18.09.2012 -

In der Praxis werden Kündigungen oftmals nicht vom Arbeitgeber in Person (Vorstand, Geschäftsführer) unterschrieben, sondern von einer hierzu beauftragten Person. Rechtlich handelt es sich dabei um den Fall einer Vollmacht. Ist dem Kündigungsempfänger die dauerhafte Bevollmächtigung nicht bekannt, muss der Kündigung eine Original-Vollmacht beigelegt werden, andernfalls droht die Gefahr, dass die Kündigung nach § 174 BGB zurückgewiesen wird. Das Bundesarbeitsgericht hat nun die seit langem offene Streitfrage entschieden, innerhalb welcher Frist diese Zurückweisung erfolgen muss, nämlich im Regelfall innerhalb von einer Woche (BAG, Urteil v. 08.12.2011 – 6 AZR 354/10). Das Urteil befasst sich ferner mit wichtigen Kündigungsfragen gegenüber Minderjährigen.

Der Fall (verkürzt):

Der zum Zeitpunkt des Ausspruchs noch minderjährige Kläger stand zu dem beklagten Arbeitgeber in einem Ausbildungsverhältnis seit dem 1. August 2008. Es war eine Probezeit von drei Monaten vereinbart und Geltung des TVöD. Das Arbeitsverhältnis sollte noch innerhalb der Probezeit fristgerecht gekündigt werden. Nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats wurde mit Schreiben vom 31. Oktober 2008, dem letzten Tag der Probezeit, die Kündigung ausgesprochen. Das Kündigungsschreiben war wie folgt adressiert: „An den Auszubildenden Herrn K., gesetzlich vertreten durch die Eltern Herrn und Frau K.“ Eine Kündigungsvollmacht lag nicht bei. Das Schreiben war von einer bevollmächtigten Person unterschrieben. Es wurde per Boten am 31. Oktober 2008, einem Freitagmorgen um 08.30 Uhr in den gemeinsamen Briefkasten der Familie K. eingeworfen.

Der Kläger war an diesem Tag arbeitsunfähig erkrankt. Seine Eltern befanden sich auf Reisen. Der Kläger nahm das Schreiben tatsächlich erst am 2. November 2008 zur Kenntnis. Noch am selben Tag informierte er hierüber telefonisch seine Mutter. Diese nahm das Schreiben nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub am Montag, 3. November 2008 zur Kenntnis.

Mit Schreiben vom 12. November 2008, das den Eltern erst am 13. November 2008 zuging, rügte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die fehlende Vertretungsmacht und wies die Kündigung gem. § 174 BGB zurück. Dem Zurückweisungsschreiben des Prozessbevollmächtigten war ebenfalls keine Vollmacht beigefügt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat hingegen das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in der Revision bestätigt; die Kündigung hat das Ausbildungsverhältnis daher in der Probezeit wirksam beendet.

I. Kündigung gegenüber Minderjährigen

Die Kündigung eines minderjährigen Auszubildenden muss nicht gegenüber dem Minderjährigen, sondern gegenüber den Eltern als dessen gesetzlichen Vertretern erklärt werden. Dies folgt aus § 131 Abs. 2 S. 1 BGB. Die Kündigung wird danach also erst dann wirksam, wenn sie mit dem erkennbaren Willen abgegeben worden ist, dass sie den gesetzlichen Vertreter erreicht, und wenn sie tatsächlich in den Herrschaftsbereich des Vertreters gelangt. Sie muss also mit Willen des Erklärenden in Richtung auf den gesetzlichen Vertreter in den Verkehr gelangt sein.

Dies wurde im vorliegenden Fall beachtet. Dies ergab sich schon aus der Anrede des Kündigungsschreibens, die ausdrücklich an die Eltern mit „Sehr geehrte Frau und Herr K.“ gerichtet war. Auch das Kündigungsschreiben selbst war insoweit eindeutig gefasst: „Hiermit kündige ich das mit Ihrem Sohn … begründete Berufsausbildungsverhältnis“.

II. Machtbereich der Eltern?

Ein an die gesetzlichen Vertreter eines Auszubildenden gerichtetes Kündigungsschreiben geht erst dann zu, wenn es auch in den Machtbereich bzw. Herrschaftsbereich der Eltern gelangt. Das Schreiben muss daher in den Briefkasten der Eltern eingeworfen werden. Das Zustellrisiko trägt der Kündigende, also der Arbeitgeber.

Hinweis für die Praxis:

Viele Auszubildende wohnen noch bei ihren Eltern, haben aber einen eigenen Briefkasten. In diesen Fällen geht das Schreiben noch nicht zu, wenn der Bote das Kündigungsschreiben lediglich in den Briefkasten des Auszubildenden einwirft. Zugang tritt erst dann ein, wenn das Kündigungsschreiben in den Machtbereich der Eltern gelangt, also in deren Briefkasten. Der Bote muss also entsprechend instruiert werden! Ob dann beide Elternteile oder nur ein Elternteil das Kündigungsschreiben tatsächlich zur Kenntnis nehmen, ist hingegen irrelevant. Gemäß § 1629 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 BGB genügt für den Empfang von Willenserklärungen die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Deshalb ist jeder Elternteil zur Entgegennahme der Kündigung berechtigt.

III. Adressierung beachten!

Zur Vermeidung von Zustellrisiken sollte zusätzlich die Anrede so gewählt werden, dass einwandfrei zu erkennen ist, an wen das Schreiben tatsächlich gerichtet ist. Das Kündigungsschreiben ist also an die Eltern als gesetzliche Vertreter des Auszubildenden zu adressieren und nicht etwa an den Auszubildenden selbst. Im vorliegenden Fall wurde aus dem gesamten Schreiben deutlich, dass sich das Kündigungsschreiben an die Eltern richtete. Die von dem Arbeitgeber gewählte Adressierung beinhaltete aber dennoch gewisse Gefahren. Wir können daher nur empfehlen, diese Gefahren von vornherein zu vermeiden.

IV. Zurückweisung einer Kündigung

Kündigt nicht der Arbeitgeber in Person, sondern eine von ihm bevollmächtigte Person, kann ein Kündigungsschreiben nach § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen werden, wenn keine Original-Vollmacht dem Kündigungsschreiben beilag. Die Zurückweisung muss nicht sofort am selben Tag erfolgen, aber unverzüglich. Dem Erklärungsempfänger ist also eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rates eines Rechtskundigen einzuräumen. Die Zeitspanne hat das Bundesarbeitsgericht nun für den Regelfall auf eine Woche festgelegt. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob die Wirksamkeit der Kündigung schon unter formalen Gesichtspunkten in Frage gestellt wird.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist grundsätzlich zu begrüßen. Mit der Einführung der Wochenfrist für den Regelfall kann die Praxis umgehen. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass zwar Arbeitsrechtlern diese spezielle Vorschrift des § 174 BGB bekannt ist. Arbeitnehmer wenden sich aber oftmals erst nach einer Woche an einen Anwalt. In diesem Falle wäre die Zurückweisung dann schon nicht mehr möglich. Das Bundesarbeitsgericht weist allerdings darauf hin, dass besondere Umstände auch zu einer Verlängerung der Frist führen können. Solche Umstände können z.B. Krankheit oder Urlaub sein. Entscheidend ist der Einzelfall.

Fazit:

Die Kündigung von Auszubildenden bedarf der Adressierung an die Eltern als gesetzliche Vertreter des Auszubildenden. Nur wenn die Kündigung in den Herrschaftsbereich der Eltern gelangt geht sie formal wirksam zu. Das Zustellrisiko trägt der Arbeitgeber.

Die Zurückweisung einer Kündigung nach § 174 BGB muss nun innerhalb einer Regelfrist von einer Woche erfolgen. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann diese Frist verlängert werden.

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