Tätigkeiten in alternierender Telearbeit (Homeoffice) können auf verschiedenen Vereinbarungen beruhen. So kann eine Inanspruchnahme von Tätigkeiten auf Basis der aktuellen Corona-Regelungen vorliegen (vgl. § 28b Abs. 4 IfSG). Es kann sich aber auch um Tätigkeiten auf Basis einer Betriebsvereinbarung und/oder einer individualrechtlichen Vereinbarung handeln. Es gibt schließlich Fälle, in denen keine schriftlichen und ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen wurden.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hatte sich nun mit einer Fallgestaltung zu befassen, in der neben einer Betriebsvereinbarung zusätzlich noch eine individualrechtliche Vereinbarung getroffen worden war. Der Arbeitgeber hat dann wegen Leistungsmängeln die Arbeitnehmerin wieder in den Präsenzbetrieb zurückversetzt. Gegenstand des Rechtsstreits war daher die Frage, ob es sich dabei um eine zulässige Versetzung oder aber um eine unzulässige Teilkündigung handelte (LAG Nürnberg v. 11.5.2021 – 7 Sa 289/20).
Alternierende Telearbeit (Copyright: David Pereiras/adobe.stock).
Der Fall (verkürzt)
Bei dem beklagten Arbeitgeber besteht schon seit dem Jahre 2012 eine Betriebsvereinbarung über alternierende Telearbeit. In der zuletzt maßgeblichen Betriebsvereinbarung „alternierende Telearbeit“ aus dem Jahre 2015 war u.a. zur Dauer und Beendigung Folgendes vereinbart:
„6. Dauer der alternierenden Telearbeit/Beendigung
(1) Die Beschäftigung in alternierender Telearbeit wird den Arbeitnehmern grundsätzlich als unbefristete Vereinbarung angeboten.
(2) Die alternierende Telearbeit kann auf Wunsch des Tele-Arbeitnehmers frühestens nach Ablauf eines Jahres schriftlich mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende beendet werden.
Der Arbeitgeber kann frühestens nach Ablauf eines Jahres schriftlich mit derselben Frist die Beschäftigung in alternierender Telearbeit beim Vorliegen eines betrieblichen Grundes beenden. Ein solcher liegt vor, wenn eine Abwägung des betrieblichen Interesses und des Interesses des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung der alternierenden Telearbeit ergibt, dass das betriebliche Interesse überwiegt.
Bei Arbeitnehmern, die bereits mindestens fünf Jahre in alternierender Telearbeit beschäftigt sind, kann die Beschäftigung erst mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich durch den Arbeitgeber beendet werden.
Aus wichtigem Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB, beispielsweise bei unberechtigter Zutrittsverweigerung (Teil III, Ziffer 4 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung) oder bei nachträglichem Entfall der Anforderungen an einen häuslichen Arbeitsplatz gem. Teil II, Ziffer 4 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung, kann die Beschäftigung in alternierender Telearbeit von beiden Seiten sofort oder mit einer kürzeren Frist als zuvor genannt beendet werden. …“
Auf dieser Basis schlossen dann die Parteien zusätzlich die auch in der Betriebsvereinbarung vorgesehene schriftliche Vereinbarung über alternierende Telearbeit im Jahre 2015 mit u.a. folgenden Beendigungsregelungen:
„10. Beendigung der alternierenden Telearbeit
a) Die alternierende Tätigkeit kann frühestens nach Ablauf eines Jahres auf Wunsch der Tele-Arbeitnehmerin schriftlich mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende beendet werden.
Der Arbeitgeber kann frühestens nach Ablauf eines Jahres schriftlich mit derselben Frist die Beschäftigung in alternierende Telearbeit beim Vorliegen eines betrieblichen Grundes beenden. Ein solcher liegt vor, wenn eine Abwägung des betrieblichen Interesses und des Interesses der Arbeitnehmerin an einer Fortsetzung der alternierenden Telearbeit ergibt, dass das betriebliche Interesse überwiegt.
b) Bei Arbeitnehmerinnen, die bereits mindestens 5 Jahre in alternierender Telearbeit beschäftigt sind, kann die Beschäftigung erst mit einer Frist von 6 Monaten schriftlich durch den Arbeitgeber beendet werden.
c) Aus wichtigem Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB, beispielsweise bei unberechtigter Zutrittsverweigerung (s. zuvor) oder bei nachträglichem Entfall der Anforderungen an einen häuslichen Arbeitsplatz, kann die Beschäftigung in alternierender Telearbeit von beiden Seiten sofort oder mit einer kürzeren Frist als zuvor beendet werden. …“
Die Arbeitnehmerin arbeitete gelegentlich an Samstagen. Hierbei kam es aus Sicht des Arbeitgebers zu wiederholten Arbeitsmängeln und Minderleistungen. Die Arbeitnehmerin wurde daher im März 2019 wegen der geringen Zahl an Bearbeitungsfällen an mehreren Samstagen abgemahnt. Für den Wiederholungsfall wurden hier arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung angedroht.
In der Folge beantragte dann der Arbeitgeber bei dem zuständigen Betriebsrat die „Rückversetzung von Telearbeit in Präsenz“ für die Arbeitnehmerin.
Der Betriebsrat hat dieser Rückversetzung zugestimmt. Mit Schreiben vom 1. April 2019 wurde dann der Arbeitnehmerin mitgeteilt, dass die bestehende Vereinbarung zu alternierender Telearbeit wegen nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten zum 30. April 2019 beendet werde. Ferner wurde ihr mitgeteilt, dass sie ab dem 1. Mai 2019 wieder in Präsenz tätig sein müsse.
Mit ihrer Klage hat die Arbeitnehmerin u.a. geltend gemacht, diese Rückversetzung sei eine unzulässige Teilkündigung. Prüfungsmaßstab sei daher § 1 Abs. 2 KSchG. Die Voraussetzungen lägen nicht vor. Es hätte vielmehr eine Änderungskündigung formal ausgesprochen werden müssen.
Das Arbeitsgericht hat die Rückversetzung für zulässig angesehen.
Die Entscheidung
Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Zulässigkeit der Rückversetzung bestätigt, allerdings nicht schon zum 1. Mai 2019, sondern erst zum 31. Oktober 2019, also unter Wahrung der maßgeblich vereinbarten Kündigungsfrist.
I. Zulässigkeit einer Teilkündigung?
Eine Teilkündigung ist in der Regel unzulässig. Mit einer Teilkündigung soll ein Vertrag nur punktuell verändert werden. Damit wird in das vereinbarte Gefüge eingegriffen. Teilkündigungen können aber ausnahmsweise zulässig sein, wenn eine solche Teilkündigung vereinbart wurde und das Teilkündigungsrecht die andere Partei nicht unzulässig benachteiligt. Zudem müssen sich nach dem Gesamtbild des Vertrages einzelne Teile selbstständig ablösen lassen. Die Abgrenzung kann im Einzelfall durchaus schwierig sein. Insbesondere dürfen die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht umgangen werden. Ferner ist die AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB zu beachten.
II. Hier: Betriebsvereinbarung und Individualregelung
Im vorliegenden Fall wurde das Teilkündigungsrecht in einer Betriebsvereinbarung ausdrücklich vorgesehen. Zwar wird das Wort „Teilkündigung“ vermieden. Vorgesehen sind aber bestimmte Fristen und genaue Regelungen zur Beendigung. Auch eine Beendigung aus wichtigem Grund war vorgesehen.
Dieses Teilkündigungsrecht haben die Parteien dann zusätzlich in eine individualrechtliche Vereinbarung übernommen.
Für das Landesarbeitsgericht stand fest, dass es sich dabei nicht um eine Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften handelte, sondern vielmehr um die zulässige Vereinbarung einer Teilkündigung. Daher musste diese Beendigungsmöglichkeit auch nicht am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes geprüft werden. Das Austauschverhältnis zwischen den Parteien wurde nämlich durch die Teilkündigung nicht zu Lasten der Arbeitnehmerin verändert. An ihrer Vergütung und ihrer Tätigkeit sollte sich auch durch eine Rückversetzung in den Präsenzbetrieb nichts ändern. Es wurde lediglich der Arbeitsort damit beschränkt. Auch waren die Tätigkeiten im Homeoffice nicht unbegrenzt vorgesehen. Schließlich enthielt auch der Arbeitsvertrag keine verbindliche Regelung zum Arbeitsort, sondern unterlag dem allgemeinen Direktionsrecht. All diese Punkte sprachen daher nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts für die Zulässigkeit einer Teilkündigung.
Im Hinblick auf die ABG-Kontrolle hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass Regelungen aus einer Betriebsvereinbarung der Kontrollfreiheit nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB unterliegen. Die individualrechtliche Vereinbarung wiederholte lediglich die Regelung aus der Betriebsvereinbarung. Zudem hätte auch eine individualrechtliche AGB-Kontrolle nicht zur Unwirksamkeit geführt.
III. Kein wichtiger Grund
Der Arbeitgeber hatte die Rückversetzung mit kurzer Frist ausgesprochen. Die maßgebliche Kündigungsfrist von sechs Monaten nach der Vereinbarung wurde hingegen nicht beachtet. Die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes für eine kurze Beendigung sah das Landesarbeitsgericht hingegen nicht als erfüllt an. Daher musste die vereinbarte Kündigungsfrist beachtet werden. Eine Umdeutung zum nächst zulässigen Termin war hier zulässig.
IV. Betriebsratsbeteiligung!
Der Betriebsrat wurde im vorliegenden Fall angehört. Er hat der Rückversetzung zugestimmt. Das Landesarbeitsgericht hat die Zustimmung zu der Rückversetzung und der damit innewohnenden Zustimmung zugleich zu der beantragten außerordentlichen Kündigung gleichzeitig als Zustimmung zu der weniger einschneidenden ordentlichen Kündigung gewertet. Damit hat der zuständige Betriebsrat zur entfristeten Rückversetzung per Teilkündigung insgesamt zugestimmt.
Fazit
Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass genaue Vereinbarungen und Regelungen im Streitfall hilfreich sind und Rechtsnachteile vermeiden. Die Vertragsparteien, insbesondere Arbeitgeber, sollten sich daher bei der Vereinbarung von alternierender Telearbeit, Homeoffice, mobilem Arbeiten, etc. auch Gedanken über die Beendigungsmöglichkeiten machen und entsprechende genaue Regelungen vorsehen. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass Mitarbeiter sich auf dauerhafte Tätigkeiten im Homeoffice berufen und eine Rückversetzung in Frage stellen. Wir können der Praxis daher nur empfehlen, möglichst weitreichende Regelungen vorzusehen, um eine einseitige Bindung zu vermeiden.
Auszeichnungen
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TOP-Wirtschaftskanzlei für Arbeitsrecht(FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)
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TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht(WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)
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TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen(WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)
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TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen(WirtschaftsWoche 2023, 2020)
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