Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 16. Juni 2015 – II ZR 384/13 – eine für das Konzernrecht von GmbHs grundlegende Entscheidung getroffen: Ein Unternehmensvertrag (Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrag; Ergebnisabführungsvertrag – „EAV“) mit einer abhängigen GmbH kann nur zum Ende eines Geschäftsjahres oder des „sonst vertraglich“ bestimmten Zeitraumes aufgehoben werden. Zu einer anderen – ebenso bedeutsamen Frage des Konzernrechts – hat sich der BGH bedauerlicherweise nicht eindeutig geäußert: Stellt die Veräußerung der Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft einen außerordentlichen Kündigungsgrund der herrschenden Gesellschaft dar?
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft („Schuldnerin“). Die Beklagte war die Alleingesellschafterin der Schuldnerin. Die Gesellschaften hatten einen Ergebnisabführungsvertrag vereinbart, der auf den 31. Dezember 2000 befristet war. Am 10. April 2000 übertrug die Beklagte (die herrschende Gesellschaft) ihre Anteile an der Schuldnerin auf eine RO Ltd. Sowohl die Beklagte als auch die RO Ltd. gehörten zum gleichen Gesamtkonzern. Am 25. April 2000 vereinbarte die Schuldnerin sowie die Beklagte eine Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrages mit sofortiger Wirkung, welche die RO Ltd. mit Beschluss vom 27. April 2000 zustimmte. Am 6. Juli 2000 wurde die Aufhebung in das Handelsregister eingetragen. Zum 31. Dezember 2000 wies die Schuldnerin einen Jahresfehlbetrag von 86.925.472,48 € aus. Der Kläger errechnete zum 27. April 2000 – dem Tag der Zustimmung der RO Ltd. zu der Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrages – einen Jahresfehlbetrag der Schuldnerin in Höhe von 128.190.320,56 €.
Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 86.925.472,48 € zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe. Im Übrigen wies das Landgericht die Klage ab. Weder die Berufungen noch die nachfolgenden Revisionen beider Parteien hatten Erfolg.
Der BGH hatte in dieser Entscheidung verschiedene Rechtsfragen zu klären. Wesentlich war vorab die Frage, ob die Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrages zum 25. April 2000 wirksam war. Gemäß § 296 Abs. 1 S. 1 AktG kann ein Unternehmensvertrag mit einer Aktiengesellschaft als abhängigem Unternehmen nur zum Ende eines Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden. Bei einer Aktiengesellschaft soll verhindert werden, dass ein Unternehmensvertrag zu einem gewillkürten Zeitpunkt innerhalb des Jahres aufgehoben wird. Sowohl im Interesse etwaiger Minderheitsaktionäre als auch außenstehenden Gläubiger soll eine Aufhebung grundsätzlich nur zum Ende des Geschäftsjahres möglich sein. Zu diesem Zeitpunkt wird der Jahresabschluss erstellt und auch geprüft. Eine unterjährige Aufhebung eines Unternehmensvertrages soll nur in Ausnahmefällen möglich sein. Anerkannt sind die Insolvenz einer Vertragspartei sowie die außerordentliche Kündigung. Es ist seit Jahrzehnten umstritten, ob diese Regelung im AktG auch für eine GmbH als abhängige Gesellschaft gilt. Der BGH hat diese Frage nunmehr entschieden. Die aktienrechtliche Regelung gilt auch für eine GmbH als abhängige Gesellschaft. Die Vertragsfreiheit der Parteien soll auch in einem GmbH-Konzern insoweit eingeschränkt sein, dass eine Aufhebung eines Ergebnisabführungsvertrages grundsätzlich nur zum Ende eines Geschäftsjahres möglich ist. Die für die Aktiengesellschaft anerkannten Ausnahmen – Insolvenz und außerordentliche Kündigung – gelten entsprechend für die GmbH als abhängige Gesellschaft.
Die Parteien des Unternehmensvertrages hätten nach Meinung des BGH eine unterjährige Aufhebung des Unternehmensvertrages erreichen können, wenn die abhängige Gesellschaft ihr Geschäftsjahr verändert hätte. Die abhängige Gesellschaft hätte in diesem Fall ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet. Dies hätte mit dem Zeitpunkt der Aufhebung des Unternehmensvertrages abgestimmt werden können. Bei einer solchen Gestaltung hätte ein „vertraglich bestimmter Abrechnungszeitraum“ gemäß § 296 Abs. 1 S. 1 AktG vorgelegen, der eine Aufhebung zum Ende des „Abrechnungszeitraumes“ ermöglicht hätte.
Nicht geklärt ist (bedauerlicherweise) weiterhin die Frage, ob die Veräußerung der Geschäftsanteile an der abhängigen Gesellschaft (hier der Schuldnerin) eine fristlose Kündigung des Unternehmensvertrages rechtfertigt. Der BGH erörterte diese Frage im Zusammenhang mit einer möglichen Umdeutung des Aufhebungsvertrages in eine fristlose Kündigung der Beklagten. In dem konkreten Fall konnte der BGH offen lassen, ob die Veräußerung von Anteilen an der abhängigen Gesellschaft einen fristlosen Kündigungsgrund darstellt. Nach Auffassung des BGH stellt die Veräußerung der Geschäftsanteile an der abhängigen Gesellschaft jedenfalls dann keinen fristlosen Kündigungsgrund dar, wenn der Käufer zu dem Gesamtkonzern der herrschenden sowie der abhängigen Gesellschaft gehört. Dies war im Streitfall gegeben.
Fazit:
Für die Praxis steht mit dieser Entscheidung fest, dass auch in einem GmbH-Vertragskonzern ein Ergebnisabführungsvertrag grundsätzlich nur zum Ende des Kalenderjahres aufgehoben werden kann. Wünschen die Parteien eine unterjährige Aufhebung, muss das Geschäftsjahr der abhängigen Gesellschaft geändert und ein Rumpfgeschäftsjahr zum Aufhebungszeitpunkt gebildet werden. Die Aufhebung kann dann zum Ende des Rumpfgeschäftsjahres erfolgen. Die mit der Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres einhergehenden weiteren Kosten, insbesondere für die Erstellung des Jahresabschlusses des Rumpfgeschäftsjahres, sollten beachtet werden. Der Besprechungsfall zeigt, dass diese Kosten nicht ins Gewicht fallen, wenn die abhängige Gesellschaft ein Millionengrab ist.
Bei der Frage einer fristlosen Kündigung wegen Veräußerung der Geschäftsanteile ist die Rechtslage nach der Entscheidung leider genauso unklar wie zuvor. Aus den Entscheidungsgründen lässt sich noch nicht einmal eine Andeutung ablesen, wie sich der Senat positioniert. Als Gestaltungsmittel fällt daher die Übertragung der Geschäftsanteile mit anschließender fristloser Kündigung des Unternehmensvertrages weiterhin aus.
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