22.04.2010 -

Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08) hat sich in einem ausführlichen Urteil mit der AGB-Kontrolle bei Vertragsstrafen auseinandergesetzt. Vertragsstrafenabreden sind im Arbeitsrecht grundsätzlich zulässig und auch unter der Geltung der AGB-Kontrolle weiterhin möglich. Allerdings unterliegt die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Welche Grundsätze nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nunmehr gelten, wird nachfolgend dargestellt.

Der Fall:

Der beklagte Arbeitnehmer war bei der klagenden Fahrschule seit 1. April 2006 als angestellter Fahrlehrer beschäftigt. Das monatliche Bruttogehalt betrug 3.020,00 €. Auf Wunsch des Fahrlehrers wurde während der Probezeit eine sechswöchige Kündigungsfrist zum Monatsende vereinbart. Im Anschluss sollte die Kündigungsfrist sechs Wochen zum Quartalsende betragen. Des Weiteren vereinbarten die Parteien eine Vertragsstrafe wie folgt:

„§ 13 Vertragsstrafe

Löst der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis vertragswidrig oder tritt er die Tätigkeit gar nicht an, so hat er eine Vertragsstrafe in Höhe drei Bruttomonatsvergütungen zu bezahlen. …“

Der Fahrlehrer kündigte das Arbeitsverhältnis während der Probezeit mit Schreiben vom 10. Juli 2006 ohne Beachtung der vereinbarten sechswöchigen Frist zum Monatsende schon zum 31. Juli 2006 und stellte seine Arbeitsleistung zum 31. Juli 2006 ein.

Die klagende Fahrschule hat vorgetragen, durch die Nichteinhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist und die Einstellung der Tätigkeit sei ein massiver Umsatz- und Gewinnausfall entstanden. Der Fahrschulbetrieb sei voll ausgelastet und ein Ersatzlehrer sei weder am Arbeitsmarkt noch über Personaldienstleister in vertretbarer Nähe verfügbar gewesen. Der Fahrlehrer schulde ihm daher die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Zahlungsklage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Vertragsstrafenabrede als allgemeine Geschäftsbedingung

Das Bundesarbeitsgericht hat es dahingestellt bleiben lassen, ob es sich bei § 13 des Arbeitsvertrages um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Jedenfalls stellt § 13 des Anstellungsvertrages, der zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossen wurde, eine vorformulierte Vertragsbedingung dar. Für solche Verbraucherverträge gilt die Sondervorschrift des § 310 Abs. 3 BGB. Bei Verbraucherverträgen findet die AGB-Kontrolle schon dann Anwendung, wenn diese nur zu der einmaligen Verwendung bestimmt ist und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.

II. Vorformulierte Vertragsbedingungen

Die Vertragsstrafenabrede muss ferner vom Arbeitgeber vorformuliert worden sein. Vorformuliert sind Bedingungen schon dann, wenn sie von der einen Seite vor Vertragsschluss aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert worden sind. Ferner darf die Vertragsbedingung nicht ausgehandelt bzw. nicht die Möglichkeit der Einflussnahme bestanden haben. Der Verwender (= Arbeitgeber) muss die Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen eingeräumt haben. Die Möglichkeit der Einflussnahme ist nicht bereits deshalb auszuschließen, weil der vorformulierte Text bestehen bleibt. Sie ist auch bei einem Belassen des vorformulierten Textes anzunehmen, wenn der Text zwischen den Vertragsparteien erörtert worden ist und der Verwender grundsätzlich zu einer Abänderung der Klausel bereit war und dies auch dem anderen bei Abschluss des Vertrages bewusst gewesen ist.

Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben. Zwar nahmen die Parteien ausdrücklich auf Wunsch des Fahrlehrers eine verlängerte Kündigungsfrist während der Probezeit in den Vertrag auf. Dies erfolgte aber in einer anderen Vertragsklausel. Hieraus folgte nicht, dass der Fahrlehrer auch auf § 13 des Vertrages Einfluss nehmen konnte. Die AGB-Kontrolle war damit eröffnet.

III. Keine Unwirksamkeit nach § 309 Nr. 6 BGB

In allgemeinen Geschäftsbedingungen sind Vertragsstrafenabreden generell nach § 309 Nr. 6 BGB unwirksam. Diese Regelung ist aber vorliegend nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht anwendbar. Danach sind nämlich die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu beachten und angemessen zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass diese arbeitsrechtlichen Besonderheiten die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden bedingen. Allerdings ist zum Schutz der Arbeitnehmer ein strenger Maßstab anzulegen.

IV. Aber: Unwirksamkeit  wegen unangemessener Benachteiligung

Vertragsstrafeversprechen dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Dabei ist zu beachten, dass Vertragsstrafenabreden den Arbeitnehmer nicht schon generell unangemessen benachteiligen. Die Vertragsstrafe sichert das berechtigte Bedürfnis des Arbeitgebers, eine arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtaufnahme oder Beendigung der Arbeitstätigkeit seitens des Arbeitnehmers zu vermeiden. Ebenso soll die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) verhindert werden. Es geht darum, dem Arbeitgeber seinerseits die nahtlose Erbringung der Dienstleistung gegenüber seinem Kunden und ggf. die entsprechende Einarbeitung eines Nachfolgers zu ermöglichen. Das Interesse des Arbeitgebers an einer Vertragsstrafenregelung ist deshalb anerkennswert.

Hinweis für die Praxis:

Vertragsstrafen sind auch deshalb sinnvoll, weil die Darlegung und der Beweis eines konkreten Schadens bei vorzeitiger Arbeitseinstellung erfahrungsgemäß mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sind. Der Nachweis des Schadens und des Kausalzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden ist in der Praxis kaum zu führen. Der vorzeitige Vertragsbruch kann daher nur mit einer Vertragsstrafenabrede sinnvoll verhindert bzw. sanktioniert werden.

V. Höhe von Vertragsstrafen begrenzt

Die unangemessene Benachteiligung folgte im konkreten Fall aus der Höhe der Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsvergütungen schon während der Probezeit. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zur Feststellung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe die maßgebliche Kündigungsfrist von erheblicher Bedeutung. In der Länge der Kündigungsfrist kommt zum Ausdruck, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann und welches Interesse er an der Arbeitsleistung hat.

Grundsätzlich ist eine Vertragsstrafe in Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für den Fall des Nichtantritts der Arbeit angemessen. Eine Vertragsstrafe, die höher ist als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit zwischen einer vorzeitigen tatsächlichen Beendigung und dem rechtlich zulässigen Beendigungszeitpunkt zu zahlen wäre, ist nur ausnahmsweise angemessen. Der Arbeitgeber muss dann sein weitergehendesSanktionsinteresse besonders belegen können.

Im vorliegenden Fall überstieg die Vertragsstrafe in jedem denkbaren Fall die Höhe der Vertragsstrafe bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Ein besonderes Interesse konnte nicht dargelegt werden. Die Vertragsstrafe war damit unangemessen.

Hinweis für die Praxis:

Eine geltungserhaltende Reduktion der überhöhten Vertragsstrafe auf die zulässige Höhe scheidet grundsätzlich aus. Eine geltungserhaltende Reduktion ist dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vorgesehen. Für eine ergänzende Vertragsauslegung war ebenfalls kein Raum. Diese würde auch den Regelungszweck der AGB-Kontrolle unterlaufen.

Fazit:

Vertragsstrafen sind trotz der strengen AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht zulässig und möglich. Sie sind für Fälle der vorzeitigen Vertragsauflösung bzw. bei vertragswidrigem Verhalten sinnvoll. Schadensersatzansprüche können grundsätzlich nicht durchgesetzt werden, da hohe Anforderungen an die Darlegung des Kausalzusammenhangs gestellt werden. Generell sollten allerdings Vertragsstrafen maximal den Wert der vertragswidrig nicht erbrachten Tätigkeit nicht übersteigen, da sie andernfalls den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Im Zweifel sollte die Vertragsstrafe niedriger ausfallen, denn bei einer erhöhten Vertragsstrafe ist die Vertragsstrafenabrede insgesamt unwirksam.

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