23.04.2025 -
Der BFH hatte zu entscheiden, ob Schuldzinsen aus der Finanzierung einer vermieteten Immobilie auch nach einer unentgeltlichen Übertragung an ein Familienmitglied als Sonderwerbungskosten abziehbar sind.
Unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an ein Familienmitglied ohne Schuldübernahme: Kein voller Schuldzinsanzug mehr möglich! (credits:adobestock)

Bei unentgeltlicher Übertragung eines Miteigentumsanteils an vermieteter Immobilie entfällt der Schuldzinsenabzug anteilig – Relevanz für Gestaltungen prüfen!

1. Sachverhalt: Unentgeltliche Übertragung mit steuerlicher Sprengkraft

    Im Mittelpunkt des Verfahrens BFH, Urteil vom 03.12.2024, IX R 2/24, stand die Frage, ob Schuldzinsen aus der Finanzierung einer vermieteten Immobilie auch nach einer unentgeltlichen Teilübertragung an ein Familienmitglied weiterhin in vollem Umfang als Sonderwerbungskosten abziehbar sind.

    Ein Alleineigentümer A übertrug im Jahr 2019 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge einen ideellen 2/5-Miteigentumsanteil eines vermieteten Grundstücks unentgeltlich auf seinen Sohn. Die Immobilie war zuvor vollständig fremdfinanziert worden. Die zugehörigen Darlehensverbindlichkeiten blieben vollständig beim Übertragenden. Es wurde weder ein Schuldbeitritt des Sohnes erklärt, noch übernahm er Schulden.

    Die Grundstücksgemeinschaft bestehend aus Vater und Sohn erklärte für das Streitjahr 2020 Schuldzinsen in Höhe von 59.855,01 € als Sonderwerbungskosten des Vaters. Das zuständige Finanzamt erkannte jedoch lediglich 35.913,01 € (3/5) an entsprechend dem verbliebenen Eigentumsanteil.

    Das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 13.12.2023, 3 K 162/23) bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung. Die auf den unentgeltlich übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen seien nicht mehr als Sonderwerbungskosten abziehbar.

    2. Entscheidungsgründe des BFH: Objektbezogenheit erlischt bei unentgeltlicher Übertragung

    Der BFH wies die Revision der Klägerin in vollem Umfang zurück. Er bestätigte damit die Sichtweise der Vorinstanz, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung durch die unentgeltliche Übertragung entfällt.

    Rechtlicher Maßstab: § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG

    Schuldzinsen können nur dann als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Entscheidend sind:

    • Objektiver Zusammenhang: Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung
    • Subjektive Zielrichtung: Förderung der Erzielung von Einkünften

    „Der wirtschaftliche Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart kann grundsätzlich nicht durch einen bloßen Willensakt des Steuerpflichtigen begründet werden.“

    Zentrale Würdigung: Zweckwechsel der Schuldzinsen

    Nach Ansicht des BFH liegt bei der unentgeltlichen Übertragung ohne Schuldübernahme ein Zweckwechsel vor:

    „Durch die unentgeltliche Übertragung […] wird insoweit der (objektive) wirtschaftliche Zusammenhang der zur Finanzierung der Anschaffung der Immobilie aufgenommenen Darlehen zur bisherigen Einkünfteerzielungstätigkeit gelöst.“

    Die Schuldzinsen dienten ab dem Zeitpunkt der Übertragung (anteilig) nicht mehr der Erzielung von Mieteinkünften, sondern der Finanzierung der Schenkung.

    3. Leitsatz und Kernaussagen des Urteils

    • „Überträgt der bisherige Alleineigentümer an einem Vermietungsobjekt einen Miteigentumsanteil unentgeltlich und behält dabei die aus der Anschaffung resultierenden Verbindlichkeiten vollständig zurück, sind die auf den übertragenen Miteigentumsanteil entfallenden Schuldzinsen nicht als (Sonder)Werbungskosten berücksichtigungsfähig.“
    • Ein Schuldzinsenabzug ist nicht mehr möglich, wenn die Immobilie (oder ein Anteil daran) unentgeltlich übertragen wird und der Erwerber keine Darlehensverpflichtung übernimmt.
    • Die Objektbezogenheit der Schuldzinsen entfällt bei einer solchen Konstellation.

    4. Relevanz für die Praxis: Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen

    a. Für Steuerberater: Gestaltungen bei Übertragungen prüfen

    Bei Übertragungen von Miteigentumsanteilen an Immobilien im Wege der Schenkung ist es essenziell, die Finanzierungsstruktur genau zu analysieren. Eine unentgeltliche Übertragung ohne Schuldübernahme oder Schuldbeitritt kann erhebliche steuerliche Nachteile bringen.

    b. Für Unternehmer und Immobilienbesitzer: Nießbrauch als Gestaltungsinstrument

    Die Gestaltung Vorbehaltsnießbrauch könnte ein Weg sein, die Abziehbarkeit der Schuldzinsen zu sichern sofern der Übertragende wirtschaftlich weiterhin Einkünfte erzielt.

    5. Exkurs: Auswirkungen eines Nießbrauchsvorbehalts

    Ein Nießbrauchsvorbehalt ändert die Bewertung erheblich:

    „Ein Vorbehaltsnießbrauch führt dazu, dass der bisherige Eigentümer weiterhin zur Einkünfteerzielung tätig ist; die wirtschaftliche Nutzung bleibt bei ihm.“

    Konsequenz:

    • Der wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen bleibt erhalten.
    • Die volle steuerliche Abziehbarkeit ist möglich, auch für den übertragenen Anteil.

    Voraussetzung:

    • Der Nießbrauch muss tatsächlich ausgeübt und wirtschaftlich wirksam sein (z. B. durch Zufluss der Mieteinnahmen an den Nießbrauchsberechtigten).

    6. Fazit: Klare Linie des BFH zur Schuldzinsenabzugsfähigkeit bei unentgeltlichen Übertragungen

    • Schuldzinsen sind bei unentgeltlicher Übertragung ohne Schuldübernahme nicht mehr vollständig als Sonderwerbungskosten abziehbar.
    • Der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung entfällt insoweit.
    • Es gibt keine Übertragbarkeit betrieblicher Regelungen auf private Vorgänge.
    • Steuerberater und Immobilieneigentümer sollten dies bei der Gestaltung von Übertragungen im Familienkreis unbedingt berücksichtigen.

    Merksatz für die Praxis: „Keine Schuldübernahme – kein voller Schuldzinsenabzug!“


    Wir helfen Ihnen gerne bei der steueroptimierten Übertragung von Immobilien, Gewerbebetrieben und Unternehmen. Sprechen sie uns an!

    Autor: RA & StB Andreas Jahn

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