Neben der Möglichkeit der Teilnahme an der ambulanten Gesundheitsversorgung für Träger von Krankenhäusern, haben auch Vertragsärzte und -zahnärzte ihre Praxen in MVZ umgewandelt. (credit:adobestock)

Die vom Gesetzgeber mit Beginn 2004 in die ambulante Gesundheitsversorgung eingeführten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) haben sich mittlerweile fest im Markt etabliert. Neben der Möglichkeit der Teilnahme an der ambulanten Gesundheitsversorgung für Träger von Krankenhäusern, haben auch Vertragsärzte und – seit Wegfall der Voraussetzung einer fachübergreifenden Ausrichtung – auch Vertragszahnärzte ihre Praxen in MVZ umgewandelt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben von Beginn an viele Fragen aufgeworfen, die auch durch konstante Nachbesserungen des Gesetzgebers bislang nicht umfassend gelöst wurden.
Mit einer dieser Fragen hat sich das BSG in der Verhandlung vom 26.01.2022 beschäftigt. Die Entscheidung kann für niedergelassene Vertragsärzte, die ihre Praxis in der Form des MVZ betreiben oder zukünftig in ein MVZ umwandeln wollen, einige Bedeutung haben. Die Entscheidung liegt bislang nur als Pressemitteilung vor, die schriftlichen Gründe müssen noch abgewartet werden. Die Entscheidung hat aber bereits einige Unruhe hervorgerufen. Sie steht – soweit bislang der Pressemitteilung entnommen werden kann – einer bundesweit etablierten Praxis der Zulassungsgremien entgegen, dem MVZ auch für die ärztlichen Gesellschafter der Trägergesellschaft Anstellungsgenehmigungen zu erteilen.

Der Sachverhalt

Der Entscheidung lag ein Antrag von zwei Vertragsärzten auf Gründung eines MVZ zugrunde. Die Ärzte hatten sich dafür in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts – also einer Personengesellschaft – zusammengeschlossen. Diese Gesellschaft wurde Träger des MVZ, das MVZ wurde antragsgemäß genehmigt. Gleichzeitig beantragten die Ärzte für sich selbst unter Vorlage von Anstellungsverträgen zwischen sich und der (eigenen) Gesellschaft Anstellungsgenehmigungen im MVZ unter Verzicht auf ihre persönlichen Zulassungen.
Der Berufungsausschuss genehmigte zwar die Tätigkeit der beiden Vertragsärzte im MVZ, nicht aber die Anstellungsgenehmigungen aufgrund des Verzichts. Nach Auffassung des Berufungsausschusses könne ein Gesellschafters einer Personengesellschaft mit der eigenen Gesellschaft kein Arbeitsverhältnis eingehen, es fehle daher für die Anstellungsgenehmigung an der erforderlichen Anstellung.

Die Entscheidung

Diese Entscheidung des Berufungsausschusses wurde durch das Bundessozialgericht bestätigt, nachdem das Sozialgericht Magdeburg die Entscheidung noch aufgehoben hatte. Liest man die Pressemitteilung des BSG hat die Entscheidung aber noch eine viel weitreichendere Wirkung als für MVZ in Trägerschaft einer Personengesellschaft. So lässt die Pressemitteilung auch eine Anwendung auf die in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführten MVZ vermuten.
Soweit man der Pressemitteilung entnehmen kann ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn Voraussetzung für eine Anstellungsgenehmigung. Das wiederum setzt – grob vereinfacht – voraus, dass der Arzt außerhalb der der Behandlungsentscheidungen weisungsgebunden arbeitet, in einen fremden Betrieb eingegliedert ist und ihm Art, Zeit und Ort vorgegeben ist. Diese Kriterien erfüllt grundsätzlich derjenige nicht, der über seine Gesellschafterstellung Einfluss nehmen kann. Am anschaulichsten zeigt sich dies in der GmbH, die nur einen Gesellschafter hat, der gleichzeitig bei der GmbH angestellt ist. Der Gesellschafter kann über seine Stellung vollen Einfluss auf die Ausgestaltung seines Arbeitsverhältnisses mit der GmbH nehmen und ist damit de facto weder weisungsgebunden noch in einen fremden Betrieb eingegliedert.

Die Auswirkungen

Die unmittelbaren Auswirkungen für den Praxisbetrieb dürften überschaubar sein. Der Vertragsarzt bleibt weiterhin persönlich zugelassen, seine Zulassung ruht und wird unter dem Dach des MVZ fortgeführt. Das MVZ bzw. die Trägergesellschaft kann (und muss) seine Leistungen abrechnen, verfügt aber – und das ist der entscheidende Unterschied – nicht über die Zulassung in Form einer Anstellungsgenehmigung. Gravierender sind die Auswirkungen für die Gründung und weitere Gestaltung der Übertragung der Praxis erhebliche auch steuerrechtliche Auswirkungen haben. Um nur zwei Beispiele zu nennen:
Bei der Gründung eines MVZ durch Einbringung der eigenen Praxis in eine GmbH ist die steuerrechtliche Frage offen, ob für die steuerneutrale Einbringung auch die persönliche Zulassung übergehen muss.
Ist der Vertragsarzt bei Verkauf seiner Gesellschaftsanteile und Beendigung der eigenen Tätigkeit noch persönlich zugelassen, muss die Zulassung noch auf das MVZ übertragen werden. Dies geschieht entweder in einem öffentlichen Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren mit der Gefahr der Auswahl eines Konkurrenten oder im Wege des Verzichts zugunsten einer Anstellung. Bei der zweiten Variante muss der Verkäufer aber noch drei Jahre in dem MVZ – dann in tatsächlich abhängiger Beschäftigung – weiterarbeiten, damit der Käufer die Anstellungsgenehmigung gefahrlos nachbesetzen kann.

Fazit

Eine abschließende Bewertung der Auswirkungen wird erst nach Veröffentlichung der Urteilsgründe möglich sein. Aus der Pressemitteilung lässt sich aber schon jetzt ableiten, dass die Entscheidung bei der zukünftigen Gestaltung von MVZ-Verkäufen, die sich in Hand von Vertragsärzten befinden, frühzeitig berücksichtigt werden muss. Neben der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber korrigierend eingreift und kurzfristig die Gesetzeslage anpasst.

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