28.02.2012

Eine Verbindlichkeit, die nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden braucht, kann mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht ausgewiesen werden.

Worum es geht – qualifizierte Rangrücktrittserklärung

Zur Vermeidung der Überschuldung oder eines sonstigen Insolvenzgrundes der Gesellschaft treten darlehensgebende Gesellschafter regelmäßig mit allen gewärtigen und zukünftigen Ansprüchen aus und im Zusammenhang mit dem Gesellschafterdarlehen im Rang hinter allen anderen Ansprüchen aller anderen gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger der Gesellschaft zurück. Damit soll erreicht werden, im insolvenzrechtlichen Überschuldungsstatus die Darlehensverbindlichkeit aus der Passivseite eliminieren zu können, um so einer sonst gegebenen Insolvenzantragspflicht zu entgehen. Das ist ein absolut gängiges und probates Mittel, wenn auch die Formulierungen des Rangrücktritts bisweilen variierten.

Steuerrechtlich problematisch wird es bei der Formulierung, wonach die Erfüllung dieser subordinierten Ansprüche nur aus einem etwaigen frei verfügbaren Jahres- oder Liquidationsüberschuss geltend gemacht werden kann. Wenn dann ein weiterer Zusatz, bspw.:

„… aus einem etwaigen frei verfügbaren Jahres- oder Liquidationsüberschuss oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten der Schuldnerin übersteigenden frei verfügbaren Vermögen …“,

fehlt, unterstellt die Finanzverwaltung ein Passivierungsverbot nach § 5 Abs. 2a EStG[1]mit der Folge der gewinnerhöhenden und damit auch steuerwirksamen Ausbuchung der Verbindlichkeit. Hilfe könnte dann nur noch die steuerneutrale Behandlung des eigentlichen Darlehens als Eigenkapital, also als Einlage bringen.

Mit einem solchen Fall hatte sich jetzt der BFH zu befassen und gab im Gegensatz zur noch anderslautenden Entscheidung des FG München dem Finanzamt Recht (BFH-Urteil vom 30.11.2011, I R 100/10 – veröffentlicht am 29.02.2012).

Der Fall

Die finanzielle Ausstattung der klagenden GmbH bestand aus einem Finanzierungsmix aus Stammkapital und Gesellschafterdarlehen in Höhe von mehreren Mio. Euro Der Gesellschafter schloss mit der GmbH einen Darlehens- und Rangrücktrittsvertrag, worin er sich verpflichtete, der GmbH zur Ingangsetzung ihres Geschäftsbetriebs ein verzinsliches Darlehen zu gewähren. Sicherheiten wurden keine gestellt. Das Darlehen war von jeder der Parteien jederzeit kündbar. In der Vereinbarung heißt es:

„Im Falle des Eintritts einer Überschuldung der Schuldnerin tritt die sich aus dem jeweiligen Saldo des Darlehens-Verrechnungskontos ergebende Forderung der Gläubigerin automatisch in Höhe des Betrags der Überschuldung im Rang hinter die Forderungen aller übrigen Gläubiger zurück.

… Die Gläubigerin kann die Befriedigung ihrer Gesamtforderung nur aus künftigen Jahresüberschüssen, soweit sie bestehende Verlustvorträge übersteigen, oder ggf. aus einem Liquidationsüberschuss verlangen.“

Im Streitjahr war die GmbH bilanziell überschuldet. Dies änderte sich auch in den folgenden Jahren nicht. Nach einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die in der Bilanz enthaltene Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter in Höhe von umgerechnet rd. 8 Mio. Euro gewinnwirksam aufzulösen sei. Aufgrund § 5 Abs. 2a EStG  sei eine Passivierung dieser Verbindlichkeit in der Steuerbilanz nicht möglich. Das sah auch der BFH in dem heute veröffentlichten Urteil so.

Die Entscheidung

Nach § 247 Abs. 1 HGB sind handelsrechtlich und damit nach § 5 Abs. 1 EStG auch steuerrechtlich Verbindlichkeiten zu passivieren. Eine Verbindlichkeit ist zu bilanzieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und eine wirtschaftliche Belastung darstellt. An dieser wirtschaftlichen Belastung fehlt es, wenn die Darlehen nur aus künftigen Überschüssen, soweit sie bestehende Verlustvorträge übersteigen, oder aus einem Liquidationsüberschuss zurückbezahlt werden müssen.

  • Soweit die Befriedigung der Verbindlichkeit auf künftige Überschüsse beschränkt ist, greift der BFH für das Fehlen einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung auf den § 5 Abs. 2a EStG zugrunde liegenden Gedanken zurück. Denn der Schuldner ist, solange die Gewinne noch nicht erzielt sind, in seinem gegenwärtigen Vermögen zum Bilanzstichtag noch nicht belastet. Seine Situation gleicht wirtschaftlich der eines Schuldners, dem eine Verbindlichkeit gegen Besserungsschein erlassen wurde: Beide müssen die Verbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen erfüllen.
  • Dies gelte auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung aus einem Liquidationsüberschuss. Zwar betreffen Zahlungspflichten aus einem Liquidationsüberschuss bereits auch das gegenwärtige Vermögen; sie belasten das gegenwärtige Vermögen aber noch nicht, da nach dem Grundsatz der Unternehmensfortführung der Liquidationsfall noch nicht berücksichtigt zu werden braucht und die Rücklagen bis zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Umfang zur Verlustdeckung und zur Befriedigung der anderen Gläubiger zur Verfügung stehen

Die Situation vergleicht der BFH mit einem Verzicht unter Besserungsabrede. Erlässt ein Gläubiger eine Verbindlichkeit mit der Maßgabe, dass die Forderung wieder aufleben soll, wenn künftige Jahresüberschüsse oder ein Liquidationsüberschuss erzielt werden, ist die durch einen solchen Besserungsschein begründete Leistungspflicht beim Schuldner zunächst nicht als Verbindlichkeit zu passivieren. Die Verpflichtung stellt noch keine wirtschaftliche Last dar.

Im Streitfall sind der Klägerin die von ihrem Gesellschafter gewährten Darlehen zwar nicht erlassen worden; es wurde vielmehr nur ein Rangrücktritt vereinbart. Eine Rangrücktrittsvereinbarung, nach der eine Verbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen oder einem eventuellen Liquidationsüberschuss zu bedienen ist, belastet den Schuldner aber nicht stärker, als wäre die Verbindlichkeit gegen entsprechende Besserungsabrede erlassen worden. Es ist daher gerechtfertigt, diese Verbindlichkeit wie einen Erlass mit Besserungsabrede zu behandeln und die Verbindlichkeit nicht auszuweisen. Unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteht trotz abweichender zivilrechtlicher Gestaltung kein Unterschied zwischen einem Erlass mit Besserungsabrede und der Vereinbarung, dass eine Verbindlichkeit nur aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss bedient werden muss

Hierin sieht der BFH den entscheidenden Unterschied zu Rangrücktrittsvereinbarungen, die auch aus sonstigem Vermögen zu bedienen sind.

Die Darlehen sind nicht als Einlagen zu beurteilen

Unterliegt die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen denselben Voraussetzungen wie die Rückzahlung von Eigenkapital, dann entsteht für den Schuldner Eigenkapital und die Verbindlichkeit ist auszubuchen.

Ob die Darlehen dann als Eigenkapital auszuweisen wären, wenn sie nur aus einem künftigen Liquidationsüberschuss zurückzuzahlen wären, lässt der BFH im Streitfall offen. Denn es sei jedenfalls deshalb nicht von Einlagen auszugehen, weil die Darlehen auch aus künftigen Gewinnen zu tilgen sind und ihnen daher nicht die Funktion von zusätzlichem Eigenkapital zukomme.

Hinweis:

Darlehensgebern, die dieses steuerlich extrem nachteilige Ergebnis verhindern wollen, sei dringend anzuraten, ihre aktuell verwendeten Rangrücktrittsvereinbarungen auf die dort verwendeten Formulierungen durchzusehen. Findet sich dort kein Hinweis auf eine Tilgungsmöglichkeit auch aus frei verwendbarem Vermögen, wie bspw.:

„Die Erfüllung dieser subordinierten Ansprüche kann nur aus einem etwaigen frei verfügbaren Jahres- oder Liquidationsüberschuss oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten der Schuldnerin übersteigenden frei verfügbaren Vermögen geltend gemacht werden, …“,

sollte umgehend nachgebessert werden. Denn insoweit verbleibt es bei der günstigen Rechtsprechung des BFH vom BFH 20.10.2004, I R 11/03, BStBl 2005 II S. 581, wo es hierzu heißt:

„Denn nach der im Streitfall zu beurteilenden Rangrücktrittsvereinbarung war die Verbindlichkeit nicht nur aus künftigen Gewinnen, sondern unabhängig davon auch aus einem die sonstigen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen zu bedienen. … Derartige Verbindlichkeiten belasten somit nicht nur künftige Gewinne, sondern das Vermögen des Schuldners, das nicht zur Befriedigung anderer Gläubiger eingesetzt werden muss. Der Nichtausweis solcher Verbindlichkeiten würde daher gegen das Gebot des vollständigen Ausweises bestehender Risiken (§ 246 Abs. 1 HGB) verstoßen … Aus den vorgenannten Gründen stünde einer Passivierung der Verbindlichkeit auch nicht § 5 Abs. 2 a EStG entgegen.“


[1]„ (2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.“.

Autor

Bild von  Andreas Jahn
Partner
Andreas Jahn
  • Rechtsanwalt und Steuerberater
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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