Der BGH hat in seinem Urteil vom 30.11.2009 (II ZR 208/08) die im GmbH-Recht wichtige Frage entschieden, bis wann bei einer – unstreitigen – Austrittserklärung des Gesellschafters die Gesellschafterrechte andauern und in welchem Umfang Gesellschafterrechte überhaupt noch bestehen und ausgeübt werden dürfen. Umgekehrt schafft der BGH Klarheit, ob und inwieweit dann ein satzungsmäßiges Wettbewerbsverbot überhaupt noch Wirkung entfaltet.
I. Der Fall:
Ein GmbH-Gesellschafter machte von seinem in der Satzung geregelten Austrittsrecht Gebrauch. Dort hieß es wie in vielen GmbH-Satzungen üblich:
1) Ein Gesellschafter kann den Austritt aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund erklären; …
2) Erklärt ein Gesellschafter seinen Austritt aus der Gesellschaft, können die übrigen Gesellschafter mit einer Frist von einem Monat beschließen, dass der Geschäftsanteil des austretenden Gesellschafters von der Gesellschaft, einem oder mehreren Gesellschaftern oder einem Dritten erworben oder eingezogen wird.
Die Satzung regelt sodann – ebenfalls nicht unüblich – die Abfindung des Gesellschafters:
1) Sofern die Gesellschaft einen Geschäftsanteil eines Gesellschafters einzieht oder die Übertragung des Geschäftsanteiles auf sich, einen oder mehrere Gesellschafter oder auf einen Dritten beschließt, hat dieser Anspruch auf eine Abfindung. Die Abfindung ergibt sich aus dem nach § 7 Abs. 5 ermittelten Wert.
…
4) Die Höhe der Abfindung, deren Fälligkeit und die Verzinsung setzt ein Schiedsgutachter auf Antrag einer Partei nach billigem Ermessen bindend für alle Beteiligten fest, falls diese sich nicht einigen…
Ferner enthielt die Satzung ein recht weites und räumlich unbeschränktes Wettbewerbsverbot für Gesellschafter:
1) Den … Gesellschaftern ist es untersagt, unmittelbar oder mittelbar auf dem Geschäftsgebiet der Gesellschaft Geschäfte zu betreiben und abzuschließen oder der Gesellschaft auf andere Weise Konkurrenz zu machen.
Über das vertragliche Wettbewerbsverbot hinaus sah die Satzung kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vor.
Auf die Austrittserklärung beschloss die Gesellschafterversammlung, den Austretenden zur Übertragung seines Gesellschaftsanteils an eine Mitgesellschafterin zu verpflichten, und gab ihm diesen Beschluss bekannt. Da sich die Beteiligten nicht über die Höhe der zu zahlenden Abfindung einigen konnten, wurde im Hinblick auf die Satzung ein Schiedsgutachten in Auftrag gegeben, das bis zur Entscheidung des BGH noch nicht erstellt worden war.
Streitig ist u.a., wann die Gesellschafterstellung endet und welche Gesellschafterrechte dem austretenden Gesellschafter bis dahin noch zustehen, und auch, welchen Gesellschafterpflichten er noch unterliegt.
II. Die Entscheidung
1. Verlust der Gesellschafterstellung erst mit Vollzug der Austrittsentscheidung
Der ausscheidenswillige Gesellschafter hat seine Gesellschafterstellung
- weder durch die Erklärung seines Austritts aus der Gesellschaft verloren
- noch durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Verwertung ihres Geschäftsanteils oder dessen Bekanntgabe.
Die Austrittserklärung genügt schon deshalb nicht, weil die Satzung der GmbH nicht regelt – was möglich wäre -, dass der Gesellschafter schon mit dem Austritt aus der Gesellschaft ausscheidet, sondern vielmehr bestimmt, dass die Austrittsentscheidung der Umsetzung bedarf. In diesem Fall tritt der Verlust der Gesellschafterstellung erst mit dem Vollzug der Austrittsentscheidung durch Einziehung des Geschäftsanteils oder durch seine Verwertung ein. Daran fehlt es im Streitfall.
2. Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nur noch insoweit, als das Interesse am Erhalt der Abfindung betroffen ist
Nach einer – unstreitigen bzw. akzeptierten – Austrittserklärung und entsprechendem Umsetzungsbeschluss der Gesellschafterversammlung ist der ausscheidenswillige Gesellschafter somit zwar noch formell Gesellschafterin, weil er seinen Geschäftsanteil noch nicht übertragen hat. Er behält als Gesellschafter bis zur Umsetzung seines Austritts grundsätzlich die an seine Mitgliedschaft geknüpften Rechte und Pflichten. Seine – akzeptierte – Austrittsentscheidung, durch die er zu erkennen gegeben hat, sich in der Gesellschaft nicht mehr unternehmerisch betätigen und den Gesellschaftszweck nicht mehr fördern zu wollen, hat jedoch zur Folge, dass er mit der Gesellschaft bis zur Umsetzung des Austritts nur noch vermögensrechtlich verbunden ist.
Geht es für den ausscheidungswilligen Gesellschafter nach seinem Austritt demnach nur noch darum, die ihm zustehende Abfindung für seinen Geschäftsanteil zu erhalten, darf er seine Mitspracherechte in der Gesellschaft nur noch insoweit ausüben, als sein wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung seines Abfindungsanspruchs betroffen ist.
Wenn dann auch noch die Abfindung für seinen Geschäftsanteil nicht von der GmbH, sondern von seiner Mitgesellschafterin aufzubringen ist, kommt der Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte nach seinem Austritt „nur noch unmaßgebliche Bedeutung zu“.
3. Gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot während des schwebenden Austrittsverfahrens
Ist es dem ausscheidenswilligen Gesellschafter somit trotz fortbestehender Gesellschafterstellung weitgehend versagt, nach seinem Austritt in den Angelegenheiten der Gesellschaft mitzusprechen und auf die künftige Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, kann es ihm, wenn er keinem wirksamen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegt, nicht zugemutet werden, sich bis zur Umsetzung seines Austritts ohne räumliche Beschränkung jeglichen Wettbewerbs mit der Gesellschaft zu enthalten. Ein derart ausgedehntes Wettbewerbsverbot, durch das der im Austrittsverfahren steckende Gesellschafter gezwungen würde, seine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit bis zum Verlust seiner nur noch formell fortbestehenden Gesellschafterstellung weiterhin dem Erreichen des Gesellschaftszwecks unterzuordnen, diente lediglich dem vom II. Zivilsenat des BGH in ständiger Rechtsprechung missbilligten Zweck, einen unerwünschten Wettbewerber auszuschalten.
Da es ihm somit an der erforderlichen Rechtfertigung fehlte, stellte es sich als unzulässiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des ausscheidenden Gesellschafters dar. Ein solches Wettbewerbsverbot wäre nichtig.
III. Hinweis
Wenn die Entscheidung auch nur den Fall der unstreitigen bzw. akzeptierten Austrittserklärung behandelt, die hernach noch eine Umsetzung bzw. einen Vollzug bedarf; die Klarstellungen des BGH sind auch für die Fälle streitiger Austrittserklärungen wegweisend.
- Die Gesellschafterstellung dauert fort bis zum Vollzug der Austrittsentscheidung der Gesellschafterversammlung,
- Bis dahin ist die Ausübung der Gesellschafterrechte des Ausscheidenden soweit reduziert, wie sein wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung seines Abfindungsanspruchs betroffen ist und reicht.
- Ab dem Zeitpunkt der Mitteilung des von der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlusses über die Verwertung des Gesellschaftsanteils des ausscheidenswilligen Gesellschafters ist das vertragliche Wettbewerbsverbot hinfällig, wenn nicht zugleich ein gesellschaftsvertraglich geregeltes nachvertragliches Wettbewerbsverbot besteht.
Wer darüber hinaus Klarheit und Rechtssicherheit wünscht, sollte genaues Augenmerk auf die Gestaltung der GmbH-Satzung legen. Denn – wie der BGH jetzt erkennen lässt – ist die Praxis grundsätzlich zulässig, die Wirkungen einer Austrittserklärung, namentlich
- entweder den Verlust der Gesellschafterstellung
- oder das Ruhen der wesentlichen Gesellschafterrechte
durch die Satzung auf den Zeitpunkt der Austrittserklärung vorzuverlegen.
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