10.11.2009 -

 

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte sich Anfang diesen Jahres in einer interessanten Entscheidung mit der Frage zu befassen, ob gewährter Resturlaub aus dem Vorjahr auf den laufenden Urlaubsanspruch angerechnet werden kann, wenn der Arbeitgeber nachträglich feststellt, dass tatsächlich kein Übertragungsgrund vorlag (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12.2.2009 – 10 Sa 657/08). Eine solche Anrechnungsmöglichkeit wurde verneint. Wir möchten die praxisrelevante Entscheidung hier besprechen.

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Die klagende Arbeitnehmerin war bei den amerikanischen Streitkräften als Angestellte seit 1984 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung ein spezieller Tarifvertrag Anwendung. In diesem Tarifvertrag war u.a. ein jährlicher Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen geregelt.

Die Arbeitnehmerin wurde am 11. Juli 2007 wegen Schließung ihrer ursprünglichen Beschäftigungsdienststelle freigestellt. Die widerrufliche Freistellung erfolgte unter Anrechnung des Jahresurlaubs für das Jahr 2007 und 2008. Zu einer Kündigung kam es dann aber, anders als ursprünglich vorgesehen, nicht. Vielmehr teilten die US-Streitkräfte der Arbeitnehmerin am 18. Dezeber 2007 mit, dass sie am 2. Januar 2008 ihre Arbeit in einer anderen Beschäftigungsdienststelle antreten solle.

Dort beantragte die Arbeitnehmerin nach Arbeitsantritt Erholungsurlaub für Januar, Februar, März und April 2008 in Höhe von insgesamt 24 Tagen. Sie verwendete dabei Urlaubsformulare der US-Streitkräfte. Diese Urlaubsformulare bestehen aus drei Teilen.

Im ersten Teil sind die bestehenden (Rest)Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr und dem laufenden Kalenderjahr von dem Arbeitnehmer einzutragen. Im zweiten Teil wird der Urlaubsantrag von einem so genannten „Timekeeper“ überprüft und in einem dritten Teil werden die Angaben nochmals vom Vorgesetzten geprüft und abschließend abgezeichnet.

Die Arbeitnehmerin hatte bis zur Freistellung im Kalenderjahr 2007 lediglich sechs Urlaubstage genommen. Sie trug daher als Resturlaubsanspruch 24 Tage Übertrag aus dem Vorjahr ein und für das laufende Kalenderjahr die bestehenden 30 Tage Urlaub, insgesamt 54 Tage. Die Freistellung erwähnte sie nicht. So verfuhr sie mit allen Urlaubsanträgen im Jahre 2008. Alle Anträge wurden von dem Timekeeper und dem Vorgesetzten abgezeichnet und genehmigt. Nachdem sie im Jahre 2008 24 Tage Urlaub genommen hatte, stellte sich die Personalabteilung auf den Standpunkt, dass es sich nicht um Resturlaub aus dem Jahre 2007, sondern um laufenden Urlaub aus dem Jahre 2008 gehandelt habe und genehmigte der Klägerin ab Mai 2008 bis zum Jahresende nur noch sechs Tage Urlaub.

Gegenstand des Rechtsstreits war nun die Frage, ob die Klägerin diese Argumentation akzeptieren muss bzw. ob ihr für das laufende Kalenderjahr 2008 noch der volle Urlaubsanspruch verblieben ist.

Das Arbeitsgericht hat die Klage wegen der streitigen Urlaubstage für das Kalenderjahr 2007 abgewiesen und ausgeführt, der Klägerin sei zwar im Freistellungszeitraum kein Urlaub gewährt worden, weil die Freistellung nur widerruflich „bis auf weiteres“ erfolgt sei. Der Urlaub 2007 sei aber am Jahresende verfallen, weil kein Übertragungsgrund vorgelegen habe.

 

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts aufgehoben und festgestellt, dass der Klägerin für das Kalenderjahr 2008 noch ein Urlaubsanspruch von weiteren 24 Arbeitstagen zusteht.

 

I. Umwandlung des Urlaubsanspruchs in einen Schadensersatzanspruch

Das Landesarbeitsgericht verkündete sein Urteil erst im Februar 2009. Es stellte sich daher zunächst die Vorfrage, ob der streitige Urlaubsanspruch des Jahres 2008 nicht inzwischen wieder erloschen bzw. verfallen war und sich der Rechtsstreit schon allein dadurch erledigte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich aber ein Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt. Ein solcher Schadensersatzanspruch unterliegt weder gesetzlichen noch tariflichen Befristungsregelungen.

 

II. Ausdrückliche Gewährung von Resturlaub maßgeblich

In ihren Urlaubsanträgen wünschte die Arbeitnehmerin ausdrücklich die Gewährung von Resturlaub aus dem Jahre 2007. Anders durfte der Arbeitgeber die Urlaubsanträge nicht verstehen. Die gewählten Formulierungen in den Antragsformularen waren eindeutig und waren zudem zusätzlich handschriftlich mit „Resturlaub“ überschrieben.

Der Arbeitgeber erteilte für die konkreten Zeiträume Urlaub und brachte damit zum Ausdruck, dass dieser Urlaub noch offene Resturlaubsansprüche aus 2007 erfüllen solle. Zwei unterschiedliche Personen, nämlich sowohl der Timekeeper als auch der Vorgesetzte zeichneten die Urlaubsanträge ab und bestätigten damit deutlich die Ansprüche der Arbeitnehmerin.

Die Arbeitnehmerin dürfte aufgrund der uneingeschränkten Bestätigungsmerke daher darauf vertrauen, dass ihr der Resturlaub aus dem Vorjahr 2007 vorrangig gewährt wurde. Hiervon durfte der Arbeitgeber auch nicht nachträglich Abstand nehmen und den gewährten Urlaub auf den laufenden Urlaub aus dem Jahr 2008 anrechnen.

 

Hinweis für die Praxis:

Zuviel gewährter Urlaub des Folgejahres kann nicht auf den Urlaubsanspruch des nächsten Jahres angerechnet werden. Diese Grundsätze gelten sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub als auch an für das Kalenderjahr gebundenen Tarifurlaub.

 

Fazit:

Nach der Entscheidung des LAG trifft den Arbeitgeber die volle Überprüfungspflicht, ob die Angaben des Arbeitnehmers betreffend seine Resturlaubsansprüche zutreffend sind. Zuviel gewährter Urlaub kann nicht im folgenden Kalenderjahr auf den neuen Urlaubsanspruch angerechnet werden. Arbeitgebern ist daher zu empfehlen, die vorhandenen Urlaubsansprüche regelmäßig zu überprüfen und insbesondere für die Übertragung von Resturlaubsansprüchen auf das Folgejahr und den Verfall von Urlaubsansprüchen klare Regelungen zu treffen. Unklarheiten und Risiken gehen zu seinen Lasten.

 

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