02.08.2012 -

Abweichend von den gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB steht es den Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich frei, längere Kündigungsfristen zu vereinbaren. Das Gesetz äußert sich aber nicht zu dem zulässigen Umfang dieser Verlängerungsmöglichkeit.

Der Fall

Vorliegend hatte das Arbeitsgericht Heilbronn über einen Fall zu entscheiden, in welchem der Kläger seit dem 1. August 2009 als Einkaufsleiter Einkauf International bei einer europaweit tätigen Supermarktkette beschäftigt ist. Sein Arbeitsvertrag weist ihn als leitenden Angestellten aus und regelt folgende Kündigungsfrist: „Das Arbeitsverhältnis kann von beiden Seiten mit einer Frist von 18 Monaten zum Monatsende gekündigt werden“. Der Kläger wird in der Sparte F eingesetzt, die wiederum aus mehr als 20 Bereichen besteht. In der gesamten Sparte F verfügen nur der Kläger und ein weiterer Mitarbeiter über Prokura. Vom Kläger wurde ein Einkaufsvolumen von mehreren Hundert Millionen Euro betreut. Mit Schreiben vom 30. August 2011 erklärte der Kläger eine Eigenkündigung zum nächstmöglichen Termin.

Die Parteien stritten nun darüber, mit welcher Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis durch den Kläger wirksam beendet werden kann. Der Kläger ging davon aus, dass es für ihn nicht zumutbar ist, an der im Vertrag vereinbarten 18-monatigen Kündigungsfrist festgehalten zu werden. Da die Beklagte auf die Einhaltung dieser Kündigungsfrist bestand, beantragte der Kläger vor dem Arbeitsgericht Heilbronn die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zum 29. Februar 2012, hilfsweise spätestens zum 31. August 2012 sein Ende findet.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht stellt in seinem Urteil vom 8. Mai 2012 fest, dass der Kläger an die vereinbarte 18-monatige Kündigungsfrist gebunden ist, das Arbeitsverhältnis daher bis zum 28. Februar 2013 fortbesteht. Dies ergebe sich aus folgenden Gründen:

  • Es stehe den Arbeitsvertragsparteien frei, längere als die gesetzlichen Kündigungsfristen zu vereinbaren. Erforderlich sei nur eine Gleichbehandlung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
  • Die Vereinbarung einer 18-monatigen Kündigungsfrist bewege sich in einem vom Gesetzgeber akzeptierten Rahmen. So könne gemäß §§ 624 BGB, 15 Abs. 4 TzBfG ein auf Lebenszeit oder für die Dauer von mehr als  fünf Jahren abgeschlossenes Arbeitsverhältnis erst nach dem Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden. Da die gesetzliche Kündigungsfrist nach dieser Zeit sechs Monate betrage, akzeptiere der Gesetzgeber hier eine Bindungsdauer von 5,5 Jahren. Ähnliches gelte für die zweijährige Bindung bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen, bei denen grundsätzlich der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen sei, §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 3 TzBfG. Zudem sei in allen Vertragskonstellationen bei dem Vorliegen eines wichtigen Grundes eine außerordentliche Kündigung möglich. Aus dieser Gesamtschau, auch unter Beachtung der Möglichkeit der Vereinbarung eines zweijährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes, sei eine 18-monatige Kündigungsfrist dem Grunde nach zulässig.
  • Es sei auch im konkreten Fall keine unangemessene Benachteiligung des Klägers erkennbar. Dieser sei als Einkaufsleiter für die Beklagte ein besonderer Verantwortungs- und Wissensträger mit besonderer finanzieller Ausstattung seiner arbeitsvertraglichen Regelungen. In der Wettbewerbssituation mit anderen Supermarktketten komme den Lieferkonditionen, die der Kläger für die Beklagte verhandelt habe, elementare Bedeutung zu. Wenn der Kläger als Einkäufer eines Wettbewerbers der Beklagten auftrete, sei die Befürchtung gerechtfertigt, dass der neue Arbeitgeber des Klägers von den bisherigen Verhandlungen des Klägers für die Beklagte profitiere.  Somit sei das Vorgehen der Beklagten zulässig, eine lange Kündigungsfrist zu vereinbaren und den Kläger wahlweise bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freizustellen oder in einem anderen Bereich zu beschäftigen, damit sein Wissen veralte.

Hinweis für die Praxis

Arbeitgeber sollten bei der Vereinbarung langer Kündigungsfristen beachten, dass § 622 Abs. 6 BGB eine Gleichbehandlung dahingehend fordert, dass eine Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen immer auch für Arbeitgeber gelten muss. Mithin sind nicht nur die Arbeitnehmer bei ihrer Eigenkündigung an diese lange Kündigungsfrist gebunden, sondern auch Arbeitgeber, die das Arbeitsverhältnis kündigen möchten. Aufgrund der Notwendigkeit zur Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung kann dies eine erhebliche Belastung bedeuten.

Literaturhinweis: Besgen, Handbuch Führungskräfte, 1. Aufl. 2012, 835 Seiten

 

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