Bei der Verlagerung des Arbeitsplatzes vom Betrieb in das häusliche „Homeoffice“ (alternierende Telearbeit) liegt regelmäßig eine Versetzung nach § 99 Abs. 1 BetrVG vor. Die Arbeitsumstände ändern sich und auch der Ort, an dem die Arbeitsleistung zu erbringen ist, ist ein anderer. Das LAG Köln hat nun klargestellt, dass diese Mitbestimmung auch bei einem Widerruf der alternierenden Telearbeit bestehen kann (LAG Köln v. 14.8.2020, 9 TaBV 11/2020). Die Entscheidung beruht zwar auf einem speziellen Tarifvertrag zur Telearbeit. Die Ausführungen sind aber von genereller Bedeutung, so dass die Entscheidung hier für die Praxis besprochen werden soll.
Widerruf von alternierender Telearbeit (Homeoffice): Mitbestimmung des Betriebsrats? (Copyright: phpetrunina14/adobe.stock).
Der Fall
Die Arbeitgeberin erbringt Dienstleistungen für die Deutsche Telekom und deren Beteiligungen in den Bereichen Einkauf, Rechnungswesen, Reporting und Personalwesen. Es gilt der Telearbeits-Tarifvertrag (TV Telearbeit), auf dessen Grundlage Telearbeit in Form von alternierender Telearbeit, in Form von mobiler Telearbeit und in Form des mobile working möglich ist.
Auf Basis des Tarifvertrages vereinbarte der Arbeitgeber mit der Arbeitnehmerin die Beschäftigung in alternierender Telearbeit ab dem 7. Juni 2007. Sowohl im TV Telearbeit als auch in der Vereinbarung mit der Arbeitnehmerin ist bestimmt, dass die Telearbeit von beiden Seiten mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende ohne Angabe von Gründen widerrufen werden kann.
Im Zuge einer bundesweiten Betriebsänderung wurde die Arbeitnehmerin mit Zustimmung des Betriebsrats an einen anderen Standort versetzt. Der Arbeitgeber beabsichtigte nunmehr den Widerruf der Vereinbarung über die Einrichtung eines alternierenden Telearbeitsplatzes und leitete dem Betriebsrat einen Antrag auf Zustimmung zu dieser Maßnahme zu. Zur Begründung führte der Arbeitgeber an, dass der damalige Grund für die Einrichtung eines alternierenden Telearbeitsplatzes, die Betreuung eines Kindes unter 12 Jahren, weggefallen sei und dass eine veränderte Aufgabenstellung sowie die entstandene Mehrarbeit engere und kurzfristigere Abstimmungen im Team und eine Anwesenheit vor Ort erfordert.
Der Betriebsrat hat die Zustimmung fristgerecht verweigert. Der Arbeitgeber habe seine betrieblichen Interessen nicht mit den Interessen der Arbeitnehmerin abgewogen. Zudem werde die Arbeitnehmerin durch den Widerruf im Hinblick auf die entstehenden Wegezeiten und Fahrtkosten benachteiligt.
Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Betriebsrats im Beschlussverfahren auf Antrag des Arbeitgebers ersetzt.
Die Entscheidung
Im Beschwerdeverfahren hat das LAG Köln die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.
1. Telearbeit als Versetzung
Zunächst hat das LAG klargestellt, dass es sich bei dem Widerruf der alternierenden Telearbeit um eine Versetzung im Sinne der §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 2 BetrVG handelt. Die Einbindung der Arbeitnehmerin in den Betriebsablauf und die Aufgabenerfüllung ist auch bei teilweiser Telearbeit aufgrund von deren Besonderheiten eine völlig andere als ohne Telearbeit, so dass sich bei der Beendigung der Telearbeit das Bild der Tätigkeit grundsätzlich ändert. Mit der Verlagerung des Arbeitsplatzes vom Homeoffice zurück in den Betrieb ändert sich damit der individuelle Arbeitsort des Arbeitnehmers und – selbst bei unveränderten Arbeitsaufgaben – in erheblicher Weise auch die Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist.
Hinweis für die Praxis:
Im vorliegenden Verfahren war nur der Widerruf der Homeoffice-Vereinbarung als Versetzung zu klären. Die vorgenannten Grundsätze gelten aber auch für die Einführung von Telearbeit. Auch dann handelt es sich um eine Versetzung. Die Begründung ist insoweit identisch.
2. Zustimmungsverweigerung zulässig?
Im vorliegenden Fall hat der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung sowohl auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG als auch auf Nr. 4 gestützt. Beide Begründungen hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen. Der TV Telearbeit hat den Widerruf ohne Angabe von Gründen für zulässig geregelt. Daher muss der Arbeitgeber seine betrieblichen Interessen nicht mit den Interessen der Arbeitnehmerin abwägen. Die Tarifvertragsparteien haben klar geregelt, dass der Arbeitgeber keine Ermessens- und Billigkeitserwägungen bei der individuellen Ausübung des Widerrufsrechts einhalten muss. Diese Entscheidung liegt im Rahmen der tarifvertraglichen Freiheit. Es liegt weiter kein Nachteil nach Nr. 4 vor. Auch andere Mitarbeiter müssen ihre Arbeitsleistung in der Betriebsstätte erbringen. Ist der Widerruf der Telearbeit zulässig, kann dies keinen Nachteil nach Nr. 4 begründen.
Fazit
Die Mitbestimmungsrechte bei der Einführung von Homeoffice sind zu beachten. Regelmäßig handelt es sich um eine Versetzung. Der Betriebsrat muss also nach § 99 Abs. 1 BetrVG zustimmen. Gleiches gilt für die Beendigung der Homeoffice-Tätigkeit. Sind die Widerrufsmöglichkeiten nicht, wie im vorliegenden Fall, in einem Tarifvertrag geregelt, kann im Einzelfall der Betriebsrat insbesondere dem Widerruf der Vereinbarung seine Zustimmung versagen. Er muss sich dann aber auf einen der Zustimmungsverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG stützen. Insoweit ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.
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