17.09.2009

 

Der Fall:

Frau Dr. A betrieb eine ärztliche Einzelpraxis. Mit Wirkung zum 1. Januar xxxx gründete sie mit Herrn Dr. B eine GbR zum Zweck der gemeinsamen ärztlichen Berufsausübung. Einnahmen und Ausgaben sollten hälftig geteilt und getragen werden. A brachte vereinbarungsgemäß ihre Einzelpraxis in die GbR ein. Zum Ausgleich für die Hälfte des Patientenstammes und der Praxisgegenstände zahlte B an die A 200 000 DM.

Im Rahmen der nach § 4 Abs. 3 EStG erfolgten Gewinnermittlung (Einnahme-Überschussrechnung) der GbR behandelte die GbR die von B an A geleistete Ausgleichszahlung teilweise als Anschaffungskosten auf Gegenstände der Praxiseinrichtung und teilsweise als Anschaffungskosten auf den Praxiswert. Eine Ergänzungsrechnung (Ergänzungsbilanz, Ergänzungs-Gewinnermittlung) wurde nicht erstellt und nicht geführt. Die sich daraus ergebende AfA berücksichtigte die GbR als Betriebsausgabe im Gesamthandsbereich der GbR, die somit A und B jeweils hälftig zugewiesen wurde. B hingegen begehrte die alleinige Zuweisung der AfA an ihn – und bekam letztlich vor dem FG und dem BFH Recht (BFH, Urt. vom 24.06.2009 – VIII R 13/07).

Die Entscheidung

1.         Das FG hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die AfA in voller Höhe dem B zusteht, soweit sie darauf entfällt, dass er für seinen Mitunternehmeranteil einen über dem Buchwert liegenden Preis an A bezahlt hat. Dasselbe gilt für die AfA auf den von B erworbenen originären Geschäftswert. Die Anschaffungskosten sind nicht in der Gewinnermittlung der Gesamthand, sondern in einer Ergänzungsrechnung zu Gunsten des B zu erfassen und dort fortzuschreiben.

2.        Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sind die Anschaffungskosten eines Gesellschafters für den Erwerb seiner mitunternehmerischen Beteiligung in einer steuerlichen Ergänzungsrechnung nach Maßgabe der Grundsätze über die Aufstellung von Ergänzungsbilanzen zu erfassen, wenn sie in der Bilanz der Gesamthand nicht berücksichtigt werden können. Die steuerliche Ergänzungsrechnung bewirkt eine vorübergehende Modifikation der steuerlichen -nicht der handelsrechtlichen- Gewinnverteilung im Interesse einer leistungsgerechten Besteuerung (vgl. Urteil des BFH vom 29. Oktober 1991 VIII R 148 / 85, BStBl II 1992, 647).

a)         Hat ein Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Mitunternehmeranteil entgeltlich erworben, so sind die Anschaffungskosten in einer Ergänzungsbilanz zu erfassen und fortzuschreiben, soweit die Aufwendungen den Betrag des übergehenden Kapitalkontos in der Steuerbilanz der Personengesellschaft übersteigen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 30. März 1993 VIII R 63/91, vom 18. Februar 1993 IV R 40/92, BFH-Beschluss vom 21. März 1995 IV B 95/94). Die für die Aufstellung von Ergänzungsbilanzen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind entsprechend anzuwenden, wenn die Personengesellschaft ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. Die Anschaffungskosten für einen entgeltlich erworbenen Mitunternehmeranteil sind dann in einer steuerlichen Ergänzungsrechnung zu erfassen, soweit sie in der Überschussrechnung der Gesamthand nicht berücksichtigt werden können. An die Stelle des Kapitalkontos treten die anteilig im Umfang der erworbenen Beteiligung auf den Gesellschafter entfallenden Buchwerte derjenigen Wirtschaftsgüter, die nach den auch für die Einnahmen-Überschussrechnung geltenden Vorschriften über AfA oder Substanzverringerung von der Gesellschaft zu erfassen sind (§ 4 Abs. 3 Satz 3 EStG i.V.m. §§ 7 ff. EStG).

b)         Ein Mitunternehmeranteil wird im Regelfall (bei bestehender Personengesellschaft) von einem ausscheidenden Gesellschafter erworben. Ein entgeltlicher Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung, der zur Aufstellung einer Ergänzungsbilanz führen kann, liegt aus der Sicht des Erwerbers jedoch auch vor, wenn der bisherige Einzelinhaber seinen freiberuflichen Betrieb in eine neu gegründete GbR einbringt und der andere Gesellschafter für seinen Anteil an der Gesellschaft eine Zuzahlung in das Privatvermögen des ehemaligen Einzelinhabers erbringt.

  • Zivilrechtlichvereinbaren die Partner in diesen Fällen regelmäßig eine auf die Einbringung des bestehenden Einzelunternehmens gerichtete Einlageverpflichtung und eine Zahlungsverpflichtung des anderen Gesellschafters, die keine Einlage darstellt. Die Veräußerung von zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern ist dagegen nicht gewollt. Mit der Einbringung werden die eingebrachten Vermögenswerte nach § 718 Abs. 1 BGB gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen).
  • Steuerrechtlichwerden nach der Rechtsprechung des BFH bei einer Einbringung gegen Zuzahlung in das Privatvermögen des Einbringenden die Tatbestände der Veräußerung und der Einbringung von Betriebsvermögen miteinander verbunden. Soweit der künftige Mitgesellschafter für die Einbringung ein Entgelt an den Einbringenden zahlt, stellt sich der Vorgang im Verhältnis der Gesellschafter zueinander als Veräußerung dar.
  • Diese steuerrechtliche Wertung hat nicht nur für die Besteuerung des Veräußerers Bedeutung. Sie ist vielmehr auch der Besteuerung des Erwerbers zugrunde zu legen. Der die Zuzahlung erbringende Gesellschafter erstrebt eine mitunternehmerische Beteiligung an der zu Erwerbszwecken gegründeten Gesellschaft. Dafür erbringt er die vereinbarte Zahlung. Sie ist mithin darauf gerichtet, einen im Wege der Einbringung vom anderen Partner noch zu schaffenden Mitunternehmeranteil entgeltlich zu erwerben. Der die Zuzahlung Leistende erwirbt dadurch von dem zur Einbringung verpflichteten Gesellschafter bei wirtschaftlicher Betrachtung des Vorgangs letztlich gegen Entgelt einen von dessen Betrieb oder Mitunternehmeranteil „abgespaltenen“ Mitunternehmeranteil.
  • Beim entgeltlichen Erwerb eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft handelt es sich im Regelfall, also beim Erwerb von einem ausscheidenden Gesellschafter, einkommensteuerrechtlich um die entgeltliche Anschaffung von Anteilen an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern. Für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils im Wege der Einbringung eines Einzelbetriebs in eine neu gegründete Personengesellschaft gilt nichts anderes. Letztlich erwirbt der die Zuzahlung leistende Gesellschafter auch hier aufgrund der Einbringung unmittelbar anteiliges Gesamthandseigentum an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern. Das hat zur Folge, dass die Aufwendungen des Erwerbers, soweit sie als Anschaffungskosten für die Anteile an den Wirtschaftsgütern des bilanzierten und des nicht bilanzierten Gesellschaftsvermögens anzusehen sind, in einer steuerlichen Ergänzungsbilanz zu aktivieren sind, soweit sie den Betrag der auf den Erwerber übergehenden Buchwerte übersteigen. Entsprechendes gilt für die Aufstellung einer Ergänzungsrechnung bei der Einnahmen-Überschussrechnung.

3.         A hat nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze seine Beteiligung an der GbR entgeltlich von B erworben. Die dafür vom Kläger aufgewandten Anschaffungskosten von 200 000 DM überstiegen den anteiligen Buchwert der auf ihn entfallenden Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens.

Die GbR war gemäß § 24 des Umwandlungsteuergesetzes (UmwStG) berechtigt, das eingebrachte Vermögen mit dem Buchwert anzusetzen. Zum eingebrachten Vermögen gehören auch Wirtschaftsgüter, die zwar nicht Gesamthandseigentum geworden sind, aber der Gesellschaft als Sonderbetriebsvermögen I zur Nutzung zur Verfügung stehen Für die Anwendung des § 24 UmwStG ist ferner nicht erforderlich, dass die Gegenleistung für die Sacheinlage ausschließlich in der Gewährung von Gesellschaftsrechten besteht, sondern es reicht aus, dass überhaupt ein Mitunternehmeranteil eingeräumt wird. Die Zuzahlung des B ist insofern unbeachtlich.

4.         Die von B getragenen Anschaffungskosten waren danach, soweit sie die anteiligen Buchwerte der auf ihn entfallenden Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens überstiegen, nicht im Anlagenverzeichnis der Gesamthand, sondern in der Ergänzungsrechnung des B zu erfassen, denn nur B und nicht die GbR hatte die Praxiseinrichtung der A erworben. Dann steht die AfA-Berechtigung auch alleine dem B zu, der die Anschaffungskosten getragen hat und für den die Mehrwerte in der Ergänzungsrechnung auszuweisen sind.

 

Hinweis

Die Entscheidung des BFH betrifft alle Fälle, in denen eine Freiberuflerpraxis (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten, etc.) einen weitern Mitgesellschafter aufnimmt und in denen es zu einer Zuzahlung des Neueintretenden an den oder die Altgesellschafter kommt. Für bilanzierungspflichtige Gesellschaften, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, entspricht das Urteil der bisherigen Rechtslage. Neu ist, dass der BFH die Grundsätze der Bildung einer Ergänzungsrechnung auch ausdrücklich auf Freiberuflerpraxen ausdehnt, die ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln.

Kommt es also zu Zuzahlungen an die Altgesellschafter, die den Buchwert der übernommenen Beteiligung übersteigen, so ist auch hier für den Neugesellschafter zwingend eine Ergänzungsrechnung zu erstellen, in der die überschießenden anteilig erworbenen Mehr-Aktiva (bilanzierte und nicht bilanzierte Wirtschaftsgüter, Firmenwert bzw. Praxiswert) gesondert erfasst und gesondert abgeschrieben werden. Der dortige Abschreibungsaufwand ist alleine diesem Gesellschafter zuzurechnen.

Die Entscheidung ist konsequent und richtig. Ansonsten ergäbe sich eine nicht leistungsgerechte Besteuerung, weil demjenigen, der den Aufwand alleine getragen hat, nur anteilig AfA zugewiesen würde, und vice versa dem abgebenden Gesellschafter, der keinen Aufwand, sondern vielmehr Ertrag entstanden ist, zusätzlich auch noch anteilig AfA auf die abgegebenen Wirtschaftsgüter zugewiesen würde.

Auf die Erstellung einer Ergänzungsrechnung kann deshalb zukünftig nicht mehr verzichtet werden, wenn Zuzahlungen an die Altgesellschafter erfolgen, die den Buchwert der vom Neugesellschafter übernommenen Beteiligung übersteigen.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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