1. Das Problem: Gewinnabführungsvertrag und Ausgleich an Minderheitsgesellschafter
Die steuerliche Anerkennung eines Gewinnabführungsvertrages (auch „Ergebnisabführungsvertrag“ genannt) setzt nach § 14 Abs. 1 KStG voraus, dass die Organgesellschaft ihren ganzen Gewinn an den Organträger abführt. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG muss der Gewinnabführungsvertrag während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden.
Ein Gewinnabführungsvertrag muss nach § 304 Abs. 1 AktG einen angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre (Minderheitsgesellschafter) der Gesellschaft vorsehen. Denn infolge der Gewinnabführung entsteht bei der Organgesellschaft kein Bilanzgewinn und damit auch kein Gewinnanspruch der außenstehenden Aktionäre (§ 58 Abs. 4 AktG und entsprechend bei einer GmbH § 29 Abs. 1 GmbHG). Der Ausgleich soll die Verluste kompensieren, die den Minderheitsgesellschaftern durch den Gewinnabführungsvertrag entstehen.
Grundsätzlich stehen Ausgleichszahlungen an außenstehende Minderheitsgesellschafter der steuerlichen Anerkennung der Unternehmensverträge nicht entgegen. Vielmehr legt § 16 KStG 1991 fest, dass die Organgesellschaft ihr Einkommen in Höhe einer Quote der geleisteten Ausgleichszahlungen selbst zu versteuern hat.
Das Gesetz eröffnet die Möglichkeit, eine feste oder in bestimmten Fällen eine variable Ausgleichszahlung vorzusehen. Eine feste Ausgleichszahlung wird grundsätzlich vorab aufgrund einer Prognose für die gesamte Laufzeit festgelegt. Eine solche Prognose kann sich als langfristig nicht zutreffend erweisen, so dass variable Komponenten wünschenswert sein können. Ein variabler Ausgleich hat sich am Gewinn des Organträgers (!) zu orientieren, ist häufig schwierig zu berechnen, manipulierbar und streitträchtig. Häufig wird deshalb eine Kombination erwogen, um den Minderheitsgesellschaftern mindestens den festen Ausgleich zu gewähren.
Heben die vereinbarten – kombinierten – Ausgleichszahlungen aus wirtschaftlicher Sicht die Wirkungen der Gewinnabführung allerdings wieder auf, stehen sie der steuerlichen Anerkennung des Organschaftsverhältnisses entgegen, so auch im jüngst entschiednen Fall des BFH (Urteil vom 04. März 2009 – I R 1/08). Das soll der Fall sein, wenn sich der variable Ausgleich am Gewinn der Organgesellschaft (!) orientiert.
2. Der Fall
Ein kommunales Versorgungsunternehmen als Organträgerin gewährte dem Minderheitsgesellschafter der Organgesellschaft vertraglich folgenden Ausgleich:
„Als Ausgleich dafür, dass der gesamte Gewinn des Jahres xxxx aufgrund des bestehenden Organvertrages mit Ergebnisabführungsvereinbarung an … abgeführt wird und … (der Minderheitsgesellschafter) daran nicht beteiligt ist, ist … (die Organträgerin) verpflichtet, an … (den Minderheitsgesellschafter) einen Betrag in Höhe von xx % des Betrages zu leisten, der für das Jahr xxxx bei … (dem Minderheitsgesellschafter Ertrag wäre (Dividende), wenn für xxxx der künftige Ergebnisabführungsvertrag bereits bestünde und … (der Minderheitsgesellschafter) für das ganze Jahr xxx Inhaberin der … Aktien wäre.“
Damit sollte der Minderheitsgesellschafter hinsichtlich seiner Dividendenerwartung durch Gewährung entsprechender variabler Ausgleichszahlungen so gestellt werden, als gäbe es den Gewinnabführungsvertrag nicht.
3. Die Entscheidung des BFH
Der BFH versagte dieser vertraglichen Ausgleichszahlungsvereinbarung die steuerliche Anerkennung. Denn die vereinbarten Zahlungen entsprechen nicht den Vorgaben des § 304 AktG. Neben einem sog. festen Ausgleich enthält der vertragliche Ausgleichsanspruch auch eine zusätzliche variable Komponente. Dieser variable Teil der Ausgleichszahlung bemisst sich nicht – wie in § 304 Abs. 2 Satz 2 AktG für rein variable Ausgleichszahlungen für zulässig erklärt – an der Dividende des Organträgers, sondern am Bilanzgewinn der klagenden Organgesellschaft.
Eine solche Kombination von festem Ausgleich und einem am Ertrag der Organgesellschaft orientierten zusätzlichen variablen Ausgleichsanspruch werde zwar von der Finanzverwaltung z.T. als unbedenklich angesehen, weil § 304 Abs. 2 AktG es nicht verbiete, neben der nur als Mindestgröße vorgegebenen festen Ausgleichszahlung einen Zuschlag zu gewähren, auch wenn dieser Zuschlag sich an einem Vomhundertsatz der tatsächlichen Gewinne der Organgesellschaft orientiere (BMF v. 13.09.1991; zustimmend auch die überwiegende Auffassung der Literatur).
Der BFH vermochte sich dem jedoch nicht uneingeschränkt anzuschließen. Durch die zumindest teilweise Koppelung der Ausgleichszahlung an das Ergebnis der Organgesellschaft vor Gewinnabführung wird nach Auffassung des BFH die tatsächliche Durchführung der Gewinnabführungsverpflichtung infrage gestellt. Jedenfalls dann, wenn dem außenstehenden Gesellschafter infolge der Ausgleichszahlung der Gewinn der Organgesellschaft in dem Verhältnis zufließt, in dem er ohne Organschaft mit Ergebnisabführungsvertrag zu verteilen gewesen wäre, liege keine Abführung des vollen Gewinns an den Organträger vor.
Mit dieser Regelung werde die Wirkung der Gewinnabführungsverpflichtung faktisch negiert. Der Minderheitsgesellschafter sollte durch die Ausgleichszahlung grundsätzlich so gestellt werden, als bestände kein Ergebnisabführungsvertrag, mindestens aber sollte er den Festbetrag erhalten. Von einer tatsächlichen Ausführung des Ergebnisabführungsvertrages könne bei dieser Sachlage nicht gesprochen werden. Der Festbetrag konnte allenfalls zu einem noch höheren Ausgleichsanspruch des Minderheitsgesellschafters führen.
Auch kommt es nicht entscheidend darauf an, dass nicht die Organgesellschaft, sondern die Organträgerin die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung übernommen hat und dass das für die Ausgleichszahlung erforderliche Vermögen zivilrechtlich Bestandteil des der Gewinnabführung unterliegenden Jahresüberschusses der Organgesellschaft gewesen ist. Denn wie die Regelung des § 16 Satz 2 KStG belegt, werden Ausgleichszahlungen aus steuerlicher Sicht wie Gewinnausschüttungen der beherrschten Gesellschaft an die außenstehenden Gesellschafter angesehen, auch wenn die Auszahlung von der beherrschenden Gesellschaft vorgenommen wird. Auch in diesem Fall fungiert die Ausgleichszahlung nach der für das Steuerrecht maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Ersatz für die infolge der Gewinnabführung ausbleibende Dividende des außenstehenden Gesellschafters und hat sie daher selbst den Charakter einer Gewinnausschüttung der beherrschten Gesellschaft an den außenstehenden Gesellschafter.
Es ist folglich seitens der Organgesellschaft nicht „der ganze Gewinn“ an den Organträger abgeführt worden.
Damit bestand aus steuerlicher Sicht kein wirksamer Gewinnabführungsvertrag und damit auch keine steuerlich anzuerkennende Organschaft.
4. Hinweise
Ein unerkannt „verunglückte“ körperschaftsteuerliche Organschaft kann gerade bei größeren Unternehmen unübersehbare steuerliche Folgen und nicht zuletzt Haftungsfolgen für die steuerlichen Berater nach sich ziehen.
Zukünftig sollte noch vorsichtiger mit dem Instrument der variablen Ausgleichszahlung umgegangen werden, vor allem in Kombination mit einem festen Ausgleich. Entgegen namhafter Stimmen aus der Steuerrechtsliteratur hat jedenfalls eine Anlehnung des variablen Ausgleichs an den Gewinn der Organgesellschaft grundsätzlich zu unterbleiben. Das gilt selbst dann, wenn der Organträger vertraglich die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung übernimmt.
5. Aktuelle Ergänzung vom 26.04.2010
Bitte, beachten Sie auch den Nichtanwendungserlass des Bundesministerium der Finanzen vom 20. April 2010, IV C 2 – S 2770/08/10006, und unseren aktuellen Beitrag vom 26.04.2010 (http://www.meyer-koering.de/de/aktuell/BMF%20Ausgleichszahlungen%20an%20au%C3%9Fenstehende%20Anteilseigner.html)
Auszeichnungen
-
„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
-
„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
Autor
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.