01.06.2015 -

Eine Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen kann die ordentliche personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Wie verhält es sich aber bei unkündbaren Mitarbeitern? Kann hier dennoch wegen häufiger Kurzerkrankungen sogar außerordentlich gekündigt werden? Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung diese Fragen beantwortet und der betrieblichen Praxis wertvolle Hinweise für die Zulässigkeitsvoraussetzungen an die Hand gegeben (23.01.2014 – 2 AZR 582/13). Wir möchten die wichtige Entscheidung hier im Einzelnen vorstellen.

Der Fall:

Die im Jahre 1959 geborene Klägerin ist seit dem Jahre 1981 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Sie ist aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich unkündbar. Sie ist überwiegend als Hilfsgärtnerin tätig. Der Arbeitgeber betreibt Friedhöfe. Es besteht ein Personalrat.

Seit dem Jahr 2000 war die Klägerin wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Sie stellte sich mehrfach beim Personalärztlichen Dienst der Stadt vor. Dieser attestierte ihr jeweils eine positive Prognose. Die Parteien führten zudem zahlreiche Krankengespräche. Im Oktober 2011 wurde unter Beteiligung des Personalrats ein Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement durchgeführt (BEM).

Im Januar 2012 beantragte der Arbeitgeber beim Personalrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist. Nach Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens und Ersetzung der Zustimmung des Personalrats kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sozialer Auslauffrist am 28. März 2012 zum 30. September 2012.

Dagegen hat die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat gemeint, die Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte habe bereits die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Auch sei ein wichtiger Grund nicht gegeben.

Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundearbeitsgericht die Kündigung ebenfalls für unwirksam erachtet.

I. Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist

Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist einzuhalten. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt regelmäßig, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht. Uneingeschränkt gilt dies bei in der Vergangenheit liegenden, vollständig abgeschlossenen Kündigungssachverhalten.

Bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB hingegen nicht eindeutig fixieren. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren.

Im Fall einer langandauernden – durchgehenden – Arbeitsunfähigkeit liegt ein solcher Dauertatbestand vor. Der Kündigungsgrund entsteht fortlaufend neu. Der Beginn der Frist ist deshalb nicht eindeutig zu fixieren.

II. Häufige Kurzerkrankungen als Dauertatbestand?

Bei häufigen Kurzerkrankungen ist ein Dauertatbestand ebenfalls nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts zu bejahen. Der Kündigungsgrund ist dabei die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen.

Der Dauertatbestand beginnt in dem Zeitpunkt, zu welchem die bis dahin aufgetretenen Kurzerkrankungen einen solchen Schluss zum ersten Mal zulassen. Er endet in dem Zeitpunkt, zu welchem die zurückliegenden Kurzerkrankungen zum ersten Mal eine entsprechende negative Prognose nicht mehr stützen.

Hinweis für die Praxis:

Das Ende des Dauertatbestandes tritt folglich nicht schon mit dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit ein, an die sich ein entsprechend langer Zeitraum ohne Ausfälle anschließt. Vielmehr beginnt die Frist erst dann zu laufen, wenn von dauerhafter und durchgehender Krankheitsunfähigkeit nicht mehr die Rede sein kann. Dies hängt von der Würdigung des Einzelfalles ab.

III. Häufige Kurzerkrankungen als wichtiger Grund?

Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit kann ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein. Eine außerordentliche Kündigung kommt aber nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarung ausgeschlossen ist.

Die für eine ordentliche Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankung geltenden Voraussetzungen sind aber auf die außerordentliche Kündigung nicht ohne weiteres zu übertragen. Vielmehr ist der Prüfungsmaßstab auf allen drei Stufen erheblich strenger! Er muss den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind. Die prognostizierten Fehlzeiten und die sich aus ihnen ergebende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen müssen deutlich über das Maß hinausgehen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermöchte. Es bedarf eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Ein solches ist gegeben, wenn zu erwarten steht, dass der Arbeitgeber bei Fortzahlung des Arbeitsverhältnisses – ggf. über Jahre hinweg – erhebliche Entgeltzahlungen zu erbringen hätte, ohne dass dem eine nennenswerte Arbeitsleistung gegenüberstände.

Auch können Häufigkeit und Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten im Einzelfall dazu führen, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll und verlässlich geplant werden kann und dieser damit zur Förderung des Betriebszwecks faktisch nicht mehr beiträgt. Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen „sinnentleertenArbeitsverhältnisses kann dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers unzumutbar sein.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht hat dabei wertvolle Hinweise für diesen strengen Maßstab ausgeführt. Ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis ist immer dann nicht anzunehmen, wenn der Mitarbeiter jedenfalls noch zu fast 2/3 der Jahresarbeitszeit arbeitsfähig war. Dann könne er noch den weitaus größeren Teil des Jahres sinnvoll eingesetzt werden. Zwar verbieten sich hier feste Zahlengrößen. Das Bundesarbeitsgericht prüft immer am Einzelfall. Dennoch wird man einen wichtigen Grund nur dann annehmen können, wenn der Arbeitnehmer den überwiegenden Teil des Jahres nicht mehr eingesetzt werden kann, also bei mehr als 50 % Fehlquote.

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass auch eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist bei häufigen Kurzerkrankungen möglich ist. Dies gilt aber nur dann, wenn die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Im Übrigen muss ein deutlich strengerer Prüfungsmaßstab als bei der ordentlichen Kündigung angelegt werden. Nur bei einem gravierenden Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann ein unkündbarer Arbeitnehmer wegen häufiger Kurzerkrankungen gekündigt werden. Voraussetzung ist ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis und eine erhebliche Fehlquote in Höhe von mehr als 50 % der Jahresarbeitszeit.

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