Änderung der MwStSystRL durch die Richtlinie 2009/162/EU vom 22.12.2009; Art. 168a MwStSystRL n. F.: Vorsteuerabzug nur noch in der Höhe des prozentualen Nutzungsanteils für umsatzsteuerpflichtige Umsätze
Nach der Rechtsprechung des EuGH (Az.: C-269/00 – Seeling-) können sog. gemischt genutzte Gebäude, d. h. solche Gebäude, die sowohl zum Teil für umsatzsteuerpflichtige Umsätze als auch zum Teil als Privatwohnung genutzt werden, insgesamt dem umsatzsteuerlichen Unternehmen zugeordnet werden. Der private Nutzungsanteil ist sodann als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Die mit dem privaten Gebäudeteil im Zusammenhang entstehenden Vorsteuerbeträge können korrespondierend im Rahmen der Umsatzsteuererklärung in voller Höhe in Abzug gebracht werden.
Nachdem der BFH mit Urteil vom 24.07.2003 (Az.: V R 39/99) die Auffassung des EuGH bestätigt hatte, schloss sich auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 13.04.2004 (Az.: IV B 7 – S 7300 – 26/04) der neuen Sichtweise an.
Der Vorteil des sog. Seeling-Modells liegt auf der Hand: Der Unternehmer, der ein Gebäude anschafft, kann die Vorsteuer aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten in voller Höhe – d. h. auch die auf den Teil der Privatnutzung entfallenden Vorsteueranteil – geltend machen. Im Gegenzug muss er zwar die private Nutzung des Gebäudeteils über zehn Jahre als unentgeltliche Werteabgabe versteuern, dies schmälerte jedoch den aus dem Modell entstehenden Zins- und Liquiditätsvorteil in der Investitionsphase in den meisten Fällen nicht erheblich.
Änderung derMwStSystRL mit Wirkung zum 01.01.2011
Mit Richtlinie 2009/162/EU vom 22.12. 2009 hat die EU die MwStSystRL geändert und die Regelung des Art. 168a MwStSystRL neu eingeführt. Das sog. Seeling-Modell steht damit vor dem Aus.
Art. 168a MwStSystRL n. F. lautet wie folgt:
„(1) Soweit ein dem Unternehmen zugeordnetes Grundstück vom Steuerpflichtigen sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird, darf bei Ausgaben im Zusammenhang mit diesem Grundstück höchstens der Teil der Mehrwertsteuer nach den Grundsätzen der Artikel 167, 168, 169 und 173 abgezogen werden, der auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke des Steuerpflichtigen entfällt.
Ändert sich der Verwendungsanteil eines Grundstücks nach Unterabsatz 1, so werden diese Änderungen abweichend von Artikel 26nach den in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Vorschriften zur Anwendung der in den Artikeln 184 bis 192 festgelegten Grundsätze berücksichtigt.“
(2) Die Mitgliedstaaten können Absatz 1 auch auf die Mehrwertsteuer auf Ausgaben im Zusammenhang mit von ihnen definierten sonstigen Gegenständen anwenden, die dem Unternehmen zugeordnet sind.”
Die Mitgliedstaaten haben die Regelungen zu treffen, die erforderlich sind, um den neuen Art. 168a MwStSystRLzum 01.01.2011 in nationales Recht umzusetzen.
Zur Erläuterung:
Beispiel:
A erwirbt am 01.01.2011 ein Einfamilienhaus samt Grund und Boden zum Kaufpreis von 2 Mio. € zzgl. Umsatzsteuer. Ab dem 01.01.2011 wird das Gebäude zu 30 % unternehmerisch und zu 70 % privat genutzt.
Nach Art. 168a MwStSystRL kann A zukünftig nur einen Vorsteuerabzug in Höhe von 30 % geltend machen. Die Versteuerung der privaten Nutzung des Gebäudes als unentgeltliche Wertabgabe entfällt.
Ändert sich innerhalb von zehn Jahren der unternehmerische Verwendungsanteil, erfolgt die Korrektur des ursprünglichen Vorsteuerabzugs nach Art. 168a Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL n.F.
Abwandlung:
Ab dem 01.01.2012 erweitert A die unternehmerische Nutzung des Gebäudes auf 50 %.
Für das Jahr 2012 kommt A in den Genuss einer Berichtigung nach Art. 168a Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL n.F. in Höhe von 7.600 € (50 % ./. 30 % = 20 % × 380.000 € / 10 Jahre =). Gleiches gilt für die Folgejahre 2013 bis 2020.
Abwandlung:
Ab dem 01.01.2012 nutzt A das Gebäude ausschließlich zu privaten Wohnzwecken.
Die geltend gemachte Vorsteuer ist jährlich und anteilig zurückzuzahlen. Gleichwohl bleibt das Gebäude „dem Unternehmen zugeordnet”.
Fazit
Da ein deutscher Gesetzesentwurf noch nicht vorliegt, bleibt zunächst abzuwarten, in welcher Form der deutsche Gesetzgeber Art. 168a MwStSystRL n. F. in das nationale Umsatzsteuergesetz umsetzen wird. Offen ist auch, ob der deutsche Gesetzgeber eine Übergangsregelung für solche Bauvorhaben schaffen wird, die sich über den Jahreswechsel 2010/2011 erstrecken.
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
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