Das neue Mindestlohngesetz (MiLoG), das ab dem 1. Januar 2015 in Kraft tritt, ruft bei einigen Geschäftsführern und HR-Managern zu Recht Prüfungsdruck zum Jahresende aus. Letzte Woche berichteten wir über die allgemeinen Voraussetzungen und Rechtsfolgen des MiLoG. Den Beitrag von Frau Rechtsanwältin Verena Fausten können Sie hier abrufen.
Dieser Newsletter beschäftigt sich mit der Mindestlohnpflicht von Praktikanten. Selbst Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern eine Vergütung weit über dem Mindestlohn zahlen, vergüten Praktikanten wohl jedenfalls nicht mit einer Unterhaltsbeihilfe von über 8,50 € pro Stunde.
1. Wer ist Praktikant nach dem MiLoG?
Der Gesetzgeber hat den Praktikantenbegriff ausdrücklich in § 22 Abs. 1 S. 3 MiLoG definiert. Dort heißt es:
„Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.“
Mit dieser Definition hat sich der Gesetzgeber dem Begriffsverständnis des Bundesarbeitsgerichts für Praktikanten angeschlossen (vgl. BAG, Urteil v. 13.03.2003 – 6 AZR 564/09). Damit ergeben sich durch das MiLoG keine Änderungen hinsichtlich der Voraussetzung für die Einordnung eines Beschäftigungsverhältnisses als Praktikum.
Der Arbeitgeber muss auch zukünftig folgende allgemeine Kriterien berücksichtigen, wenn er einen Praktikanten beschäftigen möchte:
– der Ausbildungszweck tritt vor den Arbeitszweck;
– das Beschäftigungsverhältnis ist keine anerkannte Berufsausbildung (§ 1 Abs. 2 BBiG);
– die Beschäftigung ist von vorübergehender Dauer;
– der Ausbilder verfolgt gezielte eine Teilausbildung des Beschäftigten.
2. Abgrenzung Praktikanten von Arbeitnehmern
Der Anspruch eines Beschäftigten auf Mindestlohn hängt im Wesentlichen davon ab, ob das Beschäftigungsverhältnis als Praktikantenverhältnis nach § 26 BBiG oder als Arbeitsverhältnis zu klassifizieren ist. Die Rechtsprechung bestimmt bei einer solchen Abgrenzung das jeweilige Beschäftigungsverhältnis anhand seines Leistungszwecks (BAG, Urteil v. 13.03.2003 – 6 AZR 564/01). Der Arbeitgeber muss sich danach folgende entscheidende Frage stellen: „Handelt es sich um echte Arbeit, die aus Sicht des Arbeitgebers zu einem wirtschaftlichen Nutzen führt, oder ist das Arbeitsergebnis lediglich ein Reflex der Ausbildung?“
Bei der Beantwortung dieser Fragen legt die Rechtsprechung objektive Indizien zur Bestimmung des Leistungszwecks zugrunde.
Für ein Arbeitsverhältnis sprechen folgende Indizien:
– Dauer und Art der Tätigkeit
– Verantwortung des Beschäftigten für das Arbeitsergebnis
– bereits in der Vertragsurkunde dokumentierte Pflicht zur Mehrarbeit
– eine Vertretungstätigkeit und/oder Vertretungsberechtigung für Arbeitnehmer
– der Beschäftigte besetzt lediglich einen Arbeitsplatz und ist nur mit einem Aufgabenprozess beschäftigt
– der Beschäftigte hat ein Kommunikationsrecht nach außen
Für ein Praktikantenverhältnis sprechen folgende Indizien:
– der Beschäftigte erhält Einsicht in verschiedene Tätigkeitsfelder des Betriebs
– die Arbeitsergebnisse werden vom Arbeitgeber kontrolliert
– dem Beschäftigten wird ein Ausbilder während der Beschäftigungsdauer zugeordnet, der die Arbeitsergebnisse mit ihm bespricht
– der Beschäftigte hat kein festes Arbeitspensum sowie keine starren Arbeitszeiten
Hinweis für die Praxis:
Wenn Sie die Beschäftigung eines Praktikanten wünschen, sollten Sie bereits in der Stellenausschreibung auf den Lernzweck in dem Beschäftigungsverhältnis hinweisen und gleichzeitig auf eine Wortwahl verzichten, die einen Anhaltspunkt für ein Überwiegen des Arbeitszwecks und damit für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses liefert. Die Stellenausschreibung sollte bspw. nicht enthalten, dass der Beschäftigte „eigenverantwortlich und selbständig Aufgabe XY wahrnehmen wird“.
3. Differenzierung zwischen Pflichtpraktikum und freiwilligem Praktikum
Nur freiwillige Praktika eröffnen den Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes. Pflichtpraktika können heute und auch zukünftig vergütungsfrei mit den Bewerbern vereinbart werden. Ein Pflichtpraktikum liegt vor, wenn der Beschäftigte ein solches aufgrund seiner Prüfungs- oder Hochschulordnung benötigt, also das Praktikum eine zwingende Voraussetzung für das Hochschulstudium darstellt. In einem solchen Fall liegt weder ein Praktikumsverhältnis im Sinne des MiLoG noch ein Arbeitsverhältnis vor. Pflichtpraktikanten begründen bei einem Pflichtpraktikum ein Sonderstatusverhältnis nach dem öffentlichen Recht mit der Folge, dass weder das Arbeitsrecht noch das Berufsausbildungsrecht Anwendung findet.
4. Ausnahmen von der Mindestlohnpflicht bei freiwilligen Praktika
Das Mindestlohngesetz regelt in § 22 Abs. 2 Nr. 1 – 4 MiLoG die Ausnahmen, wonach trotz eines freiwilligen Praktikums die Mindestlohnpflicht nicht gilt.
§ 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG stellt klar, dass Pflichtpraktika aufgrund (Hoch-) schulrechtlicher Bestimmungen oder Ausbildungsordnungen nicht vom Mindestlohngesetz erfasst sind. Der Gesetzgeber stellt klar, dass Hochschulpraktika bereits wegen ihres Sonderstatusverhältnisses (s.o) keine Praktika im bildungsrechtlichen Sinne sind und damit von der Mindestlohnpflicht auszuschließen seien.
Nach § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und Nr. 3 MiLoG schließt der Gesetzgeber eine Mindestlohnpflicht für Orientierungspraktika bis zu einer Dauer von drei Monaten vom Mindestlohn aus. Vereinbaren die Parteien ein Praktikum dieser Art für länger als drei Monate, kann der Arbeitgeber jedenfalls die ersten drei Monate als MiLoG-freien Stundensatz abrechnen und muss nur für die Monate danach Mindestlohn zahlen.
Nach § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 MiLoG sind solche Praktikantenverhältnisse vom Mindestlohn ausgeschlossen, die eine Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III oder eine Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 – 70 BBiG darstellen. Dies sind insbesondere Praktikumsverhältnisse für sozial benachteiligte Personen, für die das Praktikum ein erster Schritt für den Erwerb einer beruflichen Handlungsfähigkeit darstellt.
5. Risiko bei einem Verstoß gegen die Mindestlohnpflicht
Das Mindestlohngesetz kennt einen umfassenden Ordnungswidrigkeitskatalog mit Bußgeldern bis zu 500.000,00 €. Zudem können Unternehmen, die gegen das MiLoG verstoßen, von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden (§ 19 MiLoG).
Im Hinblick auf das einzelne Beschäftigungsverhältnis kann ein Praktikant seinen Anspruch auf eine angemessene Vergütung nach § 17 BBiG durchsetzen. Handelt es sich um ein „Scheinpraktikum“ (s. dazu 2.) und zahlt der Unternehmer bisher keine Vergütung, droht ihm ein Zahlungsanspruch nach § 612 Abs. 2 BGB. Danach hätte der Beschäftigte einen Anspruch auf eine Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer (nicht Praktikanten) im selben Gewerbezweig.
6. Fazit
Jedenfalls bei Praktikumsverhältnissen zwingt das Mindestlohngesetz den Arbeitgeber zu einer Überprüfung seiner Entgeltpolitik. Durch den Sanktionscharakter des MiLoG erhöht sich nun das Risiko des Arbeitgebers bei der mindestlohnwidrigen Beschäftigung von (Schein-)Praktikanten.
Es bleibt abzuwarten, wann genau die Zollbehörden (Kontrollbehörde für Verstöße gegen das MiLoG) die Überprüfung von Praktikantenverhältnissen im Hinblick auf die ordnungsgemäße Vergütung in ihr Visier nehmen wird. Eine regelmäßige Kontrolle ist bei einer personellen Aufstockung von über 1.600 Mitarbeitern allein für den Bereich Mindestlohn wohl aber eher zeitnah zu vermuten.
Auszeichnungen
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