In seinem Urteil vom 12.03.2009 (III ZR 142/08) hat sich der BGH erstmalig zu dem Institut der unselbstständigen Stiftung und dem diesem zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses sowie der Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf die weitverbreitete Art zur Errichtung mittels formularmäßiger Vertragsmuster geäußert.
Unselbständige Stiftung
Unter einer unselbstständigen Stiftung versteht man die Übertragung von Vermögenswerten auf eine natürliche oder juristische Person mit der Maßgabe, diese als ein vom übrigen Vermögen des Empfängers getrenntes wirtschaftliches Sondervermögen zu verwalten und dauerhaft zur Verfolgung der vom Stifter gesetzten Zwecke zu verwenden (im Streitfall zur treuhänderischen Dauergrabpflege).
Eine unselbständige Stiftung ist Körperschaft im Sinn des § 1 Abs 1 Nr 5 KStG und damit steuerlich der selbständigen Stiftung gleichgestellt.
Wesentlicher Unterschied zur rechtsfähigen Stiftung ist, dass die unselbstständige Stiftung nicht rechtsfähig ist. Sie bedarf daher stets einer juristischen oder natürlichen Person, der sie angegliedert ist und welche die Rechte und Pflichten aus dem Vermögen wahrnimmt. Zur Errichtung ist kein formalisierter Akt, wie ein schriftliches Stiftungsgeschäft oder eine Anerkennung durch den Staat, erforderlich. Vielmehr vollzieht sich die Gründung durch einen privatrechtlichen Vertrag.
Der BGH stellt darin klar, dass die Vereinbarung zwischen Stifter und Stiftungsträger nicht einem bestimmten Vertragstyp zuzuordnen ist. Für die Beurteilung, ob eine Schenkung unter Auflage oder ein als Auftrag bzw. Geschäftsbesorgungsvertrags ausgestaltetes Treuhandverhältnis vorliegt, komme es vielmehr darauf an, wie die Parteien ihr Vertragsverhältnis selbst ausgestalten wollten.
Im Urteil heißt es dazu unzweideutig:
„Denn entscheidend ist, welche Rechtsform die Parteien gewählt haben, nicht welche sie hätten wählen sollen.“
Die unselbstständige Stiftung kann somit entweder als Schenkung unter Auflage oder als Treuhandvertrag ausgestaltet werden. Damit hat der BGH den Literaturansichten, die zwingend – unabhängig von den getroffenen Parteivereinbarungen – nur einen der vorgenannten Vertragstypen für zulässig halten, eine Absage erteilt.
Anwendbarkeit des AGB-Rechts aus Stiftungserrichtungen
Wird das Rechtsverhältnis als Treuhandvertrag unter Verwendung formularmäßiger Verträge ausgestaltet, findet auf sie das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anwendung.
Nach § 309 Nr. 9a BGB ist die Vereinbarung einer länger als zwei Jahre dauernden Laufzeit unwirksam. Diese Regelung wendet der BGH auch auf den als Geschäftsbesorgung ausgestalteten Treuhandvertrag an.
An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt die gesetzliche Regelung des § 306 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 620 Abs. 2, 621 Abs.1 Nr. 5 BGB: Der Stifter kann das Treuhandverhältnis jederzeit mit einer Frist von 2 Wochen kündigen.
Auch in Bezug auf den als Auftrag ausgestalteten Treuhandvertrag kann nichts anderes gelten. Gemäß § 671 BGB kann der Stifter als Auftraggeber jederzeit den Auftrag widerrufen und der Beauftragte jederzeit kündigen.
Durch Ausübung seines Kündigungs- bzw. Widerrufsrecht kann der Stifter mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist bzw. jederzeit durch Widerruf die vollständige Rückübertragung des Vermögens auf ihn persönlich herbeiführen, was den gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsatz der Vermögensbindung tangiert. Vor diesem Hintergrund wird die Einordnung von unselbstständigen Stiftungen als steuerbefreite, gemeinnützig Körperschaft im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG zumindest erschwert.
Kündigungs- bzw. Widerrufsrecht der Erben des Stifters?
Fraglich ist weiterhin, ob die Erben nach dem Ableben des Stifters sich auch auf das Urteil des BGH berufen können und ebenfalls die unselbstständige Stiftung kündigen bzw. widerrufen können. Diese Frage hat der BGH zwar nicht zu entscheiden, er setzt sich jedoch bei der Diskussion über den Sinn und Zweck des § 309 Nr. 9a BGB damit auseinander.
Der BGH führt insoweit aus, dass ein nachvollziehbares Interesse des Stifters daran bestehen kann, die Kündigungsmöglichkeit für die Erben auszuschließen, um so sicherzustellen, dass die von ihm festgelegten Zwecke auch nach seinem Tod weiterverfolgt werden können.
Fazit:
Die Wahl einer bestimmten schuldrechtlichen Rechtsform obliegt den Vertragsparteien, d.h. Stifter und Stiftungsträger. Diese müssen bei der Vertragsgestaltung in Zukunft darauf achten, dass sie eindeutige Regelungen über den gewollten Vertragstyp – entweder Treuhand oder Schenkung unter Auflage – treffen.
Wählen Stifter und Stiftungsträger für die unselbstständigen Stiftung die Rechtsform der Treuhand, können sie nicht durch formularmäßige Verträge eine über zwei Jahre hinausgehende Bindung des Stifters an die Treuhand vereinbaren, da dies nach der Rechtsprechung des BGH einen Verstoß gegen § 309 Nr. 9a BGB darstellt.
Gerade bei gemeinnützigen unselbstständigen Stiftungen muss eine ausreichende steuerrechtliche Vermögensbindung im Sinne des §§ 61 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO gewährleistet sein. Möchte man diese nicht gefährden, muss eine längerfristige bzw. dauerhafte Bindung des Vermögens für einen steuerbegünstigten Zweck vorliegen.
Eine längerfristige Bindung kann nach dem Urteil des BGH nur durch Individualvereinbarung getroffen werden, worauf in der Praxis hinzuwirken ist. Ansonsten sollte im Fall der unselbstständigen Stiftung die Rechtsform der Schenkung unter Auflage – unter Ausschluss der einzelnen Widerrufsmöglichkeiten – gewählt, oder eine selbstständige Stiftung errichtet werden.
Der Ausschluss der Kündigungs- bzw. Widerrufsmöglichkeit der Erben durch den Stifter erscheint vor den Ausführungen des BGHs als zulässig, bleibt jedoch der Klärung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung vorbehalten.
Verfasserin: Rechtsreferendarin Dipl. Jur. Laura Wesselmann, MEYER-KÖRING, Bonn
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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