Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 8. Februar 2011 – II ZR 263/09 – seine Rechtsprechung zur Anrechnung von Leistungen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bei einer quotalen Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden geändert.
Die Beklagten in der zugrunde liegenden Entscheidung des BGH waren in der Rechtsform einer GbR organisiert. Gegenstand der Gesellschaft war die Bebauung eines Grundstücks mit einem Mehrfamilienhaus sowie deren anschließender Vermietung und Verwaltung. Nach dem Gesellschaftsvertrag der GbR sollten die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GbR nur quotal in einer bestimmten Höhe haften, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften eine gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter in unbegrenzter Höhe vorsehen. Die Verwaltung der GbR übernahm aufgrund eines Geschäftsführungsvertrages eine GmbH. Die GbR selbst sowie deren Gesellschafter erteilten dieser Betriebsführungs-GmbH Vollmachten, die GbR sowie deren Gesellschafter zu verpflichten, wobei die Betriebsführungs-GmbH die quotale Haftung der Gesellschafter zu berücksichtigen hatte. Die Betriebsführungs-GmbH schloss daraufhin mit der klagenden Bank einen Darlehensvertrag und verpflichtete die Gesellschafter der GbR gesamtschuldnerisch, allerdings der Höhe nach beschränkt auf die in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Quoten der einzelnen Gesellschafter. Die GbR bestellte zu Gunsten der Klägerin Grundschulden. Zu dem Verhältnis der Verwertung der Grundschulden einerseits sowie der Haftung der Gesellschafter andererseits bestimmte der Darlehnsvertrag, dass die Klägerin die persönliche Haftung der Gesellschafter unabhängig von der Eintragung und dem Bestand der Grundschulden sowie ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das Beleihungsobjekt geltend machen kann; die möglicherweise abweichende gesetzliche Tilgungsbestimmung in § 366 BGB schlossen die Vertragsparteien ausdrücklich aus.
Der Kredit wurde notleidend. Die Klägerin kündigte den Darlehnsvertrag und stellte ihn fällig. Die Verhandlungen mit den Gesellschaftern sowie die Verwertung der Grundschuld nahmen eine erhebliche Zeit in Anspruch. Zu den verschiedenen hier relevanten Zeiträumen belief sich das Gesamtsaldo aus Tilgung, Zinsen sowie Kosten auf folgende Beträge:
30. Juni 2004: 1.048.904,01 €
1. September 2006: 1.399.069,72 €
19. Oktober 2006: 833.788,54 €
Die Klägerin hat offenbar zwischen dem 1. September 2006 sowie dem 19. Oktober 2006 durch Zwangsverwaltung sowie freihändige Veräußerung des Grundstücks insgesamt einen Betrag von 574.415,57 € erlöst.
Streiterheblich war nun, auf welche Schuld die Verwertung der Sicherheit anzurechnen ist. Die klagende Bank nahm die Gesellschafter auf anteilige Haftung auf der Grundlage des Gesamtsaldos zum 1. September 2006 – demnach in Höhe von insgesamt 1.399.069,72 € – in Anspruch. Der Prozessbevollmächtigte der Gesellschafter erklärte für die Gesellschaft sowie die Gesellschafter, dass der Erlös auf den Darlehnsteil der Gesellschafter anzurechnen sei, für den die Gesellschafter der GbR persönlich im Rahmen ihrer Quoten haften.
Das Begehren der klagenden Bank hatte letztlich Erfolg.
Der BGH stellte zunächst fest, dass sowohl der Gesellschaftervertrag, der Geschäftsbesorgungsvertrag als auch der Darlehensvertrag an der ursprünglichen „Doppelverpflichtungslehre“ zur Haftung von Gesellschaftern einer GbR ausgerichtet sind. Diese Lehre sah vor, dass der geschäftsführende Gesellschafter einer GbR sowohl die GbR selbst als auch die GbR-Gesellschafter durch die von ihm abgegebenen Willenserklärungen verpflichten würde. Der BGH gab diese dogmatische Konstruktion in 1999 auf. Seitdem ergibt sich die Haftung von Gesellschaftern einer GbR analog den Regelungen zur OHG gemäß §§ 128, 129 HGB; demnach als akzessorische, persönliche, primäre, unbeschränkte und unbegrenzte gesetzliche Haftung der Gesellschafter. Zu der ursprünglichen Doppelverpflichtungslehre vertrat der BGH noch in 1997 die Auffassung, dass eine analoge Anwendung der Tilgungsbestimmungen der §§ 366, 367 BGB in Betracht kommen könne. Danach wäre es vorstellbar, dass die Tilgungsbestimmung der Gesellschaft durchdringt.
Nach Aufgabe der Lehre zur Doppelverpflichtung war fraglich geworden, ob die Rechtsprechung des BGH aus 1997 zu einer möglichen Tilgungsbestimmung von Gesellschaft bzw. GbR-Gesellschaftern noch berücksichtigt werden könne. Der BGH hatte mit dieser Entscheidung Gelegenheit hierüber zu entscheiden. Er gab seine ursprüngliche Rechtsprechung aus 1997 auf. Weder die GbR noch deren Gesellschafter können durch einseitige Erklärung eine Anrechnung von Leistungen der Gesamthand auf die persönliche Haftung der Gesellschafter bewirken. Die Gesellschaft sei nicht befugt durch Tilgungsbestimmungen über Sicherheiten des Gesellschaftsgläubigers zu Gunsten der Gesellschafter zu verfügen und diese Sicherheit (quotale unbeschränkte Haftung der Gesellschafter) zu verringern.
Es sei den Vertragsparteien zwar unbenommen, eine solche Tilgungsbestimmung vertraglich zu vereinbaren. Sieht das Vertragswerk eine solche Tilgungsbestimmung nicht vor, kann die Gesellschaft weder unmittelbar noch analog § 366 BGB eine solche Tilgungsbestimmung zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger vornehmen. Der Darlehensvertrag zwischen der klagenden Bank sowie der GbR schloss zudem ausdrücklich die Anwendung von § 366 BGB aus. Der BGH legte dieses Vertragswerk so aus, dass die Bank berechtigt sei, die GbR-Gesellschafter vor Verwertung weiterer Sicherheiten auf ihre quotale Haftung in Anspruch zu nehmen. Die Verwertung des Gesellschaftsvermögens wird dann anteilig auf diese quotale Haftung der Gesellschafter verrechnet. Die Auswirkungen sind durchaus beachtlich. Die Klägerin durfte die quotale Haftung der Gesellschafter von dem „Höchstbetrag“ des Gesamtsaldos – nämlich in Höhe von 1.399.069,72 € – berechnen. Die Bank hatte demnach einen Titel gegenüber den Gesellschaftern über das Gesamtsaldo aus Darlehensrückzahlung, Zinsen sowie Kosten.
Fazit: Der BGH klärt zu Gunsten der finanzierenden Banken die Verwertungsreihenfolge von Vermögen der Gesellschaft sowie Haftung der Gesellschafter auch bei einer lediglich quotalen Haftung der GbR-Gesellschafter. Aus der Entscheidung ist vor allen Dingen zu lernen, das Anwachsen des Gesamtsaldos aus Tilgung, Verzugszinsen (!) sowie Kosten möglichst zu vermeiden. Es sollte möglichst frühzeitig mit der finanzierenden Bank eine Einigung über die Verwertung der Sicherheiten sowie des Haftungsanteils der Gesellschafter getroffen werden, um das erhebliche Anwachsen von Zinsen – in der Entscheidung ca. 350.000,00 € – zu vermeiden.
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