Stärkung der Rechte von Anlegern beim Erwerb von Finanzprodukten
Am 05.08.2009 ist das „Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung“ in Kraft getreten. Eine wichtige Neuregelung dieses Gesetzes ist zum 01.01.2010 in Kraft getreten. Seit Anfang diesen Jahres sind Banken und andere Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, die Anlageberatung schriftlich zu dokumentieren.
Aufgrund der Finanzkrise gewann die Bundesregierung den Eindruck, dass Banken in der Vergangenheit bei der Vermittlung von Wertpapieren und der Beratung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wertpapieren nicht immer das Wohl ihrer Kunden im Auge gehabt hatten. Viele Anleger hatten offenbar auch die Risiken der ihnen verkauften Finanzprodukte nicht verstanden, was angesichts der zunehmenden Komplexität der Produkte nicht verwunderlich ist. Dies veranlasste die Bundesregierung, den Anlegerschutz zu verstärken mit dem Ziel, das aus Sicht der Bundesregierung bestehende strukturelle Ungleichgewichts zwischen Anlageberatern und ihren Kunden zu beseitigen.
I. Die Neuregelung im Einzelnen
Das Gesetz beinhaltet zwei Neuregelungen, nämlich neben einer bereits seit 05.08.2009 geltenden Verlängerung der Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche des Kunden eine zum 01.01.2010 in Kraft getretene Pflicht zur Dokumentation des Beratungsgesprächs in einem Beratungsprotokoll, das dem Kunden vor Abschluss des Geschäfts auszuhändigen ist. Nachfolgend wird lediglich die zum Jahreswechsel in Kraft getretene Protokollpflicht dargestellt:
Schon bisher sah das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in § 31 Abs. 4 WpHG zwingend vor, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei Anlageberatungen vor einer Anlageempfehlung von seinem Kunden Informationen einholen muss über
- Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen,
- die Anlageziele des Kunden und
- seine finanziellen Verhältnisse,
die erforderlich sind, um dem Kunden ein für ihn geeignetes Finanzinstrument oder eine für sie geeignete Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können. Die Bank muss also ermitteln, ob das konkrete Geschäft, das dem Kunden empfohlen wird, den Anlagezielen des betreffenden Kunden entspricht, die hieraus erwachsenden Anlagerisiken für ihn seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind und ob der Kunde mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die hieraus erwachsenden Anlagerisiken verstehen kann.
Diese mittlerweile gesetzlich normierte Pflicht geht zurück auf das sogen. „Bond-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1993 (Az. XI ZR 12/93). Dort hatte der BGH erstmals bestimmt, dass eine Bank bei der Anlageberatung den Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft zu berücksichtigen („anlegergerechte“ Beratung) hat und das von ihr danach empfohlene Anlageobjekt diesen Kriterien Rechnung tragen muss („objektgerechte“ Beratung).
Zur Erfüllung dieser Pflichten verwenden Banken seit vielen Jahren sogen. „WpHG-Fragebögen“, in denen sie das Ergebnis der Kundenbefragung festhalten. Eine Pflicht zur schriftlichen Protokollierung geschweige denn zur Aushändigung an den Kunden sah das Gesetz aber nicht vor. Dokumentierte die Bank die Ergebnisse ihrer Befragung des Kunden nicht, zog dies für sie im Verhältnis zum Kunden keine negativen Konsequenzen nach sich, d.h. weder Schadenersatzansprüche des Kunden noch eine Beweislastumkehr zu Lasten der Bank in einem Schadenersatzprozess wegen fehlerhafter Anlageberatung (BGH, XI ZR 320/04).
Nunmehr sieht § 34 Abs. 2a WpHG vor, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei Privatkunden über jede Anlageberatung ein schriftliches Protokoll anfertigen muss. Als Privatkunde im Sinne dieser Regelung gilt jede natürliche oder juristische Person, ausgenommen bestimmter, in § 31a WpHG aufgezählter Ausnahmen. Das Beratungsprotokoll ist von dem Mitarbeiter zu unterzeichnen, der die Beratung durchgeführt hat. Dem Kunden ist eine Ausfertigung unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung, jedenfalls aber vor einem auf der Beratung beruhenden Geschäftsabschluss in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen.
Erfolgt die Beratung mittels Fernkommunikationsmitteln (z.B. per Telefon), muss die Bank eine Ausfertigung des Protokolls dem Kunden unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung zusenden. In diesem Fall kann der Geschäftsabschluss auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden vor Erhalt des Protokolls erfolgen, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden für den Fall, dass das Protokoll nicht richtig oder nicht vollständig ist, ausdrücklich ein innerhalb von einer Woche nach dem Zugang des Protokolls auszuübendes Recht zum Rücktritt von dem auf der Beratung beruhenden Geschäft einräumt. Der Kunde muss auf das Rücktrittsrecht und die Frist hingewiesen werden. Bestreitet die Bank das Recht zum Rücktritt, hat sie die Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls zu beweisen.
Das Protokoll muss mindestens folgende Angaben beinhalten (vgl. § 14 Abs. 6 WpDVerOV):
- den Anlass der Anlageberatung,
- die Dauer des Beratungsgesprächs,
- die der Beratung zugrunde liegenden Informationen über die persönliche Situation des Kunden, einschließlich der nach § 31 Absatz 4 Satz 1 WpHG einzuholenden Informationen über
- Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen,
- die Anlageziele des Kunden und
- seine finanziellen Verhältnisse.
- die Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen, die Gegenstand der Anlageberatung sind,
- die vom Kunden im Zusammenhang mit der Anlageberatung geäußerten wesentlichen Anliegen und deren Gewichtung,
- die im Verlauf des Beratungsgesprächs erteilten Empfehlungen und die für diese Empfehlungen genannten wesentlichen Gründe.
- Wird das Geschäft vor Erhalt des Protokolls getätigt, ist außerdem der ausdrückliche Wunsch des Kunden zu vermerken, einen Geschäftsabschluss auch vor Erhalt des Protokolls zu tätigen, sowie auf das eingeräumte Rücktrittsrecht hinzuweisen.
Wegen der Bedeutung des Protokolls auch für einen eventuellen späteren Rechtsstreit sollte der Inhalt unverzüglich nach Erhalt eingehend geprüft und Einwände gegen die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit des Protokolls sofort der Bank mitgeteilt werden. Dies gilt erst recht, wenn das Geschäft schon ausgeführt worden ist. Denn ist das Protokoll nicht richtig oder vollständig, beginnt die einwöchige Rücktrittsfrist mit Zugang des Protokolls zu laufen!
II. Fazit
Durch die Neuregelung werden die Rechte der Anleger grundsätzlich gestärkt. Allerdings ist Anlegern dringend zu raten, das ihnen übersandte Protokoll auch tatsächlich zu prüfen und nicht – wie leider oft auch andere Informationen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wertpapieren – erst im Schadenfall genauer zu lesen.
Für Banken ist die Neuregelung abgesehen vom höheren Verwaltungsaufwand auch deshalb nicht unproblematisch, weil die Gefahr besteht, dass Kunden kurzfristige Geschäfte nach telefonischer Beratung tätigen und für den Fall, dass sich der Kurs nicht wie erwartet entwickelt, versuchen, unter Berufung auf das Rücktrittsrecht vom Vertrag zurückzutreten mit der Begründung, das Protokoll sei falsch oder unvollständig. Die Bank trägt dann im Ergebnis das Kursrisiko. Banken ist daher zu raten, das Protokoll sehr zeitnah zu versenden oder telefonische Aufträge nur „execution only“, d.h. ohne Beratung, anzunehmen. Einige Banken erwägen auch, Kunden in Vermögensverwaltungsverträge zu überführen, weil für die Vermögensverwaltung keine Protokollpflicht gilt.
Auszeichnungen
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Deutschlands beste Kanzleien für Bank- und Finanzrecht(Handelsblatt 2024)
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Alexander Knauss bei „Beste Anwälte Deutschlands 2024“ für Bank- und Finanzrecht(Handelsblatt 2024)
-
Anwalt des Jahres in NRW (Alexander Knauss) für Bank- und Finanzrecht(Handelsblatt 2023)
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„Deutschlands Beste Anwälte“ im Bank- und Finanzrecht(Handelsblatt 2023)
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