14.02.2016 -

Der Arbeitgeber hat bekanntlich nach § 40 Abs. 1 BetrVG die Kosten der Betriebsratstätigkeit zu übernehmen. Dazu gehören auch anwaltliche Beratungen. Immer wieder kommt es aber zu Streit über die Höhe der Erstattungsansprüche und insbesondere die Frage, ob der Betriebsrat berechtigt ist, mit dem beauftragten Rechtsanwalt eine Honorarabrede zu treffen. Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Fragestellung bereits verschiedentlich befasst und im Grundsatz entschieden, dass eine Erstattungspflicht nur im Rahmen der gesetzlichen Gebühren nach den Streitwerttabellen in Frage kommt und der Betriebsrat nicht berechtigt ist, Honorarvereinbarungen auf Stundenbasis zu treffen. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat dies in einem aktuellen Beschluss anders entschieden (LAG Niedersachsen, Beschluss v. 14.10.2014 – 11 TaBV 51/14). Das Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung und soll daher hier besprochen werden.

Der Fall:

Der Gesamtbetriebsrat streitet mit dem Arbeitgeber um die Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die aus Anlass außergerichtlicher Verhandlungen des Arbeitgebers mit dem Gesamtbetriebsrat über umfangreiche betriebliche Umstrukturierungsmaßnahmen entstanden sind.

Der Arbeitgeber gehört einem bundesweit tätigen Konzern an. Der Gesamtbetriebsrat besteht aus acht Mitgliedern.

Der Anwalt des Gesamtbetriebsrats vertritt diesen bereits seit mehreren Jahren. Schon im Jahre 2009 hatten Verhandlungen über eine Betriebsänderung stattgefunden. In diesem Zusammenhang war der Arbeitgeber mit einer Abrechnung des Betriebsratsanwalts von 290,00 € netto je Stunde anwaltlicher Tätigkeit sowie 75,00 € netto je Reisestunde einverstanden.

Im Jahre 2012 kam es erneut zu einer umfangreichen Umstrukturierung. Der Gesamtbetriebsrat vereinbarte mit seinem bereits bekannten Rechtsanwalt erneut eine Abrechnung nach Stunden in Höhe von 290,00 € je Tätigkeitsstunde und 100,00 € je Reisestunde zuzüglich Reiseauslagen.

Der Arbeitgeber verhandelte zunächst mit der IG Metall über einen Tarifsozialplan. Letztlich kam dieser aber nicht zu Stande, auch weil die IG Metall nicht für alle Standorte zuständig war. Schließlich vereinbarten der Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeber unter Beratung des Betriebsratsanwalts insgesamt vier Betriebsvereinbarungen, einen „Sozialplan Zukunftssicherung“, eine „Freiwillige Betriebsvereinbarung im Projekt Zukunftssicherung“, eine „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich Zukunftssicherung“ und eine „Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien bei betriebsbedingten Kündigungen“.

Der Betriebsratsanwalt erstellte daraufhin seine Abrechnung über insgesamt 90,55 Arbeitsstunden, 30,5 Reisestunden und sonstige Reiseauslagen sowie Spesen. Die Rechnung belief sich insgesamt auf 35.996,40 €.

Der Arbeitgeber lehnte die Bezahlung ab. Daraufhin erstellte der Rechtsanwalt eine alternative  Berechnung auf Basis von Gegenstandswerten für die vier Betriebsvereinbarungen. Hieraus resultierte dann eine Ersatzrechnung über 382.774,49 €.

Der Gesamtbetriebsrat beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht, ihn in Höhe der ersten Rechnung über 35.996,40 € von den Kosten freizustellen.

Das Arbeitsgericht Celle hat daraufhin den Arbeitgeber verpflichtet, den Gesamtbetriebsrat von Kostenansprüchen des Rechtsanwalts in Höhe von 13.126,89 € freizustellen. Dieser Betrag berechne sich aus der gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts nach dem Gegenstandswert. Das Arbeitsgericht hat insoweit für je fünf Arbeitnehmer den Regelwert des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG in Höhe der damals geltenden Fassung von 4.000,00 € angesetzt. Insgesamt errechnete es daraus einen Gegenstandswert von 532.000,00 € und hieraus resultierend Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 11.011,00 € netto zuzüglich Kostenpauschale und Mehrwertsteuer.

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht den Arbeitgeber verpflichtet, auch die restlichen Kosten in Höhe der Stundensatzrechnung voll zu übernehmen, zuzüglich Reise- und Übernachtungskosten.

I. Besonders gelagerter Fall

Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, dass vorliegend nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ein besonders gelagerter Ausnahmefall vorgelegen habe, der die Zusage eines Stundenhonorars zuließ. Die Besonderheiten folgten nicht nur aus einem einzelnen Gesichtspunkt heraus, sondern aus der Summe rechtlich unterschiedlicher Gesichtspunkte, die untereinander in Wechselwirkung stünden.

So unterhielt der Arbeitgeber zu Beginn der Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat an vier Standorten in vier Bundesländern Betriebe. Ein Standort wurde gänzlich geschlossen, an zwei weiteren Standorten erhebliche Personalreduzierungen vorgenommen und die verbleibenden Beschäftigten teilweise zwischen den verbleibenden Standorten versetzt. Von den ursprünglich mehr als 1.000 Beschäftigten war letztlich mehr als jeder zweite von einer personellen Einzelmaßnahme betroffen. Dieses unternehmerische Vorhaben einer umfassenden Restrukturierung wies unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten, so das Landesarbeitsgericht, ein hohes Maß an Komplexität der Fragestellungen auf. Dies drückte sich schon betriebsverfassungsrechtlich in der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats aus, der nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 50 BetrVG überhaupt verhandlungszuständig ist.

Angesichts dieser besonderen fachlichen Anforderungen dürfte der Gesamtbetriebsrat nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts berechtigt seine Vertretung einem Anwaltsbüro übertragen, das für die Vertretung von Belangen der Arbeitnehmer und Betriebsräte als überdurchschnittlich qualifiziert bekannt war. Auch der zwischenzeitliche Versuch, mit der IG Metall über einen Tarifsozialplan zu verhandeln, hat die fachlichen Anforderungen für die Verhandlungen des Gesamtbetriebsrats erhöht.

Das Landesarbeitsgericht weist weiter darauf hin, dass es üblich und bekannt sei, dass Rechtsanwaltsbüros, die in einem Spezialgebiet über besondere Expertise verfügen, auf der Grundlage von Stundenhonoraren tätig werden. So seien in der Rechtsprechung und in der Kommentarliteratur Stundenhonorare zwischen 200,00,00 € und sogar 500,00 € als nicht unangemessen bezeichnet. Im vorliegenden Fall hätte der Arbeitgeber selbst vorgetragen, dass der Arbeitgeberanwalt ebenfalls mit Stundensatz abgerechnet habe.

Schließlich komme der Tatsache, dass der Betriebsratsanwalt schon im Jahre 2009 mit Einverständnis des Arbeitgebers zu Stundensätzen tätig geworden sei, erhebliche Aussagekraft zu. Wenn nämlich im Konzern bei gebotener Sachlage die Abrechnung auf Stundenbasis durchaus üblich sei, dürfte der Gesamtbetriebsrat berechtigt einen entsprechenden Beschluss im vorliegenden Fall für vertretbar halten. Der Beschluss des Gesamtbetriebsrats sei daher erforderlich und der Arbeitgeber habe die Kosten zu tragen.

II. Schwierigkeiten der Vergütungsbemessung nach Gegenstandswert

Die Bemessung von Gegenstandswerten ist im Betriebsverfassungsgesetz besonders schwierig. Das Bundesarbeitsgericht hat auf diesen Aspekt schon im Jahre 1989 hingewiesen. Der vorliegende Fall bestätigt dies. Die „Schwankungsbreite“ einer angemessenen Wertfestsetzung ist bei außergerichtlichen Verhandlungen erheblich.

Die Festlegung von Stundensätzen bietet demgegenüber sowohl den beauftragten Rechtsanwälten als auch den kostentragenden Arbeitgebern Transparenz und Rechtssicherheit. Zwar ist es richtig, dass bei einer Abrechnung nach Stundensätzen die endgültige Höhe des Honorars nicht zuverlässig einschätzbar ist. Der Zeitaufwand wird aber auch maßgeblich beeinflusst durch die vom Unternehmen verfolgten Verhandlungsgegenstände. Wenn sich aus der Kompliziertheit der Verhandlungen aber ein entsprechender Zeitaufwand ergibt, so ist es auch als angemessen zu bewerten, dies in der Honorierung des Rechtsanwalts abzubilden.

Aber: Der Betriebsrat hat bei seiner Beurteilung im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens auch die Kostenbelastung des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall handelte es sich um ein umfangreiches Umstrukturierungsprogramm in der Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages. Auch vor diesem Hintergrund war die Vereinbarung eines Stundenhonorars mit einem Spezialanwalt im Betriebsverfassungsrecht nicht unverhältnismäßig.

Fazit:

Komplizierte Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen sind nur mit betriebsverfassungsrechtlichem Know How möglich. Der Betriebsrat benötigt hierzu – wie die Arbeitgeberseite – einen Spezialanwalt. Nur auf Augenhöhe sind angemessene und ausgewogene Verhandlungen möglich und können auch im Arbeitgeberinteresse zu einem Abschluss gebracht werden. Zu Beginn der Verhandlungen sollten daher die Honorarfragen abschließend und einvernehmlich abgestimmt und geklärt werden. Es ist nicht sinnvoll, im Nachhinein hierüber Rechtsstreite zu führen. Dies kann auch zukünftige Verhandlungen erheblich belasten. Die Vereinbarung eines Stundenhonorars ist aus unserer Sicht für den kostentragenden Arbeitgeber transparent und bietet die nötige Rechtssicherheit. Zudem kann bei umfangreichen Umstrukturierungsmaßnahmen eine Abrechnung nach Gegenstandswerten zu erheblich höheren Kostenrechnungen führen. Soweit daher nur nach Gegenstandswert abgerechnet werden soll, ist es sinnvoll, sich ebenfalls im Vorhinein auf einen festgelegten Gegenstandswert zu verständigen, um späteren Streit über diese Frage zu vermeiden. Den Betriebspartnern ist daher zu empfehlen, sich über die Frage der Honorierung zu Beginn Gedanken zu machen und alle Punkte anzusprechen und zu regeln.

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