Die Mitglieder des Betriebsrats dürfen wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Wie verhält es sich aber bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages und Zahlung einer hohen Abfindung? Oftmals erhalten Betriebsräte im Zuge einer Ausscheidensvereinbarung deutlich höhere Abfindungsbeträge und verbesserte Konditionen, da sie Sonderkündigungsschutz nach §15 KSchG und §103 BetrVG genießen. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu nun für die Praxis verbindlich klargestellt, dass Vergünstigungen wegen des hohen Sonderkündigungsschutzes zulässig sind, sodass auch besonders attraktive finanzielle Konditionen gewährt werden dürfen (BAG v. 21.3.2018, 7 AZR 590/16).
Das BAG hat entschieden, dass die Vertragsfreiheit durch das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG nicht eingeschränkt wird. (Copyright: Anja Götz/stock.adobe.com)
Der Fall:
Der Kläger ist bereits seit 1983 bei dem beklagten Unternehmen beschäftigt und dort seit 1990 Mitglied des Betriebsrats. Seit 2006 war er freigestellter Betriebsratsvorsitzender, zuletzt auch Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats.
Der Arbeitgeber beantragte im Juli 2013 beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Anlass dafür war der (bestrittene) Vorwurf, der Kläger habe zuvor eine für den Betriebsrat tätige Assistentin belästigt und gestalkt. Zudem leitete der Arbeitgeber ein Ausschließungsverfahren nach § 23 BetrVG ein.
Die Parteien schlossen noch im Juli 2013 nach vorausgehenden Verhandlungen außergerichtlich einen Aufhebungsvertrag. Dieser sah eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst über zwei Jahre später zum 31. Dezember 2015 vor. Das monatliche Gehalt sollte bis dahin weitergezahlt werden und der Kläger erhielt zusätzlich eine Abfindung über 120.000,00 Euro netto, zahlbar allerdings schon in zwei Teilen im August 2013 und im März 2014.
Im Anschluss an die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages trat der Kläger vereinbarungsgemäß von all seinen Ämtern zurück. Der Arbeitgeber zahlte die in dem Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung zu den vorzeitig festgelegten Terminen und leistete auch weiterhin die vereinbarte monatliche Vergütung.
Im Juli 2014 erhob der Kläger dann Klage und machte den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2015 hinaus geltend. Er hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei nicht wirksam aufgehoben worden. Der Aufhebungsvertrag sei nach §134 BGB i.V.m. § 78 Satz 2 BetrVG nichtig, weil dieser ihn als Betriebsratsmitglied in unzulässigerweise begünstige. Durch den Aufhebungsvertrag seien Ansprüche begründet worden, die ihm ohne Mandat nicht zugekommen wären. „Goldene Handschläge“ seien im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehen. Unbequeme Betriebsratsmitglieder dürften nicht aus dem Arbeitsverhältnis „herausgekauft“ werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.
Die Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision des Klägers ebenfalls zurückgewiesen.
I. Begünstigungsverbot
Betriebsratsmitglieder dürfen wegen ihrer Betriebsratstätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden, §78 Satz 2 BetrVG. Die Regelung dient der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder.
Eine untersagte Begünstigung ist jede Besserstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht. Sie liegt vor bei jeder Zuwendung eines Vorteils, der ausschließlich wegen der Amtstätigkeit erfolgt. Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungsverbot verstoßen, sind nach §134 BGB nichtig.
II. Begünstigung wegen Sonderkündigungsschutz zulässig
Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages Betriebsratsmitgliedern ebenso wie anderen Arbeitnehmern offensteht. Allein der Sonderkündigungsschutz dürfe nicht dazu führen, dass die Vertragsfreiheit in unzulässigerweise beschränkt werde. Es sei zulässig, dass Betriebsratsmitgliedern wegen des ihnen zustehenden Sonderkündigungsschutzes nach §15 KSchG und §103 BetrVG besonders günstige finanzielle oder sonstige Bedingungen zugestanden werden. Mandatsträger würden wegen des Sonderkündigungsschutzes über eine günstigere Verhandlungsposition als Arbeitnehmer ohne Mandat verfügen. Die Tatsache, dass sich wegen der besonders begünstigenden kündigungsrechtlichen Rechtsstellung die Verhandlungsposition des Betriebsratsmitglieds auf den Inhalt des Aufhebungsvertrages auswirkt, sei Inhalt der gesetzlichen Werteentscheidung. Deshalb könne darin keine unzulässige Begünstigung im Sinne von §78 Satz 2 BetrVG liegen.
Hinweis für die Praxis:
Sehr deutlich und erfreulich klar unterliegen damit die Bedingungen einer Aufhebungsvereinbarung mit einem Betriebsratsmitglied allein der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien. Diese Vertragsfreiheit wird durch das Begünstigungsverbot des §78 Satz 2 BetrVG nicht eingeschränkt.
Fazit:
Das Bundesarbeitsgericht schließt in der sehr knapp begründeten Entscheidung eine Begünstigung kategorisch aus. Der Aufhebungsvertrag wurde allerdings im Zusammenhang mit einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung vereinbart. Die von dem Bundesarbeitsgericht dargelegten Grundsätze greifen aber unabhängig von einem solchen Antrag. Mit Betriebsratsmitgliedern darf daher auch ohne Kündigungsentschluss ein Aufhebungsvertrag mit besonders günstigen finanziellen Konditionen vereinbart werden.
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