Nicht nur in Erbbauverträgen sondern auch in einer Vielzahl von Miet- und Pachtverträgen, vornehmlich über gewerbliche genutzte Flächen, finden sich Preisanpassungsklauseln, die vorsehen, dass sich die Höhe des festgelegten Erbbauzinses bzw. der vereinbarten Miete bzw. Pacht im Fortgang des Vertragsverhältnisses nach der Entwicklung eines von den Parteien benannten Preisindexes richtet. Vor dem Jahr 2003 wurde regelmäßig auf den Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit mittlerem Einkommen des allein verdienenden Haushaltsvorstands Bezug genommen. Da dieser Index zum 1. März 2003 weggefallen ist, stellt sich die Frage, wie heute mit Altverträgen umzugehen ist. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung vom 2. März 2012 Stellung genommen.
Der Fall
Die Beklagte war Erbbauberechtigte eines dem Kläger gehörenden Grundstücks. Der Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom 1. April 1974 enthielt folgende Regelung:
„Die Vertragsparteien werden bei einer wesentlichen Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse die Höhe des Erbbauzinses den neuen veränderten Verhältnissen angleichen.
Sollte sich daher der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden herausgegebene Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Arbeitnehmer-Haushaltes mit mittlerem Einkommen des alleinverdienenden Haushaltsvorstandes gegenüber dem Tag des Vertragsabschlusses oder gegenüber dem Tage einer später eintretenden Änderung des Erbbauzinses auf der Basis von 1962 um zehn oder mehr Punkte erhöhen, so ist der Erbbauberechtigte auf Antrag des Grundeigentümers verpflichtet, einen zusätzlichen Erbbauzins im gleichen Verhältnis zu der Erhöhung des Indexes zu zahlen und entsprechend ein weiteres dingliches Erbbaurecht zu bestellen. Das Gleiche gilt entsprechend, wenn sich der Index um zehn oder mehr Punkte ermäßigt mit der Folge, dass sich der zu zahlende Erbbauzins entsprechend ermäßigt.
Eine Verpflichtung des Erbbauberechtigten, einen zusätzlichen Erbbauzins zu zahlen und entsprechend ein weiteres dingliches Erbbauzins-recht zu bestellen, soll wiederholt in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen der Erhöhung des Erbbauzinses wiederholt eintreten sollten.
… Eine Überprüfung und ggfls. Veränderung des Erbbauzinses soll je-doch erstmals nach Ablauf von drei Jahren, also am 1. April 1977, möglich sein.“
Im Jahr 2008 verlangte der Kläger von der Beklagten eine Erhöhung des Erbbauzinses, wobei er sich zur Begründung seines Verlangens auf eine zwischenzeitlich eingetretene Veränderung des seit dem 1. März 2003 geltenden Verbraucherpreisindexes für Deutschland stützte. Ein gerichtlich angefordertes Sachverständigengutachten ergab eine Änderung von 2,93 Punkten bei Zugrundelegung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland.
Die Beklagte wurde in der Berufungsinstanz durch das Landgericht Stade verurteilt, den mit der Klage geltend gemachten Erbbauzins an den Kläger zu entrichten. Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil im März 2012 auf und verwies die Sache zur weiteren Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.
Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof führt im Rahmen seiner Entscheidung vom 2. März 2012 aus, dass veraltete Preisanpassungsklauseln im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu aktualisieren seien. Eine fortgefallene Bemessungsgrundlage sei insoweit durch eine solche zu ersetzen, die dem weggefallenen Index am nächsten komme und deshalb am besten geeignet sei, den vertraglich fixierten Willen der Parteien umzusetzen. Sofern im Rahmen eines Vertrages auf den bis zum 28. Februar 2002 geltenden Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts mit mittlerem Einkommen des allein verdienenden Haushaltsvorstands Bezug genommen sei, komme nunmehr eine Preisanpassung nach Maßgabe des Verbraucherpreisindexes für Deutschland in Betracht.
Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen einer Preisanpassung verbleibe es, so der Bundesgerichtshof weiter, bei den von den Vertragsparteien festgelegten Voraussetzungen, insbesondere der Überschreitung eines festgeschriebenen Schwellenwertes. Es sei allerdings in Ansehung eines dahingehenden Hinweises des Statistischen Bundesamtes von Februar 2008, dass Punkteregelungen in alten Wertsicherungsklauseln nicht mehr verwendet und die Verträge auf Prozentregelungen umgestellt werden sollten, im Einzelfall zu prüfen, ob es auch dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien entspreche, eine Punkteregelung innerhalb einer alten Wertsicherungsklausel durch eine Prozentregelung zu ersetzen. Dies sei durch eine weitere ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln.
Fazit
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2. März 2012 betrifft eine Preisanpassungsklausel im Rahmen eines Erbbaurechtsvertrags. Die Ausführungen des Senats werden jedoch in gleicher Weise auf Preisanpassungsklauseln in Miet- und Pachtverträgen anzuwenden sein.
Das Urteil sorgt insoweit für Klarheit, als nunmehr feststeht, dass ein überholter Preisindex auch ohne ausdrückliche Vereinbarung der Parteien durch einen neuen Index ersetzt wird, der dem weggefallenen Index am nächsten kommt. In der Praxis wird dies regelmäßig der Verbraucherpreisindexes für Deutschland sein.
Ein Ersetzen des maßgeblichen Preisindexes im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung führt jedoch, wie den Entscheidungsgründen des Urteils vom 2. März 2012 zu entnehmen ist, nicht zu einer vollständigen Klärung der vertraglichen Situation. In den betroffenen Fällen sollten die Vertragsparteien insoweit auch weiterhin in Verhandlungen über die zukünftige Anwendung der Preisanpassungsklausel eintreten. Im Rahmen dieser Verhandlungen ist, um eine – ggf. nachteilige – Auslegung des Vertrages durch das im Streitfall erkennende Gericht zu vermeiden, von den Parteien nicht nur zu klären, welcher Preisindex zukünftig zur Anwendung gelangen soll, sondern auch, ob eine ehemals vorgesehene Punkteregelung durch eine Prozentregelung zu ersetzen ist. Sollte es dabei zu einer Vertragsanpassung kommen, ist diese schriftlich in Form eines Nachtrags zum Erbbauvertrag bzw. zum Miet- oder Pachtvertrag niederzulegen. Kann keine Einigung erzielt werden, dient die geführte Korrespondenz im Streitfall dem Nachweis des ausdrücklichen Willens der Parteien.
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