Bewertungsportal: Das LG München hat die rechtliche Position von Unternehmen gegenüber anonymen rechtsverletzenden Bewertungen im Internet gestärkt
Möchte ein Unternehmer gegen anonyme rechtsverletzende Bewertungen auf Bewertungsportalen vorgehen, stellt sich die Frage, ob er einen Auskunftsanspruch gegen den E-Mail-Anbieter des Users hat (credits:adobestock).

Bewertungsportale erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie ermöglichen es Nutzern, unkompliziert, schnell Erfahrungen und Meinungen über Unternehmen, Produkte oder Dienstleistungen auszutauschen. Insbesondere bei negativen Bewertungen möchten Nutzer häufig anonym bleiben. Dies ist jedoch problematisch, weil anonyme Bewertungen in den meisten Fällen nicht überprüft und verifiziert werden können.

Während berechtigte Kritik erlaubt und wichtig ist, verursachen unwahre und unbegründete Behauptungen schnell erhebliche Schäden für den guten Ruf und die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen. Solche negativen Falschbehauptungen können sogar eine strafbare Handlung darstellen.

Das Landgericht München I (LG München I, Beschluss v. 19.2.2025 – 25 O 9210/24) entschied kürzlich auf Antrag eines Unternehmens, dass der betreffende E-Mail-Anbieter Auskunft über Name und Anschrift der Nutzer rufschädigender und degradierender Bewertungen auf einem Arbeitgeber-Bewertungsportal geben muss.

Der Fall (verkürzt):

Auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu wurden innerhalb weniger Wochen mehrere negative, teils rechtsverletzende Bewertungen über die Antragstellerin – ein Unternehmen aus der Automobilbranche – abgegeben. In einer Bewertung wurde dem Unternehmen vorgeworfen Tankversieglungen ohne Atemmasken durchzuführen und Öle in den Abfluss zu kippen. In einer anderen Bewertung wurde behauptet, ältere Kollegen würden „einfach rausgeworfen“.

Aufgrund eines Beschlusses (LG München I, Beschluss v. 12.6.2024 – 25 O 9201/22 e) musste Kununu der Antragstellerin Auskunft über die Bestandsdaten, also die E-Mail-Adressen, der Verfasser der betreffenden Bewertungen geben.

Daraufhin verlangte die Antragstellerin von den betreffenden E-Mail-Anbieter (hier Google-Mail) Auskunft über die Namen, Anschriften und Geburtsdaten der Verfasser der streitgegenständlichen Bewertungen.

Die Entscheidung:

Das Landgericht hat entschieden, dass der E-Mail-Anbieter verpflichtet ist, die Namen und Anschriften der betreffenden Nutzer nach § 21 TDDDG herauszugeben:

I. E-Mail-Anbieter sind Digitale Dienste

E-Mail-Anbieter sind nach Auffassung des Gerichts Digitale Dienste im Sinne von § 1 Abs. 4 Nr. 1 DDG und § 2 Abs. 2 Nr. 1 TDDDG. E-Mail-Dienste dienen dem Empfangen und Versenden von elektronischen Nachrichten. Diese Dienste werden regelmäßig auch gegen Entgelt erbracht. Sämtliche E-Mail-Dienste erbringen ihre Leistungen entweder gegen monetäre Bezahlungen (meist im Rahmen von sog. „Premium-Modellen“) oder die Nutzer bezahlen den Dienst dadurch, dass sie ihre Daten dem Betreiber zum Zwecke der Auswertung (insbesondere zu Werbezecken) zur Verfügung stellen.

Zudem hat das Gericht festgestellt, dass § 21 TDDDG auch auf „interpersonelle Telekommunikationsdienste“ i.S.d. § 3 Nr. 61 lit. b) TKG i.V.m. § 3 Nr. 24 TKG Anwendung findet und kein Exklusivverhältnis zwischen dem Telekommunikationsgesetz (TKG) und dem Telekommunikations-Digitale-Dienste-Datenschutzgesetz (TDDDG) besteht.

Hinweis für die Praxis:

Unternehmen sollten Bewertungsportale regelmäßig auf rechtsverletzende Bewertungen prüfen, um ggf. von den Betreibern Auskünfte zu verlangen. Wahrheitswidrige rufschädigende Äußerungen müssen nicht hingenommen werden. Betreffende Bewertungen sollten für Geltendmachung etwaiger Ansprüche sorgfältig dokumentiert werden.

II. Kettenauskunft zulässig

Das Landgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass eine Kettenauskunft zulässig ist. Eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Anbieter des digitalen Dienstes (hier Google-Mail) und der Verbreitung des rechtsverletzenden Inhalts in dem digitalen Dienst ist hierfür nicht erforderlich. Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist, dass Anspruchsteller ihre zivilrechtlichen Ansprüche effektiv verfolgen können. Würde eine direkte Verbindung zwischen Äußerung und Dienst verlangt, wäre der Auskunftsanspruch aus § 21 TDDDG häufig wirkungslos, da als Nutzerdaten oft nur Fantasiedaten hinterlegt sind und einziges weiteres Detail die verwendete E-Mail-Adresse ist.

Hinweis für die Praxis:

Bei der zivil- oder strafrechtlichen Verfolgung anonymer rufschädigender Äußerungen im Internet sollten Unternehmen die Möglichkeit der Kettenauskunft berücksichtigen, um die betreffenden Verfasser der Beiträge identifizieren zu können und Ansprüche wirksam durchzusetzen. Betroffene Unternehmen sind nicht darauf angewiesen, sich an die Strafverfolgungsbehörden zu wenden, die ihrerseits Auskünfte nach § 174 TKG einholen können. Denn die straf- und zivilrechtliche Verfolgung laufen nicht zwangsläufig parallel. Auch wenn Strafverfolgungsbehörden unter Umständen von einer Strafverfolgung absehen können, bleiben zivilrechtliche Ansprüche der betroffenen Unternehmen dennoch bestehen und können eigenständig verfolgt werden.

Fazit:

Die Entscheidung des LG München I verbessert die rechtliche Position von Unternehmen gegenüber anonymen rechtsverletzenden Bewertungen im Internet. Durch die nun bestätigte Auskunftspflicht Digitaler Dienste, einschließlich E-Mail-Diensten, haben Unternehmen künftig bessere Möglichkeiten, gegen rufschädigenden Bewertungen vorzugehen.


Hierzu beraten wir Sie gerne.

Autor: Nicolas Fischer

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Nicolas Fischer
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