Mit Urteil vom 15.12.2011 (Az.: V R 48/10, veröffentlicht 21.03.2012) hat sich der BFH erneut zu der Frage geäußert, ob der Vorsteuerabzug aus den Kosten für den Umbau und die Renovierung eines gemischt-genutzten Gebäudes entfällt, wenn die Zuordnungsentscheidung nicht bis spätestens zum 31.05. des Folgejahres vorgenommen worden ist.
Unternehmer, die einheitliche Gegenstände sowohl für unternehmerische als auch nichtunternehmerische Zwecke anschaffen oder solche selbst herstellen, haben gem. § 15 Abs. 1 UStG bei der Vermögenszuordnung ein umsatzsteuerrechtliches Zuordnungswahlrecht. Nutzt der Unternehmer den angeschafften oder selbst hergestellten einheitlichen Gegenstand, bspw. Gebäude nebst Grund und Boden, zu mindestens 10 % oder mehr (auch) für seine unternehmerischen Zwecke, so kann er den Gegenstand nicht nur wahlweise insgesamt dem Privatvermögen oder dem Unternehmensvermögen zuordnen, sondern auch eine gemischt-genutzte Zuordnungsentscheidung treffen. Korrespondierend zu der getroffenen Zuordnungsentscheidung trifft den Unternehmer nun seit dem 01.01.2011, in Abkehr von dem sog. Seeling-Modell, gem. § 15 Abs. 1b UStG n.F. eine Vorsteuerabzugsbeschränkung. Der Vorsteuerabzug ist nur noch für den unternehmerischen Nutzungsanteil zugelassen.
Bislang war höchstrichterlich nur geklärt, dass der Unternehmer die Zuordnungsentscheidung zeitnah im Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung zu treffen hat. Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs sowie die bilanzielle und ertragssteuerrechtliche Behandlung sollte dabei gewichtige, aber auch erforderliche Beweisanzeichen sein. Im Jahr 2008 entschied der BFH, dass die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung in der Regel mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung, spätestens aber mit der Umsatzsteuerjahreserklärung nach außen hin vorgenommen werde. Im Falle der verspäteten Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung müssten gewichtige sonstige Umstände vorliegen, die gleichwohl den Schluss auf eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen im Zeitpunkt des Leistungsbezuges zuließen. Die Frage, ob eine eigenständige und insofern von der tatsächlichen (ggf. verspäteten) Abgabe der Umsatzsteuererklärung losgelöste Dokumentationsfrist existiert, war bislang jedoch offen geblieben.
Streitfall (vereinfacht)
Die verheirateten Kläger erwarben im Februar 2004 ein Grundstück mit Wohngebäude, das sie ab Mai 2004 grundlegend umbauten und renovierten. Nach Abschluss der Bauarbeiten bezogen sie das Gebäude im November 2004. Ein Teil des Wohngebäudes nutzte die als freie Architektin tätige Klägerin zu unternehmerischen Zwecken. Im Übrigen bewohnten die Kläger das Gebäude zu privaten Zwecken. Am 7. Oktober 2005 reichte die Klägerin eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2004 ein. Mit der Umsatzsteuer-Jahreserklärung machte sie auch Vorsteuern aus den Baukosten und den laufenden Kosten geltend. In der Anlage zur Steuererklärung erklärte sie, das Wohngebäude zu mehr als 10% zu betrieblichen Zwecken zu nutzen und daher zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein. Umsatzsteuer-Voranmeldung gab sie nicht ab. Das beklagte Finanzamt vertrat im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Auffassung, dass der Vorsteuerabzug an der 10%-Grenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG scheitere.
Im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens einigten sich die Kläger und das beklagte Finanzamt auf einen betrieblichen Nutzungsanteil von 9%. Das Finanzgericht gab der Klage dennoch statt, da es das Recht zum Vorsteuerabzug aufgrund der damaligen Gesetzesfassung unabhängig von der Höhe des prozentualen betrieblichen Nutzungsanteiles bejahte.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH verneint das Recht zum Vorsteuerabzug.
Unabhängig von der Frage, ob im Jahr 2004 eine (nur) 9%ige betriebliche Nutzung des Wohngebäudes den umsatzsteuerrechtlichen Anforderungen genüge, setze das Recht zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG im Falle der gemischten Nutzung eines Gegenstandes eine Zuordnungsentscheidung des Steuerpflichtigen voraus. Die Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmen erfordere eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers, die zeitnah zu dokumentieren sei. Dabei ist die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges regelmäßig ein gewichtiges Indiz für, die Unterlassung des Vorsteuerabzuges wiederum ein gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmen. Im Streitfall sei die zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung nicht durch die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2004 vorgenommen worden. Denn eine solche Dokumentation – mit der Umsatzsteuer-Jahreserklärung oder der Umsatzsteuervoranmeldung(en) – könne nur bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung, d.h. bis spätestens zum 31.05. des Folgejahres (im Streitfall: 31.05.2005) vorgenommen werden.
Praxisfolgen
- Der V. Senat hat seine Rechtsauffassung nunmehr mehrfach bestätigt (Az.: V R 41/09, V R 42/09 und V R 21/10). Die Zuordnungsentscheidung i. S. d. § 15 Abs. 1 UStG n.F. muss bis spätestens zum Ablauf des 31.05. des Folgejahres gegenüber der Finanzbehörde angezeigt werden. Korrekturen der bereits eingereichten Voranmeldungen sind nach der Rechtsprechung des BFH allerdings auch noch bis zu diesem Zeitpunkt möglich.
- Losgelöst von der Abgabe der Steuererklärung muss der Steuerpflichtige, will er sein Recht zum Vorsteuerabzug sichern, der Finanzbehörde also eine gesonderte Mitteilung machen, wenn er weder Umsatzsteuer-Voranmeldung(en) noch eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung bis zum 31.05. des Folgejahres einreicht. Etwaige Verlängerungen für die Abgabe von Steuererklärungen führen zu keiner Verlängerung der Dokumentationsfrist.
- Die insbesondere für Steuerberater geltenden Fristverlängerungen betreffen laut Auffassung des BFH lediglich Steuererklärungen und sind nach allgemeiner Ansicht nicht für die Ausübung von Wahlrechten einschlägig (vgl. auch Urt. vom 07.07.2011 – V R 42/09).
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