Hat der Betriebsrat Anspruch auf Videokonferenzen? (credit:adobestock)
Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz und die neuen Vorschriften im BetrVG waren zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg am 14. April 2021 noch nicht in Kraft. Damals galt noch die bis zum 30. Juni 2021 befristete Vorschrift des § 129 BetrVG. Der hier zu besprechende Fall beschäftigt sich zwar formal mit dieser mittlerweile außer Kraft getretenen Vorschrift und einem etwaigen Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung von Videokonferenzen (LAG Berlin-Brandenburg v. 14.42021 – 15 TaBVGa 401/21). Der Inhalt der Entscheidung ist aber auf die neue Rechtslage ohne Weiteres zu übertragen. Wir möchten daher die Kernaussagen des Urteils hier besprechen.
Der Fall:
Der 11-köpfige Betriebsrat hat im einstweiligen Verfügungsverfahren einen Kostenvorschuss beantragt, um Betriebsratssitzungen im Wege von Videokonferenzen durchführen zu können. Der Betriebsrat tagt regelmäßig alle zwei Wochen. Für seine Sitzung wird temporär bei einem Dritten ein Konferenzraum angemietet. Bei Einhaltung der Abstandsregeln während der Pandemie können dort nur maximal neun Personen zusammenkommen.
Der beklagte Betrieb führt Dienstleistungen aus dem Bereich des technischen Facility-Managements, der Hotelreinigung, der Unterhaltsreinigung, der Grünflächenpflege und weiterer Dienstleistungen aus. Die nötigen Sachmittel für die Durchführung von Videokonferenzen hat der Arbeitgeber abgelehnt.
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, er könne die entsprechenden Mittel gem. § 129 BetrVG verlangen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Anträge zurückgewiesen
Die Entscheidung:
Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht einen Teil der Anträge für zulässig erachtet.
I. Neue Rechtslage
Das neue Betriebsrätemodernisierungsgesetz ist am 18. Juni 2021 in Kraft getreten. Die Regelung des § 129 BetrVG, die während der Pandemie erlassen wurde, ist zum 30. Juni 2021 außer Kraft getreten. Maßgeblich ist nun für die Durchführung von Videokonferenzen die Neuregelung in § 30 Abs. 2 BetrVG. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:
„§ 30 Betriebsratssitzungen
(1) Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt (…). Sie finden als Präsenzsitzung statt.
(2) Abweichend von Absatz 1 Satz 5 kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn
1. die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenssitzung festgelegt sind,
2. nicht mindestens ¼ der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und
3. sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.
Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.
(3) Erfolgt die Betriebsratssitzung mit der zusätzlichen Möglichkeit der Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz, gilt auch eine Teilnahme vor Ort als erforderlich.“
Damit steht Betriebsratsmitgliedern die notwendige Technik für die Durchführung von Videokonferenzen nunmehr zu. Davon unberührt bleibt die Kostenregelung des § 40 Abs. 2 BetrVG. Arbeitgeber können sich aber nun nicht mehr darauf berufen, eine Videokonferenz sei nicht erforderlich.
II. Kein Kostenvorschuss zur Finanzierung!
Der Betriebsrat kann nach § 40 Abs. 2 nicht verlangen, einen Kostenvorschuss für den Erwerb der notwendigen Soft- und Hardware zur Durchführung von Videokonferenzen zur Verfügung gestellt zu bekommen. Nach der eindeutigen Norm und der ständigen Rechtsprechung hat der Betriebsrat nur einen Überlassungsanspruch. Er ist nicht berechtigt, sich die Sachmittel selbst zu beschaffen. Daher kann der Betriebsrat auch nicht verlangen, dass ihm Geld zur Verfügung gestellt wird, um eventuell erforderliche Sachmittel selbst zu beschaffen.
Fazit:
Betriebsräte haben einen Anspruch auf Videokonferenzen. Dies galt bereits nach der zum 30. Juni 2021 außer Kraft getretenen Regel des § 129 BetrVG und gilt nunmehr unbefristet nach § 30 Abs. 2 BetrVG. Arbeitgeber haben nach § 40 Abs. 2 die notwendigen Kosten zu übernehmen. Der Betriebsrat hat aber keinen Anspruch auf einen Kostenvorschuss. Der Praxis ist zu empfehlen, sich über die Sachmittel zur Durchführung von Videokonferenzen nicht zu streiten. Erfahrungsgemäß werden dadurch Reisezeiten und weiteren Kosten (Konferenzräume, Hotel- und Reisekosten) gespart. Die Rechtsprechung gesteht Betriebsräten daher die notwendige Ausstattung ohne Weiteres zu.
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