Der Betriebsrat hat bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich insbesondere auf die Einstellung von Arbeitnehmern. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einem aktuellen Beschluss mit der Frage zu befassen, ob die einzelvertragliche Erhöhung der Arbeitszeit von bereits eingestellten Teilzeitkräften ebenfalls eine mitbestimmungspflichtige Einstellung nach § 99 Abs. 1 BetrVG darstellt (BAG, Beschl. v. 9.12.2008 – 1 ABR 74/07). Der 1. Senat hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, wonach die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers unter bestimmten Voraussetzungen der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Das BAG konkretisiert mit dem vorliegenden Beschluss seine bisherige Rechtsprechung und spricht sich gegen die in der Literatur vorgebrachte Kritik aus.
Der Sachverhalt der Entscheidung:
In dem Beschlussverfahren streiten die Betriebsparteien darüber, ob bei einer einzelvertraglichen Erhöhung der Arbeitszeit von Teilzeitkräften der Betriebsrat nach § 99 BetrVG mitzubestimmen hat.
Die Arbeitgeberin betreibt in der gesamten Bundesrepublik Deutschland etwa 300 Modegeschäfte. Für die Filiale F. mit ihren ca. 38 Arbeitnehmern ist ein Betriebsrat gebildet. Die Arbeitnehmer werden auf der Grundlage unterschiedlicher Arbeitsverträge sowohl in Vollzeit, als auch in Teilzeit beschäftigt. Als „Stundenlöhner“ werden Teilzeitmitarbeiter bezeichnet, in deren Arbeitsverträgen eine Mindeststundenzahl vereinbart ist und die stundenweise vergütet werden.
Der Betriebsrat stimmte Anfang Januar 2006 der befristeten Einstellung einer neuen Arbeitnehmerin zu. In der Mitbestimmungsvorlage heißt es unter anderem:
„Die Mitarbeit soll erfolgen auf der Basis:
Teilzeit: Anzahl der Wochenstunden 20 Std./Woche Stundenlöhner“
Nachdem die Arbeitnehmerin zwei Wochen tätig gewesen war, wurde ihre wöchentliche Arbeitszeit für einen Zeitraum von zunächst zwei Monaten einvernehmlich von 20 auf 37,5 Stunden erhöht. Hiervon unterrichtete der Arbeitgeber den Betriebsrat, holte aber nicht erneut seine Zustimmung ein.
Der Betriebsrat hat nun die Auffassung vertreten, dass jedenfalls eine auf mehr als einen Monat angelegte Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 20 auf 37,5 Stunden eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung sei und hat ein entsprechendes Beschlussverfahren beim zuständigen Arbeitsgericht eingeleitet.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht dem Antrag im Wesentlichen entsprochen.
Die Entscheidung:
Der Arbeitgeber hat im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht ebenfalls verloren; das BAG hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt.
I. Erhöhung der Arbeitszeit = Einstellung
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass in der nach Dauer und Umfang nicht unerheblichen Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eine Einstellung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt. Zwar folgt diese Auslegung nicht zwingend aus dem Wortlaut der Vorschrift, denn umgangssprachlich ist unter „Einstellung“ die Neueinstellung zu verstehen, nicht aber die Erhöhung der Arbeitszeit.
Das BAG betont, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen insbesondere den Interessen der schon beschäftigten Arbeitnehmer dient. Diese Interessen sind berührt, wenn der Umfang der bisher vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit eines teilzeitbeschäftigten Mitarbeiters nicht unbedeutend erhöht werden soll. Durch eine solche Erhöhung des Arbeitsvolumens werden regelmäßig dieselben mitbestimmungsrechtlich bedeutsamen Fragen aufgeworfen wie bei der Ersteinstellung. Sie bedürfen daher nach Auffassung des BAG einer erneuten Beurteilung durch den Betriebsrat.
II. Begriff der Einstellung
Eine „Einstellung“ im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG dann vor, wenn eine Person in den Betrieb eingegliedert wird, um dessen arbeitstechnischen Zweck zusammen mit den schon beschäftigten Arbeitnehmern durch weisungsgebundene Tätigkeiten zu verwirklichen. Diese Eingliederung erfährt aus der Sicht der Belegschaft eine erhebliche Änderung, wenn sich ihr zeitlicher Umfang wesentlich erhöht. Die Tatsache, dass der Betriebsrat bei einer vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten ggf. auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu beteiligen ist, ist für das Mitbestimmungsrecht des § 99 Abs. 1 BetrVG irrelevant.
III. Voraussetzungen der Mitbestimmung
Die Erhöhung der vereinbarten Arbeitszeit einzelner Arbeitnehmer stellt nur dann eine Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG dar, wenn sie
(1) eine bestimmte Mindestdauer übersteigt. Maßgeblich ist in Anlehnung an die in § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zum Ausdruck kommende Wertung die Dauer von einem Monat.
(2) Ferner muss die Erhöhung der vereinbarten Arbeitszeit auch quantitativ erheblich sein. Diese Erheblichkeit hat das BAG in dem vorliegenden Beschluss nun auf 10 Stunden festgelegt. Insoweit hat sich der 1. Senat an der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG orientiert. Der Gesetzgeber hat in dieser Regelung betreffend die Abrufarbeit zu erkennen gegeben, dass er eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden im Regelfall als beiderseits interessengerechtes zeitliches Minimum für eine Beschäftigung ansieht.
Hinweis für die Praxis:
Ein Arbeitsvolumen von 10 Wochenstunden kommt typisierend als Teilzeitarbeitsplatz ernsthaft in Betracht. Wird die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers in diesem Umfang für die Dauer von mehr als einem Monat erhöht, sind die Belange der Belegschaft des Betriebs berührt. Der Betriebsrat ist dann, auch bei bereits beschäftigten Arbeitnehmern, erneut nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betriebsrat zuvor eine Stellenausschreibung nach § 93 BetrVG verlangt hat oder eine solche hätte verlangen können.
Fazit:
Das BAG konkretisiert mit dem vorliegenden Beschluss seine bisherige Rechtsprechung. Dies dient der Rechtssicherheit und die Praxis kann sich an den Vorgaben orientieren. Offen ist, welche Rechte dem Betriebsrat bei einer gestaffelten Erhöhung der Arbeitszeit zustehen, wenn also der Arbeitgeber z.B. im ersten Monat um fünf Stunden erhöht, im zweiten Monat um weitere drei Stunden und dann im dritten Monat nochmals um drei Stunden. Dies wird man im konkreten Einzelfall kritisch prüfen müssen. Die Verringerung der Arbeitzeit ist hingegen nach der Rechtsprechung nicht mitbestimmungspflichtig und stellt keine Einstellung nach § 99 BetrVG dar (BAG, Beschl. v. 25.1.2005 – 1 ABR 59/03).
Auszeichnungen
-
TOP-Wirtschaftskanzlei für Arbeitsrecht(FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht(WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen(WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen(WirtschaftsWoche 2023, 2020)
Autor
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.