Zum 11. Juni 2021 wurde das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Lieferketten (Lieferkettengesetz), in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales geänderten Fassung, mit 412 Stimmen im Bundestag beschlossen.
Mehr Verantwortung für Unternehmen und weitere Haftungsrisiken für diese und ihre Manager (Copyright: lobodaphoto/adobe.stock).
Das Lieferkettengesetz stülpt den Unternehmen von nun an mehr Sorgfaltspflichten über, sodass diese zwangsweise mehr Verantwortung für Themen wie Umweltschutz und Menschenrechte weltweit zu übernehmen haben:
So sind die vom neuen Gesetz umfassten und nun vom Unternehmen zu verhindernden Rechtsverletzungen etwa Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Verletzung der Vereinigungsarbeit und des Arbeitsschutzes sowie auch Boden- und Luftverschmutzungen. Die aus dem Gesetz entspringende Überprüfungspflicht gilt für die gesamte Lieferkette, ohne dass hierbei eine Abstufung je nach Einflussmöglichkeiten des „deutschen“ Unternehmens stattfinden würde.
Grundlage für das Gesetzesvorhaben waren dabei vor allem die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen.
Bei Beschließung des Gesetzes durch den Deutschen Bundestag wurde nochmals klargestellt, dass die Unternehmen in diesem Zusammenhang keiner zivilrechtlichen Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt werden, was aber freilich eine bußgeldrechtliche Haftung der Unternehmen sowie eine Binnenhaftung der Geschäftsführung gegenüber dem Unternehmen (z.B. § 43 GmbHG) bei Verstoß gegen das Lieferkettengesetz nicht ausschließt. Ganz im Gegenteil!
Betroffene Unternehmen
Vom Lieferkettengesetz unmittelbar betroffen sind zunächst Personen- und Kapitalgesellschaften nach deutschem oder ausländischem Recht, die ihrem Hauptverwaltungs- oder Satzungssitz bzw. eine Hauptniederlassung in Deutschland haben. Demnach können grundsätzlich auch ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassungen in Deutschland oder deutsche Tochterunternehmen in den Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes fallen.
Das Gesetz nimmt allerdings erst einmal nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern (ab dem 1. Januar 2023) und dann ab Januar 2024 auch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern in die Pflicht.
Ob zukünftig aber auch Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern den Pflichtenkatalog des Lieferkettengesetzes unterliegen, soll noch bis spätestens zum Sommer 2024 entschieden werden.
Neuer Pflichtenkatalog der Unternehmen
Im Zusammenhang mit der Einführung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten haben die betroffenen Unternehmen von nun an die Pflicht, ein Risikomanagment zur Überwachung der Lieferketten einzurichten, bzw. festzulegen, wer dieses Risikomanagement im bzw. für das Unternehmen zu übernehmen hat. Des Weiteren haben die Unternehmen ihre unmittelbaren Zulieferer mindestens einmal im Jahr sowie bei Informationen, die auf eine Verletzung von Menschenrechts- und Umweltverstößen hindeuten, zu überprüfen – und zwar hinsichtlich der vorgenannten Rechtsverletzungen. Bei nur mittelbaren Zulieferern besteht die oben genannte Pflicht allein für den Fall, dass substantiierte Kenntnis von möglichen Pflichtverletzungen des mittelbaren Zulieferers beim Unternehmen bestehen.
Bei der Vermutung des Vorliegens von Menschenrechtsverletzungen müssen zunächst Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Sollten dann Pflichtverletzungen festgestellt werden, sind Abhilfemaßnahmen vorzunehmen. Als ultima ratio kann sogar der Abbruch der Geschäftsbeziehung mit dem Zulieferer notwendig sein. Zu beachten ist allerdings, dass die Entscheidungen der Unternehmen grundsätzlich unter einem Angemessenheitsvorbehalt stehen und ihnen und ihrer Geschäftsführung Ermessens- und Handlungsspielräume zugutekommen. Ferner ist die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu dokumentieren und 7 Jahre sachgemäß aufzubewahren.
Um die Wirkung des Lieferkettengesetzes öffentlichkeitskenntlich zu machen, werden die Unternehmen noch verpflichtet, einen öffentlich zugänglichen Bericht über die tatsächlich und potentiell nachteiligen Folgen ihrer Tätigkeiten vorzulegen. Auch sind die Leitungsebenen angehalten, eine Grundsatzerklärung für ihre Menschenrechtsstrategie des Unternehmens zu verabschieden und öffentlich zu kommunizieren.
Darüber hinaus soll der konkrete Betroffenenschutz dadurch effektiv erreicht werden, dass Unternehmen von nun an ein Beschwerdeverfahren für Personen einzurichten haben, die entweder unmittelbar durch einzelne menschrechtsverletzende Maßnahmen betroffen sind oder aber Kenntnis von derartigen Verstößen erlangt haben.
Sanktionen und Haftungen
Sollten Verstöße gegen die im Lieferkettengesetz bestimmten Pflichten festgestellt werden, kann die zuständige Aufsichtsbehörde (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) Geldbußen von bis zu EUR 800.000 aussprechen. Des Weiteren könnten Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als EUR 400 Millionen ein Bußgeld in Höhe von bis zu 2 % ihres weltweiten Umsatzes erwarten.
Sollte gegen ein Unternehmen ein Bußgeld in Höhe von mindestens EUR 175.000 verhängt worden sein, kann dieses Unternehmen außerdem noch bis zu 3 Jahre von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.
Fazit
Das Pflichtenprogramm deutscher Unternehmen und ihrer Manager war bereits schon ein weites Feld, das erhebliche Haftungsrisiken im Gepäck hatte. Mit dem Lieferkettengesetz kommt ein weiteres Bündel an Verhaltens- und Kontrollpflichten hinzu, das für die Unternehmen unmittelbar und für ihre Geschäftsführungen zumindest mittelbar mannigfaltige Vorsorgepflichten, rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen als auch Reputationsschäden mit sich bringen kann.
Im Ergebnis bleibt es den Managern der betroffenen Unternehmen nur übrig, im besonderen Maße die vom Gesetz und Recht vorgegebenen Pflichten dezidiert zu prüfen, diese unverzüglich und fristgerecht zu befolgen und sodann alles hinreichend zu dokumentieren. Nicht selten wird der Manager dabei auf rechtlichen Rat zurückgreifen müssen, insbesondere wenn es sich um ein so junges Gesetz wie das Lieferkettengesetz handelt.
Sie können sich bei Fragen zu dieser Thematik gerne unmittelbar an den Autor dieses Beitrags wenden!
Zur Vertiefung des Themas „Managerhaftung“ siehe auch die hierzu veröffentlichen Fachbeiträge des Autors – exemplarisch (nicht abschließend): Brock, BB 2020, 1292 („Legalitätspflicht des Geschäftsführers bei auslandsbezogenen Rechtsverletzungen“), Brock, WM 2019, 350 („Geschäftsführer-Innenhaftung bei Publikums-Kommanditgesellschaften), Brock, WM 2016, 2209 ((„Regressreduzierung im Vorstandsrecht in der prozessualen Umsetzung“).
Autoren
RA Dr. Karl Brock, MEYER-KÖRING, Bonn; WissMA Tom Grunwald, MEYER-KÖRING, Bonn
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