03.05.2018 -

Das Rechtsinstitut der Druckkündigung beinhaltet ein Kündigungsrecht des Arbeitgebers, weil Beschäftigte ihre Arbeit solange niederlegen, bis der Arbeitgeber einem Kündigungsverlangen nachkommt. Wegen dieser besonderen Konstellation sind an eine wirksame Druckkündigung hohe Anforderungen zu stellen. Die Arbeitsgerichte setzen hier strenge Maßstäbe. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung nochmals ausführlich zu den Anforderungen an eine wirksame Druckkündigung Stellung genommen (BAG v. 15.12.2016, 2 AZR 431/15). Die Entscheidung macht deutlich, dass eine wirksame Druckkündigung nur in der Theorie, nicht aber in der Praxis möglich ist. Wir möchten daher die hohen Anforderungen hier übersichtlich darstellen.


Die Anforderungen an eine wirksame Druckkündigung sind hoch: Die Arbeitsgerichte setzen für dieses Rechtsinstrument strenge Maßstäbe.

Der Fall:

Der beklagte Arbeitgeber betreibt ein Containerterminal und beschäftigt etwa 1.000 Arbeitnehmer. Der klagende Arbeitnehmer ist seit November 2007 als Hafenfacharbeiter tätig.

Bereits im Jahre 2011 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen des Verdachts einer vom Kläger außerdienstlich begangenen Straftat des Missbrauchs eines Kindes. Der Kläger wurde wegen dieser Straftat strafrechtlich verurteilt. Nachdem seine Kündigungsschutzklage in 1. Instanz erfolgreich gewesen war, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis im April 2012 erneut, da Mitarbeiter eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt hätten. Die Rechtsunwirksamkeit dieser beiden Kündigungen steht rechtskräftig fest.

Als der Kläger im Juni und Juli 2013 an zwei Tagen zum Arbeitsantritt wieder im Betrieb erschien, weigerten sich Mitarbeiter des Arbeitgebers sowie Arbeitnehmer von auf dem Gelände tätigen Drittfirmen, die Tätigkeit aufzunehmen, solange sich der Kläger auf dem Terminalgelände aufhalte. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. Juli 2013 – nach Anhörung des Betriebsrats – ein weiteres Mal außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht.

Der Arbeitgeber hat beantragt, die Kündigungsschutzklage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, durch die Weigerung der Belegschaft sowie der Mitarbeiter von Drittfirmen, ihre Arbeit aufzunehmen, solange sich der Kläger auf dem Terminalgelände aufhalte, habe er erhebliche wirtschaftliche Schäden erlitten. Er habe sich mehrfach schützend vor den Kläger gestellt. Er sei aber nicht verpflichtet, den Mitarbeitern, die sich weigerten, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, Abmahnungen oder gar Kündigungen auszusprechen oder ihnen die Gehälter zu kürzen.

Die Vorinstanzen haben die außerordentliche Kündigung für unwirksam, die ordentliche hingegen für wirksam gehalten.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Kündigungen insgesamt für unwirksam erklärt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht fort.

I. Anforderungen an eine echte Druckkündigung

Das ernstliche Verlangen eines Dritten, der unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, kann einen Grund zur Kündigung bilden, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt. Der Arbeitgeber darf aber einem Kündigungsverlangen seitens der Belegschaft oder eines Teils seiner Mitarbeiter nicht ohne weiteres nachgeben. Er hat sich vielmehr schützend vor den Betroffenen zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Diese Pflicht verlangt vom Arbeitgeber ein aktives Handeln, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Nur wenn trotz solcher Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden.

II. Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers

Dem Arbeitgeber stehen bei einer Drohung mit Arbeitsniederlegungen andere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung als bei einer Drohung mit Eigen- oder Auftragskündigungen. Arbeitnehmer, die die Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem unberechtigten Kündigungsverlangen nicht nachkommt, verletzen ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Es ist dem Arbeitgeber stets zumutbar, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwerwiegenden nach Abmahnung ggf. zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und dass ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht. Ein solcher Hinweis ist zur Abwendung des Drucks nicht ungeeignet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Arbeitnehmer schon dadurch veranlasst werden, ihre Weigerungshaltung zu überdenken.

Jedenfalls kann ohne eine entsprechende Klarstellung des Arbeitgebers nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht davon ausgegangen werden, die Mitarbeiter seien zu weiteren Arbeitsniederlegungen selbst um den Preis finanzieller Einbußen und rechtlicher Nachteile für den Bestand ihrer eigenen Arbeitsverhältnisse bereit.

III. Keine Bestärkung der Mitarbeiter zulässig!

Besondere Anforderungen an das dem Arbeitgeber zumutbare Verhalten bestehen zudem dann, wenn der Arbeitgeber bereits unwirksam gekündigt hat und der Arbeitnehmer nach erfolgreichem Kündigungsschutzprozess wieder beschäftigt werden soll. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall gehalten, dem aufgrund der vorausgegangenen Kündigung möglichen subjektiven Eindruck entgegenzuwirken, eine Druckausübung komme ihm „gerade recht“, um doch noch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Andernfalls könnten sich die Mitarbeiter in ihrem Entlassungsverlangen bestärkt fühlen. Der Arbeitgeber muss deshalb auch dem Kündigungsverlangen als solchem entgegentreten. Er muss deutlich machen, dass es für eine Entlassung keinen Grund gibt und dass aus seiner Sicht eine Entlassung ohne das Vorliegen objektiv geeigneter Kündigungsgründe ausgeschlossen ist.

Hinweis für die Praxis:

Diese Obliegenheiten entfallen nicht etwa dann, wenn Anlass für die Druckausübung eine als moralisch besonders verwerflich empfundene Straftat des Arbeitnehmers ist, die jedoch keinerlei Bezug zu seiner dienstlichen Tätigkeit hat. Der Arbeitgeber ist auch in einem solchen Fall gehalten, dem möglichen Eindruck entgegenzuwirken, er habe für das Entlassungsverlangen Verständnis. Gerichtliche Entscheidungen sind zu respektieren. Darauf gestützte Entlassungsverlangen sind daher weder „legitim“ noch gar „objektiv gerechtfertigt“.

Fazit:

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass die Voraussetzungen für eine echte Druckkündigung nur in den seltensten Fällen gegeben sind. Reine Entlassungsverlangen oder die Niederlegung der Arbeit reichen keinesfalls aus. Der Arbeitgeber muss sich schützend vor den Betroffenen stellen und seiner Belegschaft sogar arbeitsrechtliche Sanktionen konkret androhen. Unentschieden ist bislang die Frage, ob der Arbeitgeber die in Aussicht gestellten Maßnahmen sogar tatsächlich umsetzen muss. Vieles spricht allerdings dafür, dass der Arbeitgeber auf entsprechende Entlassungsverlangen jedenfalls mit Abmahnungen reagieren muss, um so die Nachhaltigkeit des Entlassungsverlangens zu prüfen und darzulegen, dass auch arbeitsrechtliche Sanktionen keinen Effekt gehabt hätten. Zu vermeiden ist im Übrigen jedwedes Verständnis für das Entlassungsverlangen. Keinesfalls darf ein Arbeitgeber dem Entlassungsverlangen daher vorschnell nachgeben. Schließlich sind auch mehrere (!) wirtschaftliche Nachteile zu benennen. Auch daran fehlte es vorliegend.

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