Bundesfinanzhof: Aufsichtsratstätigkeit für Volksbanken ist nicht mehr als ehrenamtliche Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit (Änderung der Rechtsprechung)
Der BFH hält darüber hinaus die Vereinbarkeit des § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG mit dem Gemeinschaftsrecht für fraglich
Der BFH hat in seinem Urteil vom 20.08.2009 – V R 32/08 entschieden, dass die Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Volksbank e.G. keine ehrenamtliche Tätigkeit und deshalb nicht nach § 4 Nr. 26 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist. Der BFH gibt damit seine anderslautende Beurteilung aus der Entscheidung vom 27. Juli 1972 (Az.: V R 33/72) auf.
Der Fall:
Der Kläger war hauptberuflich als Versicherungskaufmann selbständig tätig. Daneben war er Aufsichtsratsmitglied einer Volksbank in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft (e.G.). Für die Tätigkeit im Aufsichtsrat der Volksbank erhielt der Kläger in den Streitjahren Bruttovergütungen von umgerechnet etwa € 12.400.
Diese Vergütungen behandelte der Kläger als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 26 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Das beklagte Finanzamt behandelte die Aufsichtsratsvergütungen als Entgelt für dem Regelsteuersatz unterliegende steuerpflichtige Leistungen des Klägers und erließ entsprechende Umsatzsteuerbescheide.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Die Revision wies der BFH als unbegründet zurück.
Die Entscheidung:
Diese Umsätze des Klägers sind nach Auffassung des BFH nicht gemäß § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Der Kläger hat, entgegen seiner Auffassung, durch seine Aufsichtsratstätigkeit als Unternehmer sonstige Leistungen gegen Entgelt i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt.
- Die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied erfolgt selbständig i.S. des § 2 Abs. 1 UStG (BFH-Urteile vom 27. Juli 1972 V R 136/71; vom 2. Oktober 1986 V R 68/78);
- sie wird auch nachhaltig ausgeübt.
- Der Kläger hat auch gegen Entgelt, also im Rahmen eines Leistungsaustausches gehandelt. Steuerbar sind dabei auch Leistungen, die gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erfolgen (z.B. BFH-Urteile vom 1. Februar 2007 V R 69/05 und vom 18. März 2004 V R 101/01). Es kommt für das Vorliegen eines Leistungsaustausches nicht auf eine finale Verknüpfung von Leistung und Entgelt an (BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05).
Gemäß § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG ist die ehrenamtliche Tätigkeit steuerfrei, wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht. Die Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Volksbank ist aber bereits keine ehrenamtliche Tätigkeit.
Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören alle Tätigkeiten,
- die in einem anderen Gesetz als dem UStG ausdrücklich als solche genannt werden,
- die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet oder
- die vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden.
Die Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Volksbank wird in keinem Gesetz als ehrenamtlich bezeichnet. Insbesondere das GenG enthält keine entsprechende Regelung.
Es ist auch nicht erkennbar, dass diese Tätigkeit im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet wird (Änderung der Rechtsprechung; anders noch 27. Juli 1972, Az.: V R 33/72). Volksbanken stehen heute im Wettbewerb mit anderen Geschäftsbanken. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass der allgemeine Sprachgebrauch zwischen der Aufsichtsratstätigkeit für eine Volksbank und derselben Tätigkeit für eine sonstige Geschäftsbank unterscheidet und dabei die Aufsichtsratstätigkeit für eine Volksbank als ehrenamtlich ansieht.
Die Tätigkeit des Klägers wird auch nicht vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst. Dieser setzt das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung voraus. Bei der Volksbank handelt es sich nicht um eine fremdnützig bestimmte Einrichtung.
Dieses Ergebnis wird durch gemeinschaftsrechtliche Erwägungen bestätigt. Die Sechste Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), die der Senat 1972 noch nicht berücksichtigen konnte, sieht keine Steuerbefreiung für ehrenamtliche Tätigkeiten vor. Damit ist fraglich, ob § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG im Einklang mit der Richtlinie 77/388/EWG steht. Nach einer Protokollerklärung zu Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, ehrenamtliche Leistungen von der Steuer zu befreien. Ob das zur Beibehaltung der Befreiung in § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG berechtigt, ist aber fraglich und in der Literatur umstritten.
Außerdem sei zu berücksichtigen, dass Steuerbefreiungen im Zweifel eng auszulegen sind, weil sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt.
Hinweis:
Soweit Aufsichtsratstätigkeiten für Volksbanken ausgeübt werden, muss nunmehr für die Aufsichtsratsvergütung eine den Vorschriften des § 14 UStG entsprechende Rechnung ausgestellt werden. Soweit das Aufsichtratsmitglied unter die Kleinunternehmerregel des § 19 UStG fällt, darf ein Ausweis der Umsatzsteuer unterbleiben.
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
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