23.02.2021 -

Ansprüche aus einem Sozialplan stehen den Arbeitnehmern zu, die dem Betrieb, für den der Sozialplan abgeschlossen wurde, angehören. Problematisch kann es aber werden, wenn der Betrieb durch Betriebsübergang auf einen anderen Betriebsinhaber übergeht. Widerspricht der Arbeitnehmer, geht das Arbeitsverhältnis gerade nicht auf den neuen Betriebsinhaber über und verbleibt beim Betriebsveräußerer. Wie steht es dann aber mit einem Sozialanspruch? Mit dieser praxisrelevanten Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Hamburg nun befasst und klargestellt, dass Regelungen in Sozialplänen die Betriebszugehörigkeit überdauern können (LAG Hamburg v. 13.5.2020, 7 Sa 146/19).


Die Arbeitnehmerin hatte hier Anspruch auf die volle Sozialplanabfindung (Copyright: DOC RABE Media/adobe.stock).

Der Fall (verkürzt)

Die Arbeitnehmerin war bei dem beklagten Arbeitgeber bereits seit 1. März 1990 zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 3.862,64 € beschäftigt.

Der Arbeitgeber teilte der Arbeitnehmerin am 4. Juli 2018 mit, dass ihr Betrieb in Hamburg veräußert werde. Dies führe zu einem Betriebsübergang nach § 613a BGB. Die Klägerin wurde weiter darüber informiert, dass mit dem Betriebsübergang das Arbeitsverhältnis auf die Erwerberin übergehe, sofern sie den Betriebsübergang nicht fristgerecht schriftlich widerspreche. Für den Fall des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang heißt es in dem Schreiben:

„Da Ihr Arbeitsplatz nach dem Betriebsübergang bei der Gesellschaft nicht mehr besteht, hat die Gesellschaft dann voraussichtlich keine Möglichkeit mehr, Sie weiter zu beschäftigen. Sie müssen daher damit rechnen, dass die Gesellschaft Ihr Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigt.“

Die Arbeitnehmerin widersprach neben diversen anderen Arbeitnehmern dennoch dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die neue Betriebsinhaberin.

Daraufhin kündigte der Betriebsveräußerer das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen am 10. August 2018 zum 31. März 2019.

Wegen dieser Kündigung nimmt die Klägerin den beklagten Arbeitgeber auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Anspruch. Dazu bezieht sie sich auf einen Sozialplan aus dem Jahre 2016, der auszugsweise wie folgt lautet:

Präambel

Insbesondere durch den Preisverfall auf dem, durch die verringerte Nachfrage von Rohstoffen in China und dem vor allem durch asiatische Wettbewerber gestiegenen Kostendruck auf dem (…) befindet sich die Gesellschaft in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld. Neben externen Faktoren wirken auch gruppeninterne Planungen auf die Gesellschaft ein. Weitere Personalanpassungen während der Laufzeit dieser Vereinbarung sind daher nicht ausgeschlossen und werden von der Gesellschaft sogar als wahrscheinlich angesehen. (…)“

Die Klägerin hat gemeint, dieser Sozialplan sei auf sie anwendbar. Der Sozialplan habe nicht nur für die im Jahr 2016 auszusprechenden Kündigungen anwendbar sein sollen, sondern alle betriebsbedingten Kündigungen während der Laufzeit des Sozialplans umfassen sollen. Sie habe daher gem. § 2 des Sozialplans Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 102.034,58 € brutto.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Trotz des Betriebsübergangs und des Widerspruchs seien die Regelungen des Sozialplans weiterhin anwendbar. Der für den Betrieb des Arbeitgebers geschlossene Sozialplan habe seine normative Wirkung für die Klägerin nicht dadurch verloren, dass der Beschäftigungsbetrieb der Klägerin auf eine neue Inhaberin übergegangen sei und die Klägerin diesem Betriebsübergang widersprochen habe.

Die Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Wirkungen des Sozialplans

Zunächst war zu klären, ob der aus dem Jahre 2016 vereinbarte Sozialplan überhaupt auf die hier vorliegende betriebsbedingte Kündigungskonstellation Anwendung findet. Das Landesarbeitsgericht hat dies bejaht. Der Arbeitsplatzverlust der Klägerin fällt in den Geltungsbereich des Sozialplans und löst den dort geregelten Abfindungsanspruch aus. Nach dem ausdrücklich auch in der Präambel bekundeten Willen war der Sozialplan zugleich als vorsorglicher Sozialplan für zukünftige zum Zeitpunkt der Unterzeichnung noch nicht absehbare betriebsbedingte Personalabbaumaßnahmen vereinbart worden.

II. Widerspruch zum Betriebsübergang als Ausschlusskriterium?

Das Landesarbeitsgericht hat dann weiter geprüft, ob der Widerspruch der Klägerin gegen den Betriebsübergang nicht einer Eigenkündigung „ohne betriebliche Veranlassung“ anzusehen war. Dann wäre ein Sozialplananspruch ebenfalls ausgeschlossen gewesen. Das wurde zutreffend abgelehnt. Nicht die Arbeitnehmerin, sondern der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis gekündigt. Das Widerspruchsrecht steht zudem jedem Arbeitnehmer ausdrücklich nach § 613a BGB zu. Mit der Ausübung des Widerspruchsrechts dürfen daher keine Sanktionen verbunden werden.

Hinweis für die Praxis:

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in der Praxis häufig in Sozialplänen Regelungen getroffen werden, durch die Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen ausgeschlossen werden, die ein zumutbares Angebot auf Weiterbeschäftigung ablehnen (vgl. auch § 112 Abs. 5 Nr. 2 S. 2 BetrVG). Von einer solchen Regelungsmöglichkeit haben die Betriebsparteien hier aber keinen Gebrauch gemacht.

Fazit

Die Arbeitnehmerin hatte hier Anspruch auf die volle Sozialplanabfindung. Diese Sozialplanabfindung war unabhängig davon, dass der Betrieb bereits auf einen neuen Betriebsinhaber übergegangen war. Der Anspruch war auch unabhängig von dem erfolgten Widerspruch gegen den Betriebsübergang. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Regelungen in Sozialplänen in ihrer normativen Wirkung die Betriebszugehörigkeit überdauern können wurde hier eine Zahlungsverpflichtung bejaht. Maßgeblich ist allein, ob die Sozialplanregelungen inhaltlich noch Bestand haben und weiterhin sinnvoll angewandt werden können. Der Arbeitgeberseite ist in solchen Konstellationen zu empfehlen, geplante Betriebsübergänge im Sozialplan mit zu regeln und insbesondere die Auswirkungen etwaiger Widersprüche zu bedenken. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass man den Sozialplananspruch ausschließt, wenn zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten abgelehnt werden. Denkbar ist auch eine klare Begrenzung der Laufzeit des Sozialplans.

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