Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 17. September 2008 – XII ZR 71/06 – zu der Frage Stellung genommen, ob und inwieweit sich der steuerliche Splittingvorteil aus einer Zweitehe auf Unterhaltsverpflichtungen aus einer ersten Ehe auswirkt.
Die geschiedene Ehefrau sowie die drei Kinder aus erster Ehe verlangten mit einem Abänderungsverfahren eine Erhöhung des nachehelichen Ehegatten- und des Kindesunterhalts; Ziel des Beklagten war es, seine Unterhaltspflicht zu beenden. Die Klage sowie die Widerklage hatten in den beiden vorherigen Instanzen in unterschiedlichem Umfang Erfolg. Der BGH hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf, da der Kindesunterhalt zu gering bemessen worden sei.
Streit bestand über die Behandlung des steuerlichen Splittingvorteils des Beklagten aus seiner zweiten Ehe, in der er offenbar Alleinverdiener war.
Der BGH stellte fest, dass sowohl für die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Kinder aus erster Ehe als auch für die Leistungsfähigkeit des Vaters der Splittingvorteil heranzuziehen sei. Bei dem unterhaltsverpflichteten Vater war daher mit Lohnsteuerklasse III und nicht mit einer (fiktiven) Lohnsteuerklasse I zu rechnen. Der BGH bestätigte hiermit die ständige Rechtsprechung, nach der der Splittingvorteil aus einer Zweitehe vollständig für den Unterhalt von Kindern aus anderen Beziehungen zu berücksichtigen ist.
Voraussetzung sei aber, dass der Splittingvorteil allein auf die Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten zurückzuführen sei. Bei einer Alleinverdienerehe ist das der Fall. Im jetzt entschiedenen Verfahren war daher der Splittingvorteil beim Kindesunterhalt vollständig zu berücksichtigen.
Anders ist das bei einer Doppelverdienerehe. Der Splittingvorteil ergibt sich hier im Regelfall durch die Wahl der Lohnsteuerklassen. Der Unterhaltspflichtige wählt die Steuerklasse III; die zweite Ehefrau wählt die Steuerklasse V. Wäre auch hier der Splittingvorteil (genauer: der Vorteil aus der Wahl der Steuerklassen) ausschließlich dem unterhaltspflichtigen Ehegatten (mit der Steuerklasse III) zuzuordnen, finanzierte die zweite Ehefrau über die Steuerklassenwahl den Unterhalt der Kinder aus einer anderen Beziehung mit; denn sie hat als Folge der Steuerklassenwahl höhere Steuern zu tragen und der unterhaltspflichtige Ehemann muss deshalb weniger Steuern zahlen mit der Folge eines höheren Nettoeinkommens.
Würden beide Ehegatten in der neuen Ehe die Steuerklasse IV wählen, wäre das Netto des unterhaltspflichtigen Ehegatten geringer und das Netto der zweiten Ehefrau höher. Der BGH weist daher darauf hin, dass in diesem Fall ein Ausgleichsanspruch der zweiten Ehefrau gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten bei der Steuerklassenwahl III/V zu berücksichtigen ist. Dieser Ausgleichsanspruch der zweiten Ehefrau berechnet sich (das hat der BGH schon im Urteil vom 31. Mai 2006 – XII ZR 111/03 – festgestellt) mit Hilfe einer fiktiven Einzelveranlagung beider Ehegatten. Dadurch reduziert sich das Netto des unterhaltspflichtigen Ehegatten, sodass sich entsprechend auch Unterhaltsansprüche reduzieren können.
Fazit: Der BGH bestätigt in dieser Entscheidung seine ständige Rechtsprechung zu der Berücksichtigung des Splittingvorteils einer Zweitehe beim Kindesunterhalt. Neu dürfte sein, dass der BGH ausdrücklich bei einer Doppelverdiener(Zweit-)ehe einen Ausgleichsanspruch des zweiten Ehegatten gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten annimmt, wenn in dieser Zweitehe die Ehegatten die Steuerklassen III für den Pflichtigen und V für die neue Ehefrau gewählt haben. Es ist bedauerlich, dass der BGH hiermit sein Urteil vom 31. Mai 2006 bestätigt, nach dem der Ausgleichsanspruch auf der Grundlage fiktiver Einzelveranlagung zu ermitteln ist. Dies ist ohne Steuerberater fast nicht möglich. Es wäre für die Praxis einfacher, wenn der Ausgleichsanspruch nach dem Verhältnis der jeweiligen Einkünfte der Ehegatten zu der Summe der Einkünfte ermittelt würde. Die Berechnung auf der Grundlage einer fiktiven Einzelveranlagung mag zwar genauer und dadurch „gerechter“ sein. Unterhaltsverfahren werden damit aber durch schwierige steuerliche Einzelfragen belastet, die, insbesondere in hochstreitigen Verfahren, nur mit Gutachten von Steuerberatern gelöst werden können.
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