Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 17. Februar 2010 – XII ZR 140/08 – die Begrenzung und Befristung des Krankheitsunterhalts geklärt.
Für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung wird Unterhalt nur geschuldet, wenn bestimmte Unterhaltstatbestände verwirklicht werden. Hierzu gehört der Unterhalt wegen Erkrankung eines Ehegatten. Nach der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform können sämtliche Unterhaltsansprüche für die Zeit nach der Scheidung begrenzt oder befristet werden. Für den Betreuungsunterhalt aufgrund der Betreuung gemeinsamer Kinder hatte der BGH zwischenzeitlich schon entschieden, dass eine Befristung so lange nicht in Betracht kommt, wie ein Ehegatte noch gemeinsame Kinder betreut und dadurch an einer Vollerwerbstätigkeit gehindert ist. Beim Krankheitsunterhalt hat der BGH mit der Entscheidung vom 17. Februar 2010 die Grundsätze zur Begrenzung und Befristung nun ebenfalls geklärt.
Die Parteien dieser Entscheidung waren von Juni 1981 bis September 2004 miteinander verheiratet. Die Trennung erfolgte in 1999 oder 2000; der Scheidungsantrag wurde im Juni 2001 zugestellt.
Aus der Ehe der Parteien waren eine gemeinsame Tochter sowie ein Sohn hervorgegangen. Der Sohn war nach einem Geburtsfehler schwerstbehindert; er verstarb neun Jahre nach der Geburt. Die Parteien dieses Verfahrens – nach den Entscheidungsgründen aber wohl in erster Linie die Antragstellerin – hatten den Sohn annähernd neun Jahre in dem gemeinsamen Haushalt gepflegt.
Die Antragstellerin hatte bereits vor der Ehe ihr Lehramtsstudium abgeschlossen. Während der Ehe absolvierte sie das Referendariat. Eine Anstellung im Schuldienst erfolgte nicht. Die Antragstellerin arbeitete zwischenzeitlich erfolgreich als Drehbuchautorin sowie für ein Jahr als angestellte Vertretungslehrerin.
Die Antragstellerin litt an mehreren Erkrankungen. Im Jahr 1991 wurde eine Brustkrebserkrankung diagnostiziert und behandelt. In den Jahren 2001 und 2002 musste sich die Antragstellerin zwei Bypass-Operationen unterziehen. Im Frühjahr 2003 wurden bei ihr als Spätfolge der Brustkrebserkrankung Knochenmetastasen im linken Hüftgelenk diagnostiziert, weswegen sie ein künstliches Hüftgelenk bekam und sich einer Bestrahlungstherapie unterziehen musste. Im Juni 2004 brach der Schaft der Hüftprothese bei einem Sturz und musste ausgetauscht werden. Die Arbeitsfähigkeit der Antragstellerin konnte daraufhin nicht mehr hergestellt werden.
Zum 1. Januar 2006 wurde die Antragstellerin verrentet. Sie erzielte seit 2006 Einkünfte in Höhe von 762,66 € bestehend aus Rentenzahlungen in Höhe von 616,86 € und fiktiv hinzugerechneten Zinsen in Höhe von 145,80 €. Das unterhaltsrelevante Netto des Antragsgegners – des geschiedenen Ehemannes – betrug jedenfalls 2.457,40 €.
Das Amtsgericht sowie das Oberlandesgericht gaben der Klage der Antragstellerin auf Nachscheidungsunterhalt in unterschiedlicher Höhe statt. Beide Gerichte lehnten eine Befristung ab. Der BGH hob die Entscheidung des OLG Frankfurt auf und verwies die Sache zur erneuten Klärung an das OLG Frankfurt zurück.
Der BGH stellte zunächst unter Bezug auf eine vorherige Entscheidung fest, dass eine Krankheit regelmäßig nicht ehebedingt sei, sondern schicksalsbedingt. Der unterhaltsverpflichtete Ehegatte trage deshalb in der Regel nicht das Risiko einer Erkrankung des anderen Ehegatten.
Eine Befristung des Krankheitsunterhalts komme daher nur dann nicht in Betracht, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorsorgen konnte. Entscheidend sei insoweit, ob der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe oder Kindererziehung höhere Einnahmen hätte erzielen können, die zu einer höheren Erwerbsunfähigkeitsrente geführt hätten. Wäre der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch ohne Ehe und Kindererziehung so schwer erkrankt, dass er keine höheren Einnahmen hätte erzielen können, bestünden keine ehebedingten Nachteile aufgrund der Erkrankung, so dass ein Krankheitsunterhalt befristet werden könne.
Der Krankheitsunterhalt könne auf den angemessenen eigenen Bedarf begrenzt werden, wenn ein unbegrenzter Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig sei. Gemäß der Entscheidung ist eine Begrenzung auf den angemessenen Bedarf nach einer bestimmten Übergangszeit vorzunehmen, wenn der angemessene eigene Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten geringer ist als der eheliche Lebensbedarf.
Der eheliche Lebensbedarf leitet sich immer auch aus den Einkünften des unterhaltsverpflichteten Ehegatten ab. Der eigene angemessene Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten richtet sich dagegen nach der Entscheidung des BGH vom 17. Februar 2010 bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach der tatsächlichen Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente, wobei ein Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sei. Der Mindestbedarf sei das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten, das nach den gegenwärtigen Leitlinien der Oberlandesgerichte mit 770,00 € monatlich ausmacht. Dieser Mindestbedarf dürfe nicht unterschritten werden. Wird der Mindestbedarf von 770,00 € unterschritten, hat der unterhaltsverpflichtete Ehegatte die Differenz zwischen diesem Mindestbedarf sowie den tatsächlichen Einnahmen des Unterhaltsberechtigten auszugleichen.
Im konkreten Fall hat der BGH die Entscheidung des OLG Frankfurt aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen. Das OLG Frankfurt muss nun auf der Grundlage der Entscheidung des BGH die von dem Antragsgegner geforderte Begrenzung und Befristung neu bestimmen.
Aufgrund der mehr als 20 Jahre dauernden Ehe (von Eheschließung bis Zustellung des Scheidungsantrags) sowie der Rollenverteilung in der Ehe (insbesondere vor dem Hintergrund der Pflege des verstorbenen Sohnes) könne der Nachscheidungsunterhalt – so der BGH – nicht befristet werden. Allerdings könne der Nachscheidungsunterhalt nach einer bestimmten Übergangszeit auf den angemessenen Lebensbedarf der Antragstellerin reduziert werden. Dieser angemessene Lebensbedarf beträgt 770,00 €. Auf diesen Lebensbedarf hat sich die Antragstellerin ihre eigenen Renteneinnahmen in Höhe von 616,86 € sowie ggf. fiktive Zinseinnahmen anrechnen zu lassen. Selbst wenn eine Befristung des Nachscheidungsunterhalt nicht in Betracht kommt, würden auf den Antragsgegner allenfalls laufende Unterhaltszahlungen in Höhe von 770,00 € abzüglich 617,00 €, demnach in Höhe von 153,00 € maximal zukommen.
Fazit: Eine Befristung des Krankheitsunterhalts dürfte nach der Entscheidung des BGH nur noch dann ausgeschlossen sein, wenn – wie in der Entscheidung – die eigenen Einkünfte des unterhaltsberechtigten Ehegatten unter dem Existenzminimum von 770,00 € liegen. Eine Ausnahme gilt allenfalls, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachweist, dass die Krankheit ehebedingt ist. Dieser Nachweis dürfte in der Praxis so gut wie ausgeschlossen sein.
Selbst wenn eine Befristung ausgeschlossen ist, kann der Nachscheidungsunterhalt nach einer Übergangszeit auf den angemessenen eigenen Bedarf reduziert werden. Der angemessene Eigenbedarf sind die Eigeneinnahmen des Unterhaltsberechtigten nach Durchführung des Versorgungsausgleichs, soweit diese über dem Existenzminimum von 770,00 € liegen. Faktisch dürfte dadurch eine Befristung vorgenommen sein, da die Eigeneinnahmen den angemessenen Lebensbedarf decken und daher kein Spielraum mehr für einen möglichen Unterhaltsanspruch bleibt. Liegen die Einnahmen – wie in der Entscheidung – unter dem Existenzminimum von 770,00 €, hat der unterhaltsverpflichtete Ehegatte die Differenz zwischen den Eigeneinnahmen des Unterhaltsberechtigten und dem Mindestbedarf auszugleichen. Diese Differenz wird im Regelfall – gerade unter Berücksichtigung eines Versorgungsausgleichs – nicht sehr hoch sein.
Diese Verabschiedung aus der ehelichen Solidarität mag man bedauern. Die Praxis wird sich hierauf aber einzustellen haben.
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