10.08.2015 -

Betriebsratsmitglieder haben bekanntlich Anspruch auf Schulungen. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu bereits eine differenzierte Rechtsprechung in den vergangenen Jahren entwickelt. In einem aktuellen Fall hatte der zuständige 7. Senat nunmehr zu entscheiden, ob ein Betriebsrat als Mitglied einer Einigungsstelle sich von den weiteren Mitgliedern dieser Einigungsstelle zum Thema der Einigungsstelle schulen lassen darf und ob insbesondere der Arbeitgeber die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten tragen muss (BAG, Beschluss v. 20.08.2014 – 7 ABR 64/12). Die Entscheidung betrifft zunächst einen speziellen Einzelfall, hat aber durchaus generelle Aussagekraft. Wir möchten daher die wesentlichen Aussagen des Beschlusses hier besprechen.

Der Fall:

Die beteiligte Arbeitgeberin ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Sie unterhält 38 Betriebe, in denen die Beschäftigten im Wesentlichen Bildschirmarbeit leisten. Der beteiligte Betriebsrat am Standort H. besteht aus sieben Mitgliedern.

Seit April 2009 war im Betrieb H. eine Einigungsstelle mit drei Beisitzern je Seite zum Thema „Gefährdungsbeurteilung“ gebildet, die sich mit der Vereinbarung der Methoden für die anstehenden Gefährdungsbeurteilungen befasste. Der Betriebsrat entsandte in die Einigungsstelle das Betriebsratsmitglied S., die langjährig Mitglied des Arbeitsschutzausschusses und Mitglied einer Arbeitsgruppe war, die sich mit den verschiedenen Verfahren der Gefährdungsbeurteilung befasste. Als externe Beisitzer entsandte der Betriebsrat eine Sachverständige und einen Rechtsanwalt in die Einigungsstelle.

Auf seiner Sitzung vom 31. August 2010 fasste der Betriebsrat den Beschluss über die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds S. an dem Aufbauseminar „Verfahren für die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz“. Referenten dieser Schulung waren genau die beiden weiteren Beisitzer der Einigungsstelle, also die Sachverständige Frau M. und der Rechtsanwalt.

Für die Seminarteilnahme wurde dem Betriebsrat ein Betrag in Höhe von 1.654,10 € in Rechnung gestellt. Die Arbeitgeberin lehnte die vom Betriebsrat begehrte Kostenübernahme ab. Sie hat gemeint, dass die Schulungsteilnahme für die Tätigkeit in der Einigungsstelle nicht erforderlich gewesen sei, da der Bedarf an Fachwissen in der Einigungsstelle bereits durch die vom Betriebsrat benannten externen Beisitzer gedeckt sei. Auch ermögliche die in Anspruch genommene Schulung aufgrund der Personenidentität zwischen externen Beisitzern und Schulungsreferenten keine kritische Auseinandersetzung mit den Leistungen der Einigungsstelle.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats, ihn von Schulungskosten freizustellen, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat hingegen im Beschwerdeverfahren dem Antrag entsprochen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Antrag des Betriebsrats abgewiesen.

I. Konkreter Schulungsbedarf

Das Bundesarbeitsgericht unterscheidet bei Schulungen zwischen der Vermittlung sogenannter Grundkenntnisse und anderen Schulungsveranstaltungen. Bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern braucht die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt zu werden, wenn Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherheit und Unfallverhütung vermittelt werden. Durch die Vermittlung von Grundwissen soll das Betriebsratsmitglied erst in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen.

Für andere Schulungsveranstaltungen muss hingegen ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann.

Hinweis für die Praxis:

Die Übernahme von Schulungskosten sollte bei der Vermittlung von Grundkenntnissen niemals abgelehnt werden. In solchen Fällen sprechen die Arbeitsgerichte einen Schulungsanspruch regelmäßig zu. Bei Spezialseminaren sollte hingegen näher geprüft werden. Im Einzelfall sollte man sich die Erforderlichkeit vom Betriebsrat näher erläutern lassen.

II. Beurteilungsspielraum des Betriebsrats

Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu. Das entbindet ihn jedoch nicht von der Obliegenheit, im Streitfall darzulegen, weshalb das zu der Schulung entsandte Betriebsratsmitglied die dort vermittelten Kenntnisse braucht, damit das Gremium des Betriebsrats seine gesetzlichen Aufgaben sach- und fachgerecht wahrnehmen kann. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung ist nicht erforderlich, wenn sich der Betriebsrat vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann.  

III. Kein Schulungsanspruch als Beisitzer in der Einigungsstelle

Das Bundesarbeitsgericht hat weiter klargestellt, dass die Erforderlichkeit der Schulung nicht mit der Tätigkeit des Betriebsratsmitglieds in der Einigungsstelle begründet werden kann. Die Tätigkeit als Beisitzer in der Einigungsstelle gehört nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats und seiner Mitglieder. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Einigungsstelle eine betriebsverfassungsrechtliche Institution eigener Art ist. Es besteht keine Amtspflicht von Betriebsratsmitgliedern, als Beisitzer in einer Einigungsstelle tätig zu werden. Daher finden die Schulungsregeln des § 37 Abs. 6 BetrVG für die Beisitzer der Einigungsstelle keine Anwendung. Bei der Auswahlentscheidung für die Beisitzer ist es den Betriebsparteien verwehrt, Personen als Beisitzer zu benennen, die hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Erfahrungen offensichtlich ungeeignet sind, über die in der Einigungsstelle zugrunde liegende Regelungsmaterie zu entscheiden. Aus diesem Grund ist die Befugnis zur Bestellung von Beisitzern auch nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Es steht den Betriebsparteien frei, externe Beisitzer zu benennen. Über die externen Beisitzer können auch notwendige Spezialkenntnisse in die Einigungsstelle geholt werden. Damit ist sichergestellt, dass in der Einigungsstelle das erforderliche Fachwissen vorhanden ist.

IV. Erforderlichkeit zur Wissensvermittlung in den Betriebsrat

Die Erforderlichkeit der Schulung kann im vorliegenden Fall auch nicht damit begründet werden, der Betriebsrat müsse sich mit den Vorschlägen der Einigungsstelle in eigener Kompetenz auseinandersetzen können. Zwar ist ein solches Anliegen des Betriebsrats grundsätzlich berechtigt. Die Schulung eines in die Einigungsstelle entsandten Betriebsratsmitglieds gerade bei den vom Betriebsrat ebenfalls in die Einigungsstelle entsandten externen Einigungsstellenbeisitzern ist hierzu aber ungeeignet. Hierdurch kann der Zweck, eine kritische und unabhängige Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Einigungsstelle zu ermöglichen, nicht erreicht werden. Wegen dieser Personenidentität scheidet eine erforderliche Schulung aus.

Fazit:

Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die Mitglieder der Einigungsstelle müssen in eigener Person das notwendige Fachwissen vorweisen können. Nur diese Kompetenz rechtfertigt ihren Status als Beisitzer der Einigungsstelle. Die Mitglieder der Einigungsstelle können darüber hinaus nicht gleichzeitig weitere Mitglieder der Einigungsstelle schulen. Bei Personenidentität scheidet ein Schulungsanspruch aus. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber nicht zur Kostentragung verpflichtet.

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