17.03.2014 -

Kündigungen müssen vom Arbeitgeber in Person ausgesprochen werden, also dem Geschäftsführer bzw. dem vertretungsberechtigten Organ einer Gesellschaft. Kündigen andere Personen benötigen diese eine Vollmacht. Ohne Vollmacht kann eine Kündigung nach § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen werden. Dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung! In der Praxis führt diese oft unbekannte Vorschrift immer wieder zu bösen Überraschungen. Dies bestätigt eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG Hamm, Urteil v. 16.05.2013 – 17 Sa 1708/12). Die wichtige Entscheidung möchten wir für die Praxis vorstellen.

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Mitarbeiter war bei dem beklagten Unternehmen als Materialbesteller im Fertigungslager/in der Endmontage seit Februar 2004 beschäftigt. Das Unternehmen beschäftigt ca. 720 Mitarbeiter. Es besteht ein 13-köpfiger Betriebsrat.

Im Rahmen einer Massenentlassung vereinbarten die Betriebsparteien einen Interessenausgleich und Sozialplan mit Namensliste. Dort war auch der Kläger aufgeführt.

Mit Schreiben vom 27. April 2012, dem Kläger am selben Tag durch den Prokuristen K2 übergeben, kündigte der Arbeitgeber das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Juli 2012. Das Kündigungsschreiben ist unterzeichnet mit dem Zusatz „ppa.“ von dem Prokuristen K2 und mit dem Zusatz „i.V.“ von dem Personalsachbearbeiter G1.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2012 vertrat der klägerische Prozessbevollmächtigte unter Vorlage einer Vollmacht die Auffassung, die Kündigung sei unberechtigt. Er führte Folgendes u.a. aus:

„Der Ordnung halber weisen wir Ihre Kündigung vom 27. April 2012 mangels Nachweises der Vertretungsberechtigung des Unterzeichners des Kündigungsschreibens und mangels tatsächlich bestehender Vertretungsberechtigung zurück.“

Der Prokurist K2 ist in dem Unternehmen Gesamtprokurist und vertretungsberechtigt nur gemeinsam mit einem Geschäftsführer und/oder einem anderen Prokuristen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht hat im Berufungsverfahren die Kündigung wegen fehlendem Vollmachtsnachweis und rechtzeitiger Zurückweisung nach § 174 BGB für unwirksam erklärt.

I. Zurückweisung nach § 174 BGB

Kündigungen können nach § 174 BGB zurückgewiesen werden, wenn nicht das vertretungsberechtigte Organ selbst kündigt, sondern lediglich ein Bevollmächtigter die Kündigung ausspricht. In diesem Fall muss der Bevollmächtigte zwingend die Vollmacht der Kündigungserklärung beifügen. Wird dies unterlassen, kann der Kündigungsempfänger die Kündigung nach § 174 BGB unverzüglich zurückweisen. Die Zurückweisung ist dann unverzüglich, wenn sie regelmäßig innerhalb einer Woche nachweisbar gegenüber dem Arbeitgeber erfolgt. Kommt es zu einer wirksamen und fristgerechten Zurückweisung ist die ausgesprochene Kündigung endgültig unwirksam. Die Kündigung muss dann erneut ausgesprochen werden.

Aber: Die Zurückweisung ist dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber (= Arbeitgeber) den anderen (= Arbeitnehmer) von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte. Ein solches In-Kenntnis-Setzen liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber einen bestimmten Mitarbeiter in eine Position berufen hat, mit der regelmäßig das Kündigungsrecht verbunden ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Arbeitgeber eine Person zum Personalleiter berufen hat und dieser Personalleiter auch das Recht hat, Kündigungen auszusprechen und dies auch praktiziert. In einem solchen Fall muss der Personalleiter nicht immer wieder neu eine Vollmacht vorlegen.

Hinweis für die Praxis:

Wird eine Kündigung wegen fehlender Vollmacht nach § 174 BGB zurückgewiesen, kann auch diese Zurückweisung selbst wiederum dann von dem Empfänger (= Arbeitgeber) ebenfalls zurückgewiesen werden, wenn nicht der Arbeitnehmer und Kündigungsempfänger selbst die Kündigung zurückweist, sondern sein bevollmächtigter Anwalt. Die Kündigungszurückweisung selbst ist nämlich ebenfalls ein Rechtsgeschäft, das man zurückweisen kann. Voraussetzung ist also, dass der Zurückweisende ebenfalls eine Originalvollmacht beifügt. Die Vorlage einer Faxvollmacht reicht nicht aus! Dies gilt für jeden Fall der Zurückweisung. Wird also eine Kündigung von einem Rechtsanwalt zurückgewiesen, ist darauf zu achten, ob diese Zurückweisung im Original und unverzüglich erfolgt ist. Andernfalls sollte man ebenfalls nochmals vorsorglich als Arbeitgeber die Zurückweisung zurückweisen.

II. Prokura ausreichend?

Im vorliegenden Fall hatte ein Prokurist die Kündigung mit dem Zusatz „ppa.“ unterzeichnet. Bei dem Prokuristen handelte es sich auch um den Personalleiter. Die Kündigung war aber nicht in dieser Funktion unterzeichnet, sondern mit der Funktion der Prokura gezeichnet. Nach dem Handelsregister war der Prokurist aber gerade nicht alleinvertretungsberechtigt, sondern es lag nur eine so genannte Gesamtprokuravor. Die Gesamtprokura besagte, dass der Prokurist nur gemeinsam mit einem Geschäftsführer oder einem weiteren Prokuristen wirksam unterzeichnen konnte. Daran fehlte es hier aber, denn der Mitunterzeichner war weder der Geschäftsführer noch ein Prokurist, sondern ein Personalsachbearbeiter, der auch lediglich mit dem Zusatz „i.V.“ unterzeichnete, also in Vertretung.

Das Landesarbeitsgericht Hamm kam daher zu dem Schluss, dass der Prokurist sich nicht auf seine Prokura berufen konnte, da diese beschränkt war und die Voraussetzungen für eine Gesamtvertretung nicht vorlagen. Der mitunterzeichnende Personalsachbearbeiter hatte ebenfalls eine Vollmacht nicht beigefügt. Schließlich handelte es sich bei dem unterzeichnenden Prokuristen zwar um den Personalleiter, dieser hatte aber die Kündigung gerade nicht allein und dem Zusatz Personalleiter unterzeichnet, sondern lediglich als Prokurist gemeinsam mit einer weiteren Person. Hieraus schloss das Landesarbeitsgericht, dass der Kündigungsempfänger davon ausgehen musste, dass der Prokurist in Ausübung der aus der Prokuraerteilung folgenden Vertretungsmacht handelte. Diese Vertretungsmacht der Prokura war aber durch die Gesamtprokura beschränkt.

Fazit:

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm deckt sich mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und ist aus unserer Sicht rechtlich zutreffend. Sie macht aber deutlich, welche Tücken beim Ausspruch von Kündigungen zu beachten sind. Der Fall wäre wohl anders ausgegangen, wenn der Prokurist nicht gemeinsam mit einer weiteren Person unterzeichnet hätte und auch nicht mit dem bloßen Zusatz „ppa.“, sondern er allein unterzeichnet hätte mit dem deutlichen Hinweis auf seine Personalleiterstellung.

Hieraus lässt sich für die Praxis nur die eindeutige Empfehlung ableiten, dass stets und immer die vertretungsberechtigten Organe unterschreiben sollten. Diese müssen keine Vollmacht beifügen. Auch hier ist aber darauf zu achten, dass im Falle einer Gesamtvertretung der Geschäftsführer dann auch die Geschäftsführer gemeinsam unterzeichnen müssen. Was viele nicht wissen: § 174 BGB gilt in entsprechender Anwendung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch für Fälle der Gesamtgeschäftsführungsvertretung!

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