07.10.2013 -

Mit dem neuen Urlaubsrecht bei dauerhafter Krankheit hatten wir uns bereits mehrfach befasst. Die für die Praxis bedeutsamste Frage hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr geklärt: Urlaubsansprüche gehen auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf eines Übertragungszeitraums jedenfalls von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres endgültig unter! In derselben Entscheidung wurde aber auch festgestellt, dass Urlaubsansprüche während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses wegen des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente fortbestehen (BAG, Urteil v. 07.08.2012 – 9 AZR 353/10).

Der Fall (verkürzt):

Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war vom 1. Juli 2001 bis zum 31. März 2009 in der Rehabilitationsklinik des beklagten Arbeitgebers als Angestellte beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach den Bestimmungen des TVöD/VKA. Die Klägerin erkrankte im Jahre 2004 arbeitsunfähig.

Ab dem 20. Dezember 2004 bezog sie eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis (31. März 2009). Mit ihrer dem Arbeitgeber am 8. April 2009 zugestellten Klage hat die Klägerin die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis anteilig 2009 verlangt und klageweise die Zahlung von 18.841,05 € brutto nebst Zinsen beantragt.

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, während des Bezugs der Erwerbsminderungsrente auf Zeit habe das Arbeitsverhältnis gem. § 33 Abs. 2 S. 6 TVöD geruht. Während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses seien Urlaubsansprüche nicht entstanden. Damit bestehe auch kein Urlaubsabgeltungsanspruch. Im Übrigen habe die Klägerin nicht über mehrere Jahre hinweg Urlaubsansprüche ansammeln können. Dem stünden auch die allgemeinen Verjährungsregeln und die tariflichen Ausschlussfristen entgegen.

Das Arbeitsgericht hat den Arbeitgeber zur Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des der Klägerin zustehenden Schwerbehindertenzusatzurlaubs aus den Jahren 2005 bis 2009 verurteilt, der Klägerin damit 13.403,70 € brutto nebst Zinsen zugesprochen und die Klage in Bezug auf die von der Klägerin beanspruchte Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Abgeltung des Urlaubs für die Jahre 2005 bis 2007 abgelehnt und die Entscheidung der Vorinstanzen entsprechend korrigiert.

I. Urlaubsansprüche trotz Ruhens

Das Bundesarbeitsgericht hat zunächst den Streit entschieden, ob während des Ruhens eines Arbeitsverhältnisses Urlaubsansprüche entstehen können. In Literatur und Rechtsprechung war dies bislang stark umstritten.

Der 9. Senat hat klargestellt, dass auch während des Ruhens des Arbeitsverhältnisses Urlaubsansprüche entstehen. Dies gelte jedenfalls für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Eine Kürzung dieses gesetzlichen Mindesturlaubs während Ruhenszeiten sei mit der in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG angeordneten Unabdingbarkeit nicht zu vereinbaren. Die Entstehung des Urlaubsanspruchs sei auch nicht von einem konkreten oder abstrakten Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers abhängig. Ebenso wenig sei der Urlaubsanspruch von einer Gegenleistung abhängig. Hierauf komme es nicht an.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht hat sich zwar lediglich zur speziellen Ruhensvorschrift des TVöD geäußert. Dennoch lassen sich dem Urteil insoweit allgemeine Ausführungen entnehmen. Während Ruhenszeiträumen ist die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht mit § 13 BUrlG vereinbar. Daraus lässt sich generell ableiten, dass auch Kürzungsvorschriften aus anderen Tarifverträgen unwirksam sind. Ebenso wird man auch einzelvertraglich vereinbarte Kürzungsregeln nicht aufrecht erhalten können. Allerdings stellt sich dann die Frage, weshalb der Gesetzgeber in § 17 BEEG die Kürzung des Urlaubs während der Elternzeit anordnen durfte. Handelt es sich nämlich um gesetzlichen Mindesturlaub, der unionsrechtlich geschützt ist, kann auch der deutsche Gesetzgeber eine solche Kürzung nicht regeln. Damit hat sich aber das Bundesarbeitsgericht bislang noch nicht befasst.

II. Übertragungszeitraum begrenzt auf 15 Monate!

Das Bundesarbeitsgericht hat nun aber Urlaubsansprüche auf den Übertragungszeitraum von 15 Monaten begrenzt. Die 15-Monats-Frist beginnt mit Beendigung des Urlaubsjahres, also des jeweiligen Kalenderjahres.

Beispiel: Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2007 verfallen 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres 2007, also am 31. März 2008. Urlaubsansprüche aus dem Jahre 2008 dann entsprechend am 31. März 2010 u.s.w. Die dauerhafte Aufaddierung von Urlaubsansprüchen, wie sie bislang angenommen wurde, findet damit nicht mehr statt.

Hinweise für die Praxis:

Die neue Rechtsprechung gilt uneingeschränkt für alle Fälle und in jeder Konstellation. Sie gilt vor allem auch dann, wenn nichts konkret zur Übertragungsfrist geregelt ist. Das Bundesarbeitsgericht liest die 15-Monats-Frist in das Bundesurlaubsgesetz hinein. Nur in solchen Fällen, in denen einzelvertraglich oder im entsprechenden Tarifvertrag ausdrücklich eine längere – damit für den Arbeitnehmer günstigere – Frist geregelt ist, gilt dann diese längere Frist. In allen anderen Fällen kann sich der Arbeitgeber nunmehr auf die 15-Monats-Frist berufen.

Autor

Bild von Prof. Dr. Nicolai Besgen
Partner
Prof. Dr. Nicolai Besgen
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht

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