14.12.2009

 

Der Fall:

In der Satzung eines als gemeinnützig anerkannten Vereins fand sich die folgende Satzungsklausel zur Vermögensbindung, die bislang nicht beanstandet worden war:

“Auflösung:

1. Wird die Auflösung des Vereins beschlossen, so hat der Vorstand die laufenden Geschäfte zu beendigen.

2. Die Mitgliederversammlung beschließt zugleich mit einfacher Stimmenmehrheit über die Verwendung des Vereinsvermögens. Dieses muss entweder einem als gemeinnützig anerkannten Tierschutzverein oder einer anderen als gemeinnützig anerkannten kynologischen Organisation –die Zustimmung des zuständigen Finanzamtes vorausgesetzt- zufließen.”

Das Finanzamt versagte anlässlich einer Prüfung die Gewährung des für gemeinnützige Vereine grundsätzlich anzusetzenden ermäßigten Umsatzsteuersatzes (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG), weil die Satzung keine den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen entsprechende Vermögensbindung (§ 61 AO) sicherstelle.

Das FG und später der BFH (BFH Urteil vom 23.07.2009, V R 20/08) wiesen die hiergegen gerichtete Klage und Revision ab.

Die Entscheidung:

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG unterliegen die Leistungen der gemeinnützigen Körperschaften (§ 51 bis § 68 AO) dem ermäßigten Steuersatz. Nach § 59 AO wird der ermäßigte Steuersatz u.a. gewährt, wenn sich “aus der Satzung” der Körperschaft ergibt, welchen Zweck sie verfolgt und dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht. In Ausfüllung dieser Anforderungen an die sog. formelle Satzungsmäßigkeit bestimmt § 61 Abs. 1 AO, dass eine Vermögensbindung i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO nur vorliegt,

“wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist”.

Nach der Rechtsprechung des BFH hat die gesetzlich vorgeschriebene Festlegung der künftigen Vermögensverwendung die Funktion eines Buchnachweises. Fehlerhafte Satzungsbestimmungen können daher weder durch außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarungen noch durch Regelungen in anderen Satzungen ergänzt werden. Ohne Bedeutung ist auch eine den steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende Geschäftsführung des Vereins, denn die Berücksichtigung außerhalb der Satzung liegender Begleitumstände oder des nicht in der Satzung manifestierten Willens der Mitglieder würde dem Gebot des Buchnachweises widersprechen. Daher müssen Regelungen über die Vermögensbindung sowohl bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks in der Satzung selbst getroffen werden.

Der Verein kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass die Mustersatzung des BMF (BStBl I 1987, 678) bei Vereinen in § 5 des Mustertextes lediglich die Auflösung und die Zweckänderung, nicht aber die Aufhebung nennt (“Bei Auflösung des Vereins oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen des Vereins …”). Denn der BFH ist bei der Gesetzesauslegung nicht an Verwaltungsvorschriften gebunden.

Hinweis für die Praxis:

Zwar erging die Entscheidung nur zum ermäßigten Umsatzsteuersatz; nimmt man die Entscheidung aber wörtlich, so ist auf der Grundlage dieser Rechtsprechung auch die Gemeinnützigkeit und damit die Steuerbefreiung insgesamt gefährdet sein, wenn nicht folgende Satzungsbestimmungen zwingend enthalten sind:

„Bei

  • Auflösung oder
  • Aufhebung der Körperschaft oder
  • bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke

fällt das Vermögen der Körperschaft

1.      an – den – die – das – … (Bezeichnung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft), – der – die – das – es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke zu verwenden hat.

oder

2.      an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine andere steuerbegünstigte Körperschaft zwecks Verwendung für … (Angabe eines bestimmten gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecks, z. B. Förderung von Wissenschaft und Forschung, Erziehung, Volks- und Berufsbildung, der Unterstützung von Personen, die im Sinne von § 53 der Abgabenordnung wegen … bedürftig sind, Unterhaltung des Gotteshauses in …). „

Steuerbegünstigten gemeinnützigen Vereinen ist deshalb dringend anzuraten, unverzüglich ihre Satzungen durchzusehen und notfalls sofort zu ändern, damit die Gemeinnützigkeit erhalten bleibt. Ansonsten drohen u.U. empfindliche Nachversteuerungen und ggf. die Haftungsinanspruchnahme der Vereinsvorstände.

Das gilt auch, soweit Vereine von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Auslagenersatz oder auch pauschale Tätigkeitsvergütung nach § 3 Nr. 26a EStG an Vorstandsmitglieder zu zahlen. Die Finanzverwaltung greift nunmehr solche Zahlungen auf und beabsichtigt, Vereinen, die derartige Zahlungen erbringen, die Gemeinnützigkeit zu entziehen, wenn die Satzung nicht bis spätestens zum 31. Dezember 2010 angepasst wird. Wir verweisen hierzu auf unseren Beitrag („Gemeinnützigkeitsrechtliche Anforderungen bei Zahlungen an Mitglieder des Vereinsvorstandes (Auslagenersatz, pauschale Tätigkeitsvergütungen nach § 3 Nummer 26 a EStG„) auf dieser Homepage vom 26.10.2009.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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