Es wird nicht selten in der Praxis angenommen, dass die Gesellschafter einer GmbH von Gesetzes wegen einem umfassenden Wettbewerbsverbot unterliegen. Dies trifft aber – trotz eines teilweise immer noch verbreiteten Irrtums – weder auf den einfachen Gesellschafter noch auf den geschäftsführenden Gesellschafter zu. Demgemäß bietet es sich für die Gesellschaft an, im Gesellschaftsvertrag und/oder im Geschäftsführeranstellungsvertrag ein vertragliches Wettbewerbsverbot aufzunehmen.
In diesem Kontext hat das Oberlandesgericht Nürnberg mit Urteil vom 14. Oktober 2020 (Az. 12 U 1440/20) jüngst entschieden, dass ein vertragliches – auf die Zeit der Gesellschafterstellung bezogenes – Wettbewerbsverbot eines geschäftsführenden Gesellschafters bereits nach der Erklärung seines Austritts aus der Gesellschaft keine Wirkung mehr entfaltet. Diese gerichtliche Entscheidung sollte Unternehmen und ihre Gesellschafter erneut aufhorchen lassen. Schließlich sind derartige Austritts- oder Kündigungserklärungen aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen nicht selten nur unter Einhaltung langer Austritts- und Kündigungsfristen zulässig. Ob und in welchem Umfang aber für den Zeitraum zwischen Austrittserklärung und endgültigem Ausscheiden aus der Gesellschaft ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot juristische Wirkung zeitigt, hat nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die verbleibenden Gesellschafter und erst recht für den austretenden Gesellschafter erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung.
OLG Nürnberg: Wann endet ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus der GmbH (Copyright: MQ-Illustrations/adobe.stock)?
Der Sachverhalt (vereinfacht)
Dem Urteil der Nürnberger Richter lag letzten Endes eine Sachlage zugrunde, wie sie tagtäglich bei deutschen Unternehmen auftreten kann:
Der Gesellschaftsvertrag der beklagten GmbH hatte u.a. eine Regelung zum Inhalt, nach der sämtlichen Gesellschaftern während ihrer Zeit als Gesellschafter jeglicher Wettbewerb zur Gesellschaft untersagt war. Darüber hinaus sah er vor, dass (i) jeder Gesellschafter mit einer Frist von 12 Monaten zum Jahresende aus der Gesellschaft austreten kann und (ii) das Stimmrecht des austretenden Gesellschafters ab Zugang seiner Austrittserklärung ruht. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zulasten des ausscheidenden Gesellschafters bestand indes nicht.
Der Kläger war wiederum Geschäftsführender-Gesellschafter der beklagten GmbH und hielt an dieser eine 50%-Beteiligung. Er erklärte im Dezember 2019 fristgemäß (s.o.) seinen Austritt als Gesellschafter zum Ende des Jahres 2020. Gleichzeitig kündigte der klagende Gesellschafter noch seinen Geschäftsführeranstellungsvertrag u.a. ordentlich zu Ende Juni 2020. Er war der Ansicht, dass hierdurch auch sein vertragliches Wettbewerbsverbot ab dem Zeitpunkt der Austritts- und Kündigungserklärung automatisch entfalle. Die beklagte GmbH war indessen der Auffassung, dass der klagende Gesellschafter weiterhin an das im Gesellschaftsvertrag festgelegte Wettbewerbsverbot gebunden sei. Der betroffene Gesellschafter scheide schließlich erst zum Ende des Kalenderjahres 2020 aus der Gesellschaft aus und sei folglich auch bis zu diesem Zeitpunkt als Gesellschafter an das gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbot gebunden.
Sodann beantragte der klagende Gesellschafter den Erlass einer einstweiligen Verfügung (§§ 935 ff. ZPO), mit dem Ziel, dass ihm vorläufig eine Konkurrenztätigkeit zur beklagten GmbH gestattet werde. Das erstinstanzliche Landgericht Regensburg wies diesen Antrag jedoch vollumfänglich zurück. Der Antrag sei unbegründet, weil die Loyalitätspflicht des klagenden geschäftsführenden Gesellschafters gegenüber der beklagten GmbH uneingeschränkt bis zum 31. Dezember 2020 gelte. Als Gesellschafter unterliege er grundsätzlich dem gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbot, das nicht als unwirksam anzusehen sei. Hiergegen legte der klagende Gesellschafter Berufung ein.
Die Entscheidung (gekürzt)
Das Oberlandesgericht Nürnberg gab der Berufung statt und erklärte das gesellschaftsvertragliche Wettbewerbsverbot für den Zeitraum zwischen der Austrittserklärung des Gesellschafters und seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft für unwirksam. Denn ein Gesellschafter gebe mit seiner Austrittsentscheidung klar zu erkennen, sich in der GmbH nicht weiter unternehmerisch betätigen zu wollen. Das Gesellschaftsverhältnis des austretenden Gesellschafters, so die Nürnberger Richter, beschränke sich für den verbleibenden Zeitraum allein auf vermögensrechtliche Beziehungen – insbesondere auf den Abfindungsanspruch. Dies gelte im vorliegenden Fall erst recht, weil das Stimmrecht des klagenden Gesellschafters seit dessen Austrittserklärung – per gesellschaftsvertraglicher Regelung (s.o.) – ruhe. Er könne also künftig auf die unternehmerische Entwicklung der beklagen GmbH keinen Einfluss mehr nehmen. Stünden dem ausscheidenden Gesellschafter – wie hier – aber ab Zugang seiner Austrittserklärung nicht mehr seine sämtlichen Mitgliedschaftsrechte zu, sei es diesem auch nicht mehr zumutbar, sich bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft einem umfassenden Wettbewerbsverbot zu unterstellen. Ein solches Wettbewerbsverbot, so das OLG Nürnberg, verletze letztendlich die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil der klagende Gesellschafter gezwungen wäre, seine berufliche Tätigkeit bis zum Verlust der bloß noch formell bestehenden Gesellschafterstellung weiterhin dem Erreichen des Gesellschaftszwecks unterzuordnen. Im Ergebnis ziele das hiesige Wettbewerbsverbot für den Zeitraum nach der Austrittserklärung in sittenwidriger Weise (§ 138 BGB) darauf ab, den klagenden Gesellschafter als nicht erwünschten Wettbewerber auszuschalten. Aus diesem Grund sei das Wettbewerbsverbot der beklagten GmbH unter Berücksichtigung von § 138 BGB i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG dahingehend auszulegen, dass es nicht für den Zeitraum gelte, in dem das Stimmrecht infolge der Austrittserklärung des Gesellschafters ruhe.
Resümee und Praxishinweise
Die Vereinbarung von Wettbewerbsverboten für einfache Gesellschafter als auch geschäftsführende Gesellschafter in Gesellschaftsverträgen und/oder Geschäftsführeranstellungsverträgen ist grundsätzlich zulässig und praxisüblich.
Allerdings hat man hierbei die engen rechtlichen Grenzen einzuhalten: Ist das Wettbewerbsverbot zu weitreichend, ist es sittenwidrig (§ 138 BGB) und damit unwirksam. Das OLG Nürnberg bestätigt diesen – sich in der Rechtsprechung etablierten – Grundsatz erneut und knüpft an die Entscheidungsaussprüche des Bundesgerichtshofes an. Hiernach kann unter Berücksichtigung der in Art. 12 Abs. 1 GG verankerten Berufsfreiheit ein Wettbewerbsverbot nur dann wirksam vereinbart werden, wenn das Unternehmen aufgrund der konkreten Umstände zu befürchten hat, dass es durch den Gesellschafter von innen her ausgehöhlt und seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage beraubt wird. Laut Bundesgerichtshof ist davon in aller Regel dann nicht auszugehen, wenn der betreffende Gesellschafter keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft (mehr) nehmen kann.
Für die rechtliche Ermittlung, ob ein gesellschaftsvertragliches oder anstellungsvertragliches Wettbewerbsverbot zulässig ist, muss also im ersten Schritt geprüft werden, ob der ausscheidende Gesellschafter noch weiterhin eine Einflussmöglichkeit auf die Geschäfte und die künftige Entwicklung der Gesellschaft hat. Ist dies nicht der Fall, ist das vertragliche Wettbewerbsverbot insofern bereits wegen Verstoßes gegen § 138 BGB i.V.m. Art. 12 Abs.1 GG unwirksam. Ist dies jedoch der Fall, hat man im zweiten Schritt grundsätzlich noch die sachliche, zeitliche und räumliche Reichweite des vereinbarten Wettbewerbsverbots am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG näher zu beleuchten. Handelt es sich überdies sogar um ein sog. nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das an die Zeit nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft anknüpft, sind die Anforderungen an seine Wirksamkeit grundsätzlich noch höher als die für das zwischen Austrittserklärung und Austritt eingreifende Wettbewerbsverbot.
In den letzten Jahren hat sich immer wieder aufs Neuste gezeigt, dass eine Vielzahl der derzeit in der Wirtschaft bestehenden vertraglichen Wettbewerbsverbote die sehr engen – durch die Rechtsprechung vorgegebenen – Grenzen eines vertraglichen Wettbewerbsverbotes überschreiten. Gesellschafterstreitigkeiten sind in diesen Fällen oftmals vorprogrammiert. Es empfiehlt sich für die Gesellschaft daher, die rechtlich vorgegebenen Schranken für ein vertragliches Wettbewerbsverbot genauestens zu beachten und es an objektiven Kriterien des konkreten Einzelfalles inhaltlich auszugestalten.
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