23.07.2009

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 27. Mai 2009 – XII ZR 78/08 – eine seit der Unterhaltsrechtsreform bestehende Streitfrage geklärt: In welcher Höhe wird der Kindesunterhalt bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts berücksichtigt?

Der Kindesunterhalt wird bei der Ermittlung des Unterhalts eines getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten vorweg vom Einkommen des Unterhaltsschuldners abgezogen. Seit dem 1. Januar 2008 war strittig, ob der Kindesunterhalt mit dem Tabellenbetrag nach Düsseldorfer Tabelle ohne Kindergeldkürzung (so die Mindermeinung) oder mit dem nach Abzug des hälftigen Kindergeldes zu zahlenden Betrag (so die mehrheitliche Auffassung) abzuziehen ist. Der BGH hat beim Volljährigenunterhalt schon frühzeitig entschieden, dass nur der um das anteilige Kindergeld geminderte Zahlbetrag abzuziehen ist. Beim Minderjährigenunterhalt hat sich der BGH – wie auch allseits erwartet wurde – der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur angeschlossen und ebenfalls lediglich den Abzug des um das anteilige Kindergeld geminderten Zahlbetrages zugelassen.

Darüber hinaus hat der BGH die Entscheidung zum Anlass genommen, eine „alte“ Streitfrage zwischen dem BGH einerseits und den Oberlandesgerichten andererseits bei der Ermittlung des Wohnvorteils zu „entschärfen“.

In der Entscheidung begehrte die Ehefrau Nachscheidungsunterhalt. Der Ehemann war Alleineigentümer einer Eigentumswohnung sowie (zusammen mit der Ehefrau)Miteigentümer eines Einfamilienhauses. Der Ehemann hat Kindesunterhalt für die beiden ehelichen Kinder sowie den Sohn aus einer anderen Beziehung gezahlt. Das Familiengericht hat den Ehemann zur Zahlung von nachehelichem Elementarunterhalt sowie Altersvorsorgeunterhalt verurteilt. Die Berufung des Ehemannes hatte nur im Hinblick auf die Höhe des Unterhalts Erfolg. Die Revision des Ehemannes war ebenfalls nur teilweise erfolgreich.

 

Anrechnung des Kinderunterhaltes mit dem Zahlbetrag

Nach Auffassung des BGH ist der Zahlbetrag und nicht der Tabellenunterhalt des Kindes bei der Ermittlung des Ehegattenunterhalts abzuziehen. Aufgrund der Unterhaltsrechtsreform werde das Kindergeld eigenem Einkommen des Kindes gleichgestellt. Diese Gleichstellung von Kindergeld sowie Einkommen des Kindes führe dazu, dass der Bedarf des Kindes von vornherein um das Kindergeld gemindert sei. Das Einkommen des verpflichteten Elternteils wird daher auch nur um den Zahlbetrag und nicht um den Tabellenbetrag effektiv gemindert.

Durch die Berücksichtigung des Zahlbetrages und nicht des Tabellenbetrages erhöht sich das Einkommen des unterhaltsverpflichteten Elternteils, das dann für weitere Unterhaltsverpflichtete, etwa den betreuenden Elternteil, zur Verfügung steht. Der BGH sah hierin keinen Grund, abweichend zu entscheiden und den Tabellenbetrag abzuziehen. Es sei der Wille des Gesetzgebers gewesen, dass das Kindergeld den Bedarf des Kindes mindere. Der Gesetzgeber habe erkannt und gewollt, dass dadurch mehr „Masse“ für weitere Unterhaltsansprüche zur Verfügung stehe. Die Gerichte können sich nicht an die Stelle des Gesetzgebers stellen und eine nach ihrer Auffassung gerechtere Anrechnung des Kindergeldes vornehmen.

 

Berechnung des Wohnwertes

Seit langem war zwischen dem BGH und einer Vielzahl der Oberlandesgerichte umstritten, ob bei der Unterhaltsberechnung der Mietwert der selbst genutzten eigenen Immobiliein voller Höhe anzusetzen sei oder ob die verbrauchsunabhängigen Kosten wie Grundsteuer und Sach- und Haftpflichtversicherungen von dem Wohnwert abzuziehen seien. Die Oberlandesgerichte haben den Abzug unter Verweis auf die Betriebskostenverordnung abgelehnt. Denn nach der Betriebskostenverordnung haben Mieter auch die Kosten für verbrauchsunabhängige Kosten wie Grundsteuer B oder Sach- und Haftpflichtversicherungsprämie als Teil der Nebenkosten zusätzlich zur Kaltmiete zu übernehmen, wenn dies im Mietvertrag vereinbart ist. Für die Ermittlung des Wohnvorteils des in der Immobilie verbleibenden Ehegatten könne nichts anderes gelten. Der Ehegatte wohne nicht günstiger als ein Mieter, wenn er ebenfalls die verbrauchsunabhängigen Kosten zu tragen habe.

Der BGH war seit Jahren anderer Auffassung und hatte die verbrauchsunabhängigen Kosten wie Grundsteuer sowie Sach- und Haftpflichtversicherungen bei der Ermittlung des Wohnvorteils abgezogen. Jetzt hat er diese Entscheidung genutzt, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben und sich der Auffassung der Oberlandesgerichte anzuschließen.

 

Fazit: Die Praxis wird die Rechtsprechungsänderung zum Wohnvorteil dankbar aufnehmen, da sie unerquickliche Diskussionen über die Richtigkeit der Entscheidungen der Oberlandesgerichte einerseits bzw. des BGH andererseits beendet. Bei der Anrechnung des Kindesunterhalts hat der BGH zwischenzeitlich mit Urteil vom 24. Juni 2009 – XII ZR 161/08 – entschieden, dass auch in einem Mangelfall der Zahlbetrag und nicht der Tabellenbetrag von dem Einkommen des unterhaltsverpflichteten Elternteils abzuziehen ist. Bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des anderen Ehegatten steht damit fest, dass bei allen Formen des Kindesunterhalts (Minderjährigen- sowie Volljährigenunterhalt, Mangelfall und Nicht-Mangelfall) lediglich der Zahlbetrag und nicht der Tabellenbetrag abgezogen wird. Diese Vereinheitlichung ist zu begrüßen.

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