16.04.2025 -
Sofern die Dauer der Probezeit für zu lang angesehen wird, stellt sich die Frage, ob die sechsmonatige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG weiterhin gilt.
Hat eine kürzere Probezeit Auswirkungen auf die sechsmonatige Wartezeit für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes? (credits: adobestock)

Eine Probezeit darf bekanntlich für maximal sechs Monate nach § 622 Abs. 3 BGB vereinbart werden. Die Probezeitdauer in befristeten Arbeitsverträgen richtet sich ergänzend aber nach § 15 Abs. 3 TzBfG. Die Probezeit muss dann im Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung stehen. Die sechs Monate dürfen daher nicht immer ausgeschöpft werden! Unklar ist aber, welche Dauer erlaubt ist. Mit dieser Frage hatte sich nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu befassen (LAG Berlin-Brandenburg v. 2.7.2024, 19 Sa 1150/23). Im konkreten Fall wurde die Dauer der Probezeit für zu lang angesehen und es stellte sich dann die Frage, ob denn jedenfalls die sechsmonatige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG weiterhin galt. Wir möchten die wichtige Entscheidung hier vorstellen und besprechen.

Der Fall:

Die Parteien haben einen befristeten Arbeitsvertrag für die Dauer von einem Jahr vereinbart. Der Vertrag trat am 22.8.2022 in Kraft und war bis zum 21.8.2023 wirksam befristet. Die Klägerin wurde als Advisor I mit einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.500,00 € beschäftigt.

Im Arbeitsvertrag wurde u.a. Folgendes vereinbart:

„(3) Die ersten vier Monate der Tätigkeit (vom 22.8.2022 bis 21.12.2022) gelten als Probezeit. In dieser Zeit kann der Arbeitsvertrag von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden.

(4) Unbeschadete der in Absatz 1 geregelten Befristung bleibt beiden Parteien vorbehalten, das Arbeitsverhältnis nach der Probezeit ordentlich unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB und bei Vorliegen eines wichtigen Grundes außerordentlich zu kündigen. Eine ordentliche Kündigung vor Dienstantritt ist ausgeschlossen.“

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 9.12.2022 innerhalb der Probezeit ordentlich zum 28.12.2022.

Die Arbeitnehmerin klagte gegen die Kündigung. Sie hat die Auffassung vertreten, die vereinbarte viermonatige Probezeit widerspreche § 15 Abs. 3 TzBfG. Die Probezeit hätte maximal für drei Monate vereinbart werden dürfen. Damit sei auch § 1 Abs. 1 KSchG im Wege der teleologischen Reduktion so auszulegen, dass sich auch die Wartezeit nach dem KSchG auf drei Monate verkürze und das Arbeitsverhältnis nicht mehr ohne soziale Rechtfertigung hätte gekündigt werden dürfen.

Der Arbeitgeber hält die vereinbarte Probezeitdauer von vier Monaten für gerechtfertigt. Jedenfalls sei die Kündigung in eine Wartezeitkündigung umzudeuten. Das Arbeitsverhältnis ende daher spätestens mit gesetzlicher Kündigungsfrist zum 15.1.2023.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Kündigung in eine Wartezeitkündigung umgedeutet und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 9.12.2022 am 15.1.2023 geendet hat.

Die Entscheidung:

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das LAG hat beide Berufungen zurückgewiesen und die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Dauer der Probezeit bei Befristungen

Die Dauer der Befristung bei einem befristeten Arbeitsvertrag darf nicht immer auf die maximal zulässigen sechs Monate nach § 622 Abs. 3 BGB festgelegt werden. Vielmehr bestimmt § 15 Abs. 3 TzBfG folgendes:

„Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.“

Das Gesetz legt damit aber kein starres Verhältnis von Befristungs- und Probezeitdauer fest. Anhaltspunkte lassen sich auch aus den Gesetzesmaterialen nicht sicher entnehmen. Das LAG hat ein Quorum von 25 % als Regelfall festgesetzt. Dies gelte jedenfalls für eine einjährige Befristung. Damit darf die Probezeit bei einer einjährigen Befristung die Dauer von drei Monaten nicht übersteigen.

Hinweis für die Praxis:

Damit führt das LAG praktisch, anders als das Gesetz, ein starres Quorum ein. Dies soll natürlich der besseren Handhabung dienen und lässt sich in der Begründung auch nachvollziehen. Mit einem starren Quorum wird aber verhindert, dass der Arbeitgeber sachliche Gründe für eine ggf. notwendige längere Probezeit vortragen kann. Der Praxis ist hier dennoch zu empfehlen, sich bis auf Weiteres an dieser Vorgabe zu orientieren.

II. Dauer der Kündigungsfrist?

Damit war eine Probezeit nicht wirksam vereinbart. Dies führte dann aber nicht dazu, dass das Arbeitsverhältnis gar nicht gekündigt werden durfte. Vielmehr gelten die ebenfalls vertraglich vereinbarten gesetzlichen Kündigungsfristen. Diese betragen in den ersten zwei Jahren eines Arbeitsverhältnisses vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende. Das Arbeitsgericht und auch das LAG haben daher zutreffend klargestellt, dass die ausgesprochene Probezeitkündigung in eine ordentliche Kündigung mit gesetzlicher Kündigungsfrist umzudeuten war. Das Arbeitsverhältnis endete daher mit der Grundkündigungsfrist zum 15.1.2023.

Hinweis für die Praxis:

Eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung war hier allerdings nur möglich, weil die Parteien ausdrücklich eine entsprechende Kündigungsmöglichkeit im Arbeitsvertrag vorgesehen hatten. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte das Arbeitsverhältnis entsprechend § 15 Abs. 4 TzBfG nicht ordentlich gekündigt werden können! Auf die Vereinbarung von allgemeinen Kündigungsfristen ist daher in befristeten Arbeitsverträgen besonders zu achten.

III. Verkürzung auch der Wartezeit?

Die Arbeitnehmerin hatte sich hier schließlich darauf berufen, eine Kündigung sei gar nicht möglich gewesen, weil die Wartezeit ebenfalls entsprechend auf drei Monate hätte gekürzt werden müssen. Dem hat das LAG aber eine klare Absage erteilt. Die sechsmonatige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ist gesetzlich vorgegeben. Diese Wartezeit kann zwar ebenfalls einzelvertraglich ausgeschlossen und/oder verkürzt werden. Dies muss dann aber klar vereinbart werden. Eine fehlerhafte Probezeitvereinbarung, die gegen § 15 Abs. 3 TzBfG verstößt, führt keinesfalls zu einer verkürzten Wartezeit. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung, die streng zwischen den Begriffen „Probezeit“ und „Wartezeit“ unterscheidet. Dies gilt unabhängig davon, dass im allgemeinen Sprachgebrauch die Wartezeit häufig als Probezeit bezeichnet wird.

Hinweis für die Praxis:

Eine Verkürzung der Wartezeit kommt nur bei ausdrücklicher Vereinbarung in Betracht. In allen anderen Fällen greifen die gesetzlich geregelten sechs Monate für die Wartezeit. In diesen sechs Monaten kann ohne soziale Rechtfertigung das Arbeitsverhältnis gekündigt werden. Die verkürzte Probezeit betrifft dann nur die Dauer der Kündigungsfrist. Mit der zulässigen Kündigung innerhalb der Wartezeit hat die verkürzte Kündigungsfrist dann nichts zu tun.

Fazit:

In einem befristeten Arbeitsvertrag darf die Probezeit nicht ohne Weiteres für die Dauer von sechs Monaten vereinbart werden. Vielmehr gilt nach § 15 Abs. 3 TzBfG, dass die Probezeitdauer und die Befristung in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen. Das LAG Berlin-Brandenburg hat hier ein Quorum von 25 % festgelegt. Daran sollte sich die Praxis bis auf weiteres orientieren. Die Entscheidung ist allerdings beim Bundesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 2 AZR 160/24 anhängig. Wir werden über die weitere Entwicklung der Rechtsprechung berichten.


Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen

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