zeiten wurden hingegen, wie bei der hier klagenden Arbeitnehmerin, nicht berücksichtigt.
Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass die Betriebsparteien einen erheblichen Gestaltungsspielraum haben, ob und inwieweit sie bei der Höhe von Sozialplanabfindungen in der Vergangenheit liegende Veränderungen der Arbeitszeit und der damit korrespondierenden Vergütung der einzelnen Arbeitnehmer berücksichtigen. Innerhalb dieses Gestaltungsspielraums der Betriebsparteien liegt es, bei denjenigen Arbeitnehmern, bei denen innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Abschluss des Sozialplans eine wesentliche Veränderung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eingetreten ist, nicht auf das letzte Bruttomonatsgehalt, sondern auf eine die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses einbeziehende Durchschnittsberechnung abzustellen. Dadurch werden Härten und Privilegierungen vermieden, die sich eher zufällig daraus ergeben, dass sich in nahem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Arbeitnehmer die individuelle Arbeitszeit wesentlich geändert hat. Dabei kann sich die für diesen Fall vorgesehene Durchschnittsberechnung sowohl zugunsten als auch zu Lasten der Arbeitnehmer auswirken.
Hinweis für die Praxis:
Die Differenzierung und der gewählte Stichtag sind deshalb sachgerecht, weil typisierend davon ausgegangen werden kann, dass sich eine längere Zeit zurückliegende Veränderung der Arbeitszeiten und die damit verbundene Änderung des Einkommens regelmäßig bereits verfestigt und sich ein Arbeitnehmer in seinem Lebensstandard hierauf eingestellt hat. Dies macht auch die gesetzliche Wertung des § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB III deutlich (Bemessungsentgelt für die Ermittlung des Arbeitslosengeldes bei Teilzeitvereinbarungen).
Fazit:
Die Betriebspartner haben bei der Gestaltung von Sozialplänen einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Der Wechsel von Vollzeit in Teilzeit kann unterschiedlich berücksichtigt werden. Unzulässig wäre es allerdings, die Elternzeit als solche anspruchsmindernd zu berücksichtigen, was in der hier zu besprechenden Entscheidung nicht der Fall war. Wir weisen aber an dieser Stelle auf eine aktuelle Entscheidung des EuGH hin (EuGH, Urt. v. 22.10.2009 – C-116/08). Bei Mitarbeitern in Elternzeit muss nach dem EuGH auf den Umfang der Arbeitszeit vor Antritt des Elternurlaubs angeknüpft werden. Kehren allerdings Mitarbeiter aus der Elternzeit wieder zurück und arbeiten dann in Teilzeit weiter, steht einer Stichtagsregelung grundsätzlich nichts entgegen. Wichtig ist nur, dass die Elternzeiten nicht anspruchskürzend berücksichtigt werden.
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