03.01.2012

Bei unterjährigem Verlassen einer Personengesellschaft: Der laufende Gewinn muss auch dann versteuert werden, wenn die verbleibenden Gesellschafter die Auszahlung verweigern

Kommt es wie im Streitfall in einer Freiberufler-Praxis zum Knall und scheidet ein Gesellschafter unterjährig freiwillig oder unter Zwang durch Ausschließung aus der Personengesellschaft aus, schließt sich regelmäßig ein Rechtstreit um die Beteiligung des Ausgeschiedenen am laufenden Gewinn, um seine Abfindungsansprüche oder um behauptete Schadensersatzansprüche der Gesellschaft an. Die wechselseitig für sich reklamierten Ansprüche werden nicht gezahlt, man führt Zurückbehaltungsrechte an, erklärt die Aufrechnung oder beruft sich auf die fehlende Durchsetzbarkeit der Ansprüche wegen der sogenannten Durchsetzungssperre. Kurzum, es fließen mitunter sehr lange Zeit gar keine Zahlungen.

Was viele Gesellschafter nicht wissen: Dem Finanzamt ist es in diesem Fällen regelmäßig erst einmal gleich, ob Zahlungen an den Gesellschafter tatsächlich fließen oder nicht. Es veranlagt den laufenden Gewinn auch beim ausgeschiedenen Gesellschafter und erhebt darauf Steuern, selbst wenn dem ausgeschiedenen Gesellschafter überhaupt keine Liquidität zugeflossen ist.

Damit wollte sich ein im Streit ausgeschiedener Gesellschafter nicht abfinden, so dass der Fall zum BFH gelangte.

Der Fall (vereinfacht)

Der Kläger war an einer Freiberufler-GbR beteiligt, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. Mitten im Oktober 01 schied der Kläger aus der GbR im Streit aus. Die verbliebenen Gesellschafter verweigern seitdem die Auszahlung des dem Kläger zustehenden laufenden Gewinns für 01 mit der Begründung, der Kläger schulde im Gegenzug Schadenersatz in übersteigender Höhe.

Eine auf Auszahlung des Gewinns gerichtete Klage scheiterte an der vom BGH entwickelten Durchsetzungssperre, weil der Abfindungsanspruch nicht mehr isoliert und nicht vor Aufstellung einer Auseinandersetzungsbilanz geltend gemacht werden konnte. Die Parteien streiten deshalb jetzt in einem weiteren zivilrechtlichen Rechtsstreit vor Gericht um den Auseinandersetzungsanspruch. Unstreitig steht dem Kläger im Rahmen der Auseinandersetzung laufender Gewinn für 01 in ebenso unstreitiger Höhe zu, der aber nach wie vor wegen behaupteter Gegenansprüche nicht ausbezahlt wird.

Das Finanzamt rechnete dem Kläger die laufenden Gewinne zu und erließ entsprechende Gewinnfeststellungsbescheide. Der Kläger beantragte, die Feststellungsbescheide um die bisher nicht an ihn ausgezahlten Gewinnanteile zu kürzen. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Nach erstinstanzlichem Erfolg beim Finanzgericht München wies der BFH die Klage auf die Revision des Finanzamts ab[1].

Die Entscheidung des BFH

Nach der einhelligen Rechtsprechung des BFH werden den Gesellschaftern einer Personengesellschaft, die als Mitunternehmer anzusehen sind, die Ergebnisse, Gewinn und Verlust, der gemeinschaftlichen Tätigkeit anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet. Die Mitunternehmer sind insoweit einem Einzelunternehmer gleichrangig; der Mitunternehmer unterscheidet sich von diesem nur dadurch, dass er seine unternehmerische Tätigkeit nicht alleine, sondern zusammen mit anderen (Mit-)Unternehmern in gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit ausübt. Demgemäß werden die Einkünfte nicht von der Personengesellschaft, sondern originär von den Mitunternehmern erzielt. Nur der Mitunternehmer ist Subjekt der Einkünfteerzielung für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie für die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.

Der Gewinn ist den Mitunternehmern in dem Zeitpunkt zuzurechnen, in dem er entsteht. Ohne Bedeutung ist danach, ob der Gewinn entnahmefähig ist, ob und gegebenenfalls wann die Gesellschafter eine Gewinnausschüttung beschließen und wann diese den einzelnen Gesellschaftern zufließt. Der liquide Zufluss des Gewinns bei dem einzelnen Mitunternehmer ist keine Voraussetzung für die anteilige steuerliche Zurechnung des gemeinschaftlich erzielten Gewinns. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Gesellschafter den Gewinn in gemeinschaftlicher Verbundenheit „erzielt“ haben. Das ist grundsätzlich der Fall, sobald er bei der Gesellschaft nach Maßgabe der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften entstanden ist.

Der Gewinn ist entstanden, sobald er bei der Gesellschaft zu erfassen ist. Auf den Zufluss von Liquidität beim Gesellschafter kommt es demgegenüber nicht an. Der die Besteuerung rechtfertigende Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit liegt bereits in der rechtlichen Zuweisung des anteiligen Gewinns. Von der Rechtsprechung in besonderen strafrechtsrelevanten Fällen zugebilligte Ausnahmen lagen nicht vor.

Unstreitig war der Kläger bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft als Mitunternehmer anzusehen. Auf ihn entfällt deshalb der laufende Gewinn entsprechend seinem Anteil an der Gesellschaft und der Zeit seiner Zugehörigkeit zu der Gesellschaft. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts steht dem nicht entgegen, auch nicht der Umstand, dass der Kläger als ausgeschiedener Gesellschafter seinen Gewinnanspruch nicht mehr isoliert gerichtlich durchsetzen kann. Denn der streitige Geldbetrag bleibt dem Kläger nicht endgültig vorenthalten, sondern lediglich bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Auseinandersetzungsanspruch.

Fazit

Der nicht zuletzt systematisch überzeugenden Argumentation des BFH ist zuzustimmen.  Ermittelt die Gesellschaft ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, kommt es für den Zufluss  allein darauf an, wann er bei der Gesellschaft zu erfassen ist. Denn die Personengesellschaft ist u.a. für die Einkommensteuer Subjekt der Gewinnermittlung, auch wenn die Einkünfte nicht von der Personengesellschaft, sondern originär von den Mitunternehmern erzielt werden. Auf den Liquiditätszufluss beim Gesellschafter kann es demgegenüber nicht ankommen. Denn ansonsten stände es Mitunternehmern – im Gegensatz zum Einzelunternehmer – frei, den Zeitpunkt der Gewinnzurechnung selbst zu bestimmen. Bis zur Feststellung des Jahresabschlusses wäre der Gewinn niemand zurechenbar, weil die Personengesellschaft insoweit nicht selbst Subjekt der Besteuerung ist, wie der BFH zu Recht anmerkt. Das wäre zutreffend mit Grundprinzipien der Besteuerung unvereinbar.

Für den ausgeschiedenen Gesellschafter mag das bei einer Besteuerung ohne vorangegangenen Zufluss an Liquidität freilich misslich sein. Wegen sich hieraus im Einzelfall ergebender individueller Härten muss dann gegebenenfalls Rechtsschutz im Billigkeitswege, bspw. über eine Stundung, gesucht werden.


[1]           BFH-Urteil vom 15.11.2011, VIII R 12/09.

Autor

Bild von  Andreas Jahn
Partner
Andreas Jahn
  • Rechtsanwalt und Steuerberater
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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